4-Tage-Woche

In Osttiroler Betrieb gilt die 4-Tage-Woche – „Für uns ist es eine Investition in die Zukunft“

In Osttirol beim Naturkosmetik-Hersteller Brüder Unterweger wird nur vier Tage die Woche gearbeitet – bei vollem Lohn. Im Unternehmen beginnt das Wochenende jetzt bereits am Donnerstag um 17 Uhr. Für Chef Michael Unterweger ist die 4-Tage-Woche ein Weg, gute Mitarbeiter zu finden und zu halten. Er sieht die Umstellung als eine Investition in die Zukunft. Wir haben mit dem Tiroler Unternehmen über seine Erfahrung mit der Arbeitszeitverkürzung gesprochen.

Kontrast: Was war für euch bei Brüder Unterweger der Ansporn, die Arbeitszeit zu verkürzen?

Michael Unterweger: Da hat es mehrere Punkte gegeben. Der Erste war, dass wir durch die 4-Tage-Woche die Arbeitszeit pro Tag etwas erhöhen konnten, nämlich von acht auf neun Stunden. Dadurch haben wir die Umrüstzeit bei den Maschinen etwas reduzieren können. Das heißt, die Chargen sind größer geworden und die Produktivität in diesem Bereich ist gestiegen.

Am Freitag hatten wir 4,5 Stunden Arbeitszeit und in dieser Zeit ist natürlich die Produktivität bei den Maschinen nicht ganz so hoch, als wenn sie eigentlich nein Stunden durchgehend produzieren könnten.

4 tage woche erfahrungen tirol brüder unterweger

Aus Latschen (Bergkiefern) stellt „Brüder Unterweger“ Naturkosmetik her. Diese gewinnt es direkt aus den Tiroler Bergen. Durch die 4-Tage-Woche kann das Unternehmen seine Maschinen effektiver nutzen und dadurch die Produktivität ankurbeln. Die Erfahrungen sprechen für sich.

Der zweite Punkt ist, dass die Arbeitszeitverkürzung ein besonderer Anreiz für die Mitarbeiter ist.

Mittlerweile stellt sich heraus, dass nicht nur das Geld allein der ausschlaggebende Punkt ist, um sich irgendwo zu bewerben, sondern durchaus auch die verfügbare Freizeit.

Da wir in unserer Region in Osttirol bemüht sein müssen, gute Mitarbeiter zu bekommen und zu halten, ist das auch eine Investition in die Zukunft. Durch dieses Angebot finden wir eine ausreichende Zahl an guten Mitarbeitern. Besonders bei höher qualifizierten Mitarbeitern ist das durchaus ein wesentlicher Punkt.

Was sind die Erfahrungen mit der Umstellung von der 5- zur 4-Tage Woche?

Unterweger: Wir haben früher 38,5 Stunden gearbeitet und haben dann auf eine 36-Stunden-Woche umgestellt. Zusätzlich haben unsere Mitarbeiter jeweils eine Viertelstunde Pause am Vormittag und am Nachmittag, die als Arbeitszeit zählen.

Von den Mitarbeitern ist die Umstellung sehr gut aufgenommen worden, eben auch, weil es eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn war. Mit der Ausnahmen, dass es im ersten Jahr der Umstellung keine zusätzliche Lohnsteigerung gegeben hat. Die Reduzierung der Arbeitszeit bei gleichbleibenden Lohn entspricht aber einer Lohnerhöhung von 6 Prozent. Nach dem ersten Jahr gab es dann natürlich wieder Lohnerhöhungen, auch über dem Kollektivvertrag.

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Auch in Tirol wird es immer schwieriger qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Für Brüder Unterweger ist die 4-Tage-Woche auch ein Weg gute Mitarbeiter zu bekommen und zu halten. Jetzt wird nur mehr 34 Stunden die Woche gearbeitet und das Unternehmen macht damit gute Erfahrungen.

Wir haben bei der Umstellung dann auch eine digitale Zeiterfassung eingeführt. Die wäre aber sowieso angestanden, weil wir außerhalb der Produktion ein Gleitzeit-Modell mit Kernzeit haben. In der Produktion ist Gleitzeit leider nicht möglich.

Es hat bei der Umstellung eigentlich kein Problem gegeben – auch, weil es eben für die Mitarbeiter keine Einbußen gegeben hat.

Wie haben eure Geschäftskunden reagiert?

Unterweger: Natürlich hat es am Anfang der Umstellung eine Eingewöhnungsphase gegeben bei den einen oder anderen Kunden, bis sich etabliert hat, dass wir am Freitag nicht unbedingt erreichbar sind. Im Großen und Ganzen aber hat uns der Großteil unserer Kunden in unserer Umstellung eigentlich Recht gegeben. Wir haben auch Kunden, die jetzt eine ähnliche Umstellung anstreben.

Wenn es einmal nötig ist, dass Arbeiten am Freitag erledigt werden müssen, dann passiert das auf freiwilliger Basis. Die Überstunden müssen bei der Geschäftsleitung angemeldet werden und werden dann natürlich auch als solche bezahlt.

Ist Arbeitszeitverkürzung ein Zukunftsmodell für ganz Österreich?

Unterweger: Ich würde mich nicht trauen, da eine Empfehlung oder eine Warnung auszusprechen. Denn so eine Umstellung ist etwas, das mit den Mitarbeitern abgesprochen werden muss. Es geht relativ leicht mit einer kleineren Anzahl an Mitarbeitern: Wir haben zum Beispiel 60 Personen bei uns im Haus beschäftigt. Bei größeren Betrieben, wo über 200 Personen arbeiten, könnte es vielleicht etwas schwieriger sein, weil es da natürlich mehr unterschiedliche Wünsche an das Arbeitszeit-Modell gibt. Außerdem macht es einen Unterschied, ob es eines oder mehrere Geschäftsfelder im Unternehmen gibt. Es wird bei einer Arbeitszeitverkürzung bestimmt branchen- und betriebsspezifische Anpassungen geben müssen.

Eine generelle Empfehlung würde ich nicht aussprechen. Jeder Betrieb muss sich selbst ausrechnen, ob die Vorteile einer Arbeitszeitverkürzung mögliche zusätzliche Kosten überwiegen.

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„Brüder Unterweger“ beschäftigt rund 60 Mitarbeiter im Tiroler Thal-Aue. Das Unternehmen machte gute Erfahrungen mit der Umstellung auf die 4-Tage-Woche. Bei größeren Unternehmen kann sich die Umstellung komplizierter gestalten, meint der Geschäftsführer Michael Unterweger.

Was würden Sie einem Unternehmen empfehlen, das seine Arbeitszeiten verkürzen möchte?

Unterweger: Zuerst sollte der Unternehmer sich einmal alle Vorteile sowie Nachteile überlegen, die er sich von einer einem spezifischen Modell der Arbeitszeitverkürzung erwartet. Möchte er die Verkürzung mit vollem Lohnausgleich oder erwartet er sich von den Mitarbeitern einen Rückgang beim Lohn, falls die rechnerische Erhöhung über die jährliche, gesetzlich vorgeschriebene Lohnerhöhung hinausgeht? Das sollte sich der Unternehmer einmal genau überlegen und das Modell dann mit seinen Mitarbeitern besprechen. Ohne Absprache mit den Mitarbeitern kann es zu Verunsicherung oder sogar Unzufriedenheit kommen. Das war bei uns nicht der Fall – weil die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter optimal waren.

Für uns war es am Anfang ein Versuch, bei dem wir auch gesagt haben, dass wir, falls es nicht funktioniert, wieder zu unserem alten Modell zurückkehren. Aber die Arbeitszeitverkürzung hat sich in der Weise, wie wir sie umgesetzt haben, recht gut bewährt. Ich sehe deshalb jetzt keine Notwendigkeit, an unserem Modell irgendetwas zu ändern.

Michael Unterweger

Michael Unterweger (links) ist einer der  Geschäftsführer der Brüder Unterweger. Das Osttiroler Unternehmen stellt seit 1886 Öle und später auch Kosmetikprodukte aus Tiroler Latschenkiefern her. Mit der Arbeitszeitverkürzung will der Unternehmer langfristig Mitarbeiter an das Unternehmen binden und dadurch seinen Erfolg sichern.

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rudolf
rudolf
26. Juli 2020 10:44

In die Arbeits -Losen -Versicherung zahlen ALLE Arbeitnehmer ein!!
Es sollen ALLE AL eine Nettoauszahlung von 80 % , des letzten Lohnes, sein! Aber OHNE Unterschreitung der Armutsgefährdungsschwelle von 1286.-€ pro Monat.
Warum sollte die AL-Versicherung eine Belastung der Staatskasse sein? Mit einer Arbeits Zeit Verkürzung kommte auch wieder mehr Geld in die AL-Versicherung!
Ein Beschäftigungshemmniss ist es keine, wenn die Unternehmer verpflichtet werden, ARBEITSPLÄTZE zur Verfügung zu stellen!
Und das geht mit einer 30 Wochenstunde und einem Nettolohn von 17.-€ pro Stunde = 2208.30 € pro Monat. Wo es diesen Lohn noch nicht gibt!!

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