In Österreich startet ein neues Pilotprojekt zur Einführung der 4-Tage-Woche in Unternehmen. Die Schweizer Organisationsberatung Hailperin führt die Studie gemeinsam mit der TU Wien und der Webster Vienna Private University durch. Österreichische Betriebe, Vereine und öffentliche Stellen können wissenschaftlich begleitet in einer sechsmonatigen Testphase eine Arbeitszeitverkürzung (von mindestens vier Stunden) bei vollem Lohnausgleich erproben: also weniger Arbeitstage, gleiches Gehalt und gleiche oder verbesserte Produktivität. Kontrast hat mit dem Leiter des Projekts Veit Hailperin darüber gesprochen, wie das funktionieren kann.
4-Tage-Woche mit kürzeren Arbeitszeiten ist auch im Sozial- und Gesundheitsbereich möglich
Kontrast: Weniger Zeit, um die gleiche Arbeit zu machen: Was antworten Sie jenen, die sagen: „Das ist ein Hirngespinst und illusorisch! Das kann gar nicht gehen!“?
Veit Hailperin: Wenn sich außer einer kürzeren Arbeitszeit nichts an der Umgestaltung der Arbeit ändern darf, dann ist die Aussage vermutlich sogar häufig korrekt. Ich gehe im Normalfall davon aus, dass bei einer Umstellung zur 4-Tage-Woche unter anderem die Art und Weise, wie gearbeitet wird, sich auch ändert. Wenn man bereit ist, zusätzlich zur Arbeitszeitverkürzung weitere Anpassungen vorzunehmen, gehe ich davon aus, dass es in den meisten Organisationen funktionieren kann. Das können zum Beispiel das Streichen von Meetings sein oder das Einführung von Fokuszeiten.
Kontrast: Häufig werden solche verkürzten Arbeitszeiten in (IT-)Büros und kleineren Teams umgesetzt. Welche Erfahrungen haben Sie mit anderen Bereichen wie Dienstleistungen im Sozial- und Gesundheitsbereich oder in öffentlichen Stellen?
Veit Hailperin: Im Sozial- wie Gesundheitsbereich gibt es auch diverse Beispiele, wie z.B. das US-amerikanische Krebszentrum Fox Chase Cancer Center, wo sie seit 2022 für Pflegekräfte eine Arbeitszeitverkürzung bei Lohnausgleich implementiert haben. Die Fluktuation ist deutlich runter, sie erhalten bessere Bewerbungen, sie bewerten die Arbeit selbst als nachhaltiger und es hat für verstärkte professionelle Weiterbildung bei den Pflegefachkräften gesorgt. Bei öffentlichen Stellen hat man auch gemerkt, dass sich die Qualität der Arbeit verbessert hat. Ein Beispiel dafür ist der Bezirksrat im britischen South Cambridge, wo die 4-Tage-Woche nach Tests und erfolgreichen Ergebnissen im Juli nun permanent eingeführt wurde.
Manchmal sind Neueinstellungen notwendig – aber machbar
Kontrast: Denken Sie, dass es in allen Berufen möglich sein wird, weniger zu arbeiten für das gleiche Gehalt?
Veit Hailperin: Es wurde bisher nicht in allen Bereichen getestet, aber es gibt grundsätzlich erstmal keinen Grund auszuschließen, dass es überall funktionieren kann.
Die Diversität an Branchen, in denen es positive Beispiele gibt, ist riesig.
Manchmal braucht es möglicherweise Neueinstellungen, aber wenn der Umsatz gleichzeitig steigt, oder die Verluste genügend sinken oder eine Kombination davon, können auch zusätzliche Kosten von Neueinstellungen wieder wettgemacht werden. Ein solches Beispiel bietet das 25 hours Hotel. Sie hatten nach Corona Schwierigkeiten, Personal zu finden, so dass nicht alle Stockwerke bedient werden konnten. Zusätzlich waren die Mitarbeitenden häufig krank und die Fluktuation hoch. Mit der Arbeitszeitreduktion sank der Stress und die Fehltage massiv, die Verluste durch Fluktuation, Fehltage verschwanden und durch die gesteigerte Arbeitgeberattraktivität wurde Personal gefunden, womit wiederum die Stockwerke geöffnet werden konnten.
Weniger Fehltage, attraktiver Arbeitgeber, höhere Produktivität – die Gründe sind vielfältig
Kontrast: Seit über zwei Jahren leiden die Menschen in Österreich unter besonders hohen Preisen. Wären Lohnerhöhungen aktuell nicht wichtiger als kürzere Arbeitszeiten?
Veit Hailperin: Als Organisationsentwickler kann ich sagen: Die 4-Tage-Woche ist momentan ein Thema einzelner Unternehmen und Organisationen.
Die Motivation dahinter ist recht breit gefächert. Um nur ein paar zu nennen: Arbeitgeberattraktivität steigern, Fehltage und Leiden senken oder den Katalysatoreffekt der Verkürzung nutzen, um die Arbeit umzugestalten und produktiver zu werden.
Die andere Thematik scheint mir keine Problematik einzelner Unternehmen zu sein. Fragen von Teuerung und Inflation sind keine Frage des Arbeitsmodells.
Kontrast: Welche Ergebnisse erwarten Sie sich von dem Pilotprojekt in Österreich?
Veit Hailperin: Ich persönlich erwarte sehr ähnliche Ergebnisse wie in anderen Ländern – nämlich Verbesserungen im Bereich der Gesundheit, bei Fehltagen und bei der Produktivität.
Andere Effekte bei 4-Tage-Woche ohne kürzere Arbeitszeiten
Kontrast: Was sagen Sie zur 4-Tage-Woche ohne Arbeitszeitverkürzung (Verdichtung)?
Veit Hailperin: Der Begriff 4-Tage-Woche stammt ursprünglich aus dem Englischen (4-day-week) und wurde durch Studien geprägt, bei denen die Arbeitszeit verkürzt wurde und der Lohn erhalten blieb. Da im Alltagsgebrauch sowohl Arbeitszeitkomprimierung, Teilzeit oder eine Arbeitszeitverkürzung bei Lohnausgleich gemeint sein kann und sich die jeweiligen Effekte aber unterscheiden, ist es wichtig zu sagen, wovon gesprochen wird.
In der Studie untersuchen wir substantielle Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich (und potentieller Teilkomprimierung, also Arbeitstage über 8 Stunden hinaus). Das gilt genauso für verkürzte Tagesarbeitszeit, die auf fünf Tage verteilt sind, ebenso wie für eine Verkürzung der Anzahl Schichten oder der Schichtlänge.
Es geht bei uns also nicht um Teilzeit (kürzere Arbeitszeit mit weniger Lohn) und nicht um eine komprimierte Arbeitswoche (unveränderte Arbeitszeit auf 4 Tage verdichtet). Zur komprimierten Arbeitswoche gibt es aktuelle Forschung der TU Wien und Webster Vienna Private University.

Die laufende Studie zur 4-Tage-Woche in österreichischen Unternehmen ist eine Initiative von Forschenden der TU Wien, der Webster Vienna Private University und der Züricher Organisationsberatung Hailperin. Letztere unterstützt Organisationen und Unternehmen, die Arbeitsumgebung gesundheitsförderlicher zu gestalten. Dazu zählen auch kürzere Arbeitszeiten, wie etwa im Rahmen des Schweizer Pilot-Projekts zur 4-Tage-Woche. Kooperationspartner ist auch die NGO 4 Day Week Global, die bereits über 500 Unternehmen in mehreren Ländern bei der Umstellung begleitet hat.
Wie läuft der Test ab? Er ist offen für alle Betriebe – jeder Größe und Branche, NGOs und öffentliche Stellen. In der Vorbereitungsphase werden im Rahmen von Workshops passende Modelle und eine Kommunikationsstrategie entwickelt, mögliche Stolpersteine diskutiert sowie Erfolgskennzahlen festgelegt. Danach folgt die sechsmonatige Pilotphase mit wissenschaftlicher Begleitung, Mentoring und Zugang zu einem Netzwerk von Unternehmen, die ebenfalls die 4-Tage-Woche testen.
Für interessierte Unternehmen in Österreich steht ein Online-Termin zur Verfügung, in dem unverbindlich über Teilnahme, Anforderungen und Ablauf informiert wird. Mehr zum 4-Tage-Woche Test in Österreich gibt es hier.
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