Ungezügelte Globalisierung hat neben ihren positiven Effekten dazu beigetragen, fremdenfeindlichen Protektionismus wieder salonfähig zu machen und das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Regierungen zu untergraben. Handel und Auslagerungen haben in den Herkunftsländern zu Lohndruck und Arbeitslosigkeit geführt, aber die Gewinne gesichert. Die ungleichere Einkommensverteilung schürt Zukunftsängste und treibt PopulistInnen UnterstützerInnen zu. Globalisierung muss auf globaler wie nationaler Ebene reguliert werden, damit sie zu einem Instrument der Verbesserung der Lebensumstände für möglichst viele Menschen wird. Dabei sind soziale, ökologische und ökonomische Ziele mit gleicher Intensität zu verfolgen.
Kurt Bayer ist Ökonom. Er arbeitete unter anderem für die Weltbank und das WIFO. Der Artikel erschien zuerst im Magazin Wirtschaft und Gesellschaft und kann auf seinem Blog gelesen werden in der Langfassung gelesen werden.
1. Globalisierung verändert sich durch neue Technologien
(…) Wir befinden uns gerade in der zweiten Welle der Globalisierung. Sie begann etwa Mitte der 80er Jahre und dauert bis heute an. Sie macht durch die extreme Verbilligung von Transportkosten, gepaart mit den modernen Kommunikationsmitteln die grenzüberschreitende Zerlegung von Produktionsprozessen möglich. Damit werden globale Wertschöpfungsketten aufgebaut, wobei die einzelnen Produktionsschritte je nach Arbeitskosten, Energie- und anderen Kosten, verfügbaren Arbeitskräften und Know-how in den jeweils „optimalen“ Standort verlegt werden.
Baldwin (2016) argumentiert, dass diese „neue Globalisierung“ oder „Hyper-Globalisierung“ weniger durch den Handel von Produkten als durch grenzüberschreitende Ströme von Wissen charakterisiert ist. Dies bedeutet, dass der “neuen Globalisierung” eine andere Produktionsweise zugrunde liegt als der “alten”. (…)
Sie ist vor allem durch die intensive Zerlegung des Produktionsprozesses gekennzeichnet, die erst durch die modernen Informations- und Kommunikationstechniken (IKT) ermöglicht wird. (…)
Diese neue Stufe der Globalisierung2 hat daher gravierende Auswirkungen darauf, wer in den Industrieländern die Früchte dieser vermehrten Arbeitsteilung erhält. In der ersten Globalisierungswelle stärkte der zunehmende Handel die Verhandlungsmacht der Arbeiterschaft und ermöglichte den Arbeitnehmern, mithilfe gestärkter Gewerkschaften zu höheren Einkommen und besseren Arbeitsbedingungen zu kommen, da das gesamte Know-how an Ort und Stelle, vielfach in den Köpfen und Händen der Arbeiterschaft gespeichert war. Damit konnten sie “ihren” Anteil an den Produktivitätsgewinnen ergattern. Die Lohnquoten in den reichen OECD-Ländern3 stiegen an.
In der heutigen, seit dreißig Jahren dominierenden Stufe der Globalisierung konkurrieren die Industriearbeiter der reichen Länder nicht mehr mit dem Arbeiter z. B. in Mexiko,4 sondern mit der “einzigartigen Kombination amerikanischen Know-hows und mexikanischer Löhne” (Baldwin zitiert nach Wolf [2016]). Die Verhandlungsmacht des Industriearbeiters in den OECD-Ländern steht damit auf sehr schwachen Beinen, noch dazu, wo durch die Liberalisierungen der letzten Jahrzehnte der gewerkschaftliche Organisationsgrad in allen Industrieländern massiv gesunken ist. In allen entwickelten OECD-Ländern sinkt die Lohnquote, die Arbeitseinkommen stagnieren, Einkommen jener, die vermarktbares Wissen besitzen, also vor allem der Unternehmen, zu einem geringeren Teil aber auch der hoch qualifizierten Arbeitskräfte, steigen massiv an. (…)
2. Neue Globalisierung befördert den Aufstieg der Neuen Rechten
(…)Die Globalisierung der letzten Jahrzehnte, eingeleitet mit der Entfesselung der Finanzmärkte durch den “Big Bang” 1986, die Liberalisierungskampagne der OECD 1989 und die Dominanz des neoliberalen Dogmas, welches den Marktkräften magische Fähigkeiten für alles Positive zuschreibt, hat zu großen Effizienzsteigerungen, aber auch zur massiven Zunahme der Ungleichheit in den meisten Ländern der Welt geführt.6 Die Verschärfung des Wettbewerbsdrucks für Unternehmen, die nunmehr weltweiter Konkurrenz unterliegen, führt in den OECDLändern7 nicht nur zu Arbeitslosigkeit und Druck auf die Einkommen, sondern auch zum Ende der “lebenslangen Stelle in derselben Firma”, zu verstärkter Prekarisierung der Arbeitswelt, zur Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes, zur Abnahme der Zufriedenheit und ganz allgemein zu Zukunftsängsten für einen selbst und seine Nachkommen. Da Globalisierung als von außen kommende “Urkraft” dargestellt und gesehen wird, gegen die anzukämpfen die Politik machtlos sei, hat sie zum Vertrauensverlust der Bevölkerungen in ihre Regierungen und den politischen Prozess allgemein geführt und den Aufstieg von xenophobischen und protektionistischen Kräften befördert.8
Deren Führungsfiguren kritisieren die “Globalisierung” und bieten als einfache Lösung die Rückkehr zum Nationalstaat an.9 Stark vereinfacht kann man sagen, dass Globalisierung in den letztgenannten Bereichen (Kriminalität, Seuchen, Terrorismus, Umwelt) eindeutig ausschließlich negative Auswirkungen hat, in einer ganzen Reihe anderer Bereiche (Warenaustausch, Direktinvestitionen, Kapitalströme, Reisefreiheit, Arbeitsmigration) sowohl Gewinner als auch Verlierer kennt: Wie die Gesamtbilanz ausfällt, hängt von der Ausgestaltung der Globalisierung und den Machtverhältnissen der einzelnen Akteure ab.
Die Sorgen und Ängste der BürgerInnen beruhen auf fundierten Wahrnehmungen und Tatsachen (ungleiche Einkommensverteilung, Dequalifizierung, Arbeitsplatzverlust), aber immer mehr auch auf sich rapide verbreitenden Angstgefühlen, die von populistischen Kräften vereinnahmt und verstärkt werden. Mit vermeintlich einfachen Lösungen (die oft keine sind, sondern bestenfalls ein Zurück zu “guten, alten Zuständen” suggerieren) gaukeln sie den WählerInnen vor, dass, wenn sie an der Macht wären, alles besser, überschaubarer und einfacher wäre. (…)
3. Der offizielle Außenhandelsdiskurs kennt fast nur Gewinner
Die ökonomische Standardtheorie ist im späten 18. Jahrhunderts als Gegenbewegung auf die Abschottung der nationalen Märkte im Merkantilismus entstanden. Dieser zielte auf die Erreichung von Außenhandelsüberschüssen ab. Die klassische Theorie postulierte, dass im einfachsten Modell von Außenhandel beide handeltreibenden Länder profitieren, da jedes Land sich auf die ihm eigenen (relativen) Vorteile (entweder durch Bodenschätze, Klima oder Fertigung von Gütern verursacht), spezialisieren und damit Effizienz- und Kostenvorteile lukrieren könne. Die Konsumenten könnten billiger einkaufen, die Unternehmen mehr Gewinn machen. Die Standardtheorie äußert sich jedoch kaum dazu, wer genau innerhalb der handeltreibenden Länder diese Effizienzgewinne lukriert (da sie von Länderdurchschnitten ausgeht), ob der wohlfahrtssteigernde Befund auch für den Handel zwischen sehr großen und sehr kleinen Ländern gilt, und was passiert, wenn die Ausgangsbedingungen der handeltreibenden Länder sehr unterschiedlich sind. Im Laufe des 19. bis 21. Jahrhunderts wurden die Grundaussagen dieser Theorie zum “Freihandelsdogma” erhoben.
(…)Empirisch ist belegt, dass zwischen 1960 und 2011 das durchschnittliche Handelswachstum, gemessen am Wachstum der globalen Importe, im Ausmaß von durchschnittlich 7% pro Jahr das relativ rasche Wachstum des Nationalprodukts, und damit der Einkommen im Ausmaß von jährlich 4% ermöglicht hat.13 Seither ist allerdings eine bisher nicht erschöpfend erklärte Verlangsamung von Importwachstum (2011-2016: 4% p. a.) und Wachstum des Bruttonationalprodukts (2,5%) eingetreten. Plötzlich wird die Kausalitätsfrage neu gestellt: Treibt der Handel das Wirtschaftswachstum, oder ist es umgekehrt, dass die Handelsaktivitäten primär durch das Wirtschaftswachstum determiniert werden?14 In seiner Analyse der Situation im Herbst 2016 tendiert der Internationale Währungsfonds zur zweiten Option. (…)
4. Vom interindustriellen zum intraindustriellen Handel
In den 250 Jahren seit der Formalisierung der ursprünglichen Handelstheorie durch Adam Smith und David Ricardo haben sich die Produktionsverhältnisse, die Geopolitik und damit die Voraussetzungen für Handel grundlegend geändert. Ging es im 18. Jahrhundert um den Austausch von einzelnen Gütern zwischen zwei Ländern (das Lehrbuchbeispiel ist der Handel zwischen Portugal und England von Wein und Textilien), werden heute fast zwei Drittel des Welthandels innerhalb von Wertschöpfungsketten abgewickelt, wobei diese oft zu einem einzelnen (multinationalen) Unternehmen gehören: Grundstoffe werden über die Grenze zu Primärverarbeitern exportiert, diese schicken sie an weitere Verarbeitungsstufen in andere Länder, um letztlich dann woanders zum Endprodukt zusammengebaut und von wieder woanders versandt zu werden. Dabei verbleibt die Kontrolle über den Produktionsprozess, die angewandte Technologie – und natürlich auch die Preissetzung – bei der Konzernzentrale. Die für diese Art der Produktionsorganisation nötigen offenen Grenzen bieten aber diesem “intraindustriellen” Handel sehr viel Raum zur Verschleierung und Transferierung von Gewinnen (“Verrechnungspreise”). Die nationalen Steuergesetze waren bisher nicht in der Lage, sich an diesen “neuen”15 Bedingungen anzupassen und die dadurch mögliche Steuervermeidung großer multinationaler Konzerne einzudämmen.16 Daher gelingt es großen Unternehmen (und reichen Einzelpersonen), Steuerarbitrage zwischen Jurisdiktionen zu betreiben17 und damit ihre Steuerzahlungen insgesamt zu minimieren. Den EU-Mitgliedsländern entgehen dadurch nach Schätzungen der EU-Kommission (2016) zwischen 160 und 190 Mrd. pro Jahr.18 Auch diese Situation trägt zur Empörung der Bevölkerung über die Auswüchse der Globalisierung bei.
5. Der Geburtsfehler der Handelsabkommen
Die “Erbsünde” der Handelsregeln der Welthandelsorganisation (WTO), aber auch vieler regionaler Abkommen ist, dass sie Außenhandel grundsätzlich als von anderen Bereichen unabhängigen Sektor betrachten. Da sie Handel als prinzipiell wohlstandssteigernd ansehen, wird der weiteren Ausdehnung des Handels Priorität eingeräumt. Zölle und Kontingente sollen abgebaut und “nichttarifäre” Handelshemmnisse abgeschafft werden. Ziel ist allein die Steigerung des Handels, der dann auch die Gesamtwohlfahrt steigern soll. Andere wirtschaftspolitische Ziele, wie hoher Beschäftigungsgrad, gute Arbeitsbedingungen, hohe Gesundheits- und Umweltstandards werden nicht in solchen Abkommen behandelt, sondern je eigenen Institutionen, wie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) oder der Umweltbehörde UNEP “überlassen”.
Die neuesten Abkommen wie TTP, TTIP, CETA gehen aber deutlich weiter. Der Handelsökonom J. Baghwati hat sie als “trade-unrelated agreements”, bezeichnet, also als Abkommen, die mit Handel nichts zu tun haben.19 Sie sind primär auf die Angleichung von Standards und Normen gerichtet, also wiederum auf Kostensenkungen durch Deregulierung, die jedoch weit über die durch Zölle, Kontingente und andere Effekte verursachten Handelshemmnisse hinausgehen und tief in die kulturellen und historisch gewachsenen Unterschiede zwischen den handeltreibenden Ländern/Regionen eingreifen, mit dem Ziel, diese grenzüberschreitend einzuebnen. (…)
Mit dieser Separierung und Fragmentierung der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen wird genau die Ablehnung der Globalisierung, also auch des Handels, durch die Bevölkerungen gefördert, da die Menschen ihre unmittelbaren Interessen, nämlich ein “gutes Leben” und wichtige kulturelle und soziale Eigenheiten, durch weitere Globalisierung bedroht sehen.20 (…)Handelsinteressen haben damit (fast) immer Vorrang vor anderen Interessen. Da in den Verhandlungen zu Handelsverträgen auf beiden Seiten primär Lobbies der handeltreibenden Unternehmen mitspielen, kommen die Interessen anderer Gruppen, vor allem von Konsumenten und Bürgern, zu kurz.21
6. Gewinner und Verlierer
Es ist unbestritten, dass der grenzüberschreitende Austausch von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital historisch ein Riesenfortschritt ist und viel Zuwachs von Wohlstand ermöglicht hat. Nach Analysen der Weltbank hat die Eingliederung Chinas in den Welthandel etwa 700 Mio. ChinesInnen aus extremer Armut befreit.22 Ähnliches gilt auch für andere Schwellenländer, hat aber dort auch vielfach ausbeuterische vor industrielle Arbeitsbedingungen geschaffen. Die Auslagerung ganzer arbeitsintensiver Industriezweige in “Billiglohnländer” hat in den Zielländern für einige Gruppen rasche Einkommenszuwächse ermöglicht, in den Herkunftsländern ist allerdings seit der “neuen Globalisierung” die Arbeitslosigkeit gestiegen/und oder haben die Löhne stagniert. (…) Die Öffnung der Märkte vieler Entwicklungsländer hat in den Industrieländern zwar hochwertige Arbeitsplätze gesichert, aber die Arbeitslosigkeit der weniger Qualifizierten erhöht. (…)
7. Wie viel Globalisierung ist gut, wie viel Protektionismus schlecht?
(…) Wir wissen aus dem verheerenden Beispiel der 1930er-Jahre, dass der damals grassierende Protektionismus und der Versuch jedes Landes, möglichst wenig Importe zuzulassen (“Autarkiebestreben”) und möglichst viel selbst zu exportieren, die Weltwirtschaftskrise massiv verschärfte, Massenarbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit erzeugte und ein wichtiger Auslöser für das Erstarken des Faschismus und den Zweiten Weltkrieg war.
Daher muss es heute die Aufgabe sein, die Globalisierung und die Handelsbeziehungen so zu gestalten, dass sie nicht blind als Dogma verfolgt werden, sondern dass ihre Vorteile möglichst vielen Menschen auf allen Seiten des Handels, der Freizügigkeit und der Investitionen zugutekommen,25 dass sie die Umweltsituation verbessern, vor allem den Klimawandel bremsen und die sozialen Verwerfungen, die mit der ungleichen Verteilung der Früchte der Globalisierung verbunden sind, verhindern.
Dies impliziert, dass Globalisierung politisch durch die öffentlichen Hände gesteuert werden muss, sowohl einzelstaatlich, viel mehr aber noch weltweit.
Als Erstes muss die enge Fokussierung auf Förderung des Handels und des freien Kapitalverkehrs aufgebrochen werden. Dies bedeutet, dass in Handelsverträgen Liberalisierungsschritte, welche die grundlegenden öffentlichen Güter (“Daseinsvorsorge”) einzelner Länder und Regionen betreffen, nicht nur nicht gefordert, sondern verboten werden. Die politischen Präferenzen, Umwelt- und Sozialstandards einzelner handel- und investitionstreibender Länder bzw. deren Bevölkerungen müssen akzeptiert werden,26 anstatt mit forciertem Druck eingeebnet zu werden. (…)
Es bedarf daher auch des Drucks großer Teile der Zivilgesellschaft, einerseits Druck auf “Kostenwahrheit” der Transport- und Umweltkosten des Handels auszuüben, die Regierungen dazu zu bringen, Unternehmungen zur Offenlegung über die Lukrierung der Gewinne der Globalisierung je Land zu bringen, Steuervermeidung und “aggressive Steuerplanung” zu verhindern, adäquate Steuerleistungen von allen am Wirtschaftsprozess Beteiligten einzufordern, und viele der “Freihandel” propagierenden Dogmatiken in ihren Auswirkungen offenzulegen und darauf globale und heimische Politikvorschläge aufzubauen. (…)
8. Österreichs Rolle in der Globalisierung
Österreich als kleine offene Volkswirtschaft mit überwiegend “mittlerem” Technologieniveau,29 ist überwiegend “Nehmer” innerhalb der globalen Wertschöpfungsketten, d. h. Zulieferer von Komponenten für die europäische Automobil-, Maschinen- und Elektronikindustrie. Es kann aufgrund seiner Kleinheit auch nicht – im Gegensatz zu großen Ländern – protektionistische Maßnahmen ergreifen, da sein eigener Binnenmarkt viel zu klein ist. Solche Maßnahmen sind vor allem im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik, der F&E- und Innovationspolitik, der Bildungspolitik, der Steuerpolitik sowie der allgemeinen Sozialpolitik angesiedelt.
9. Globalisierung und Handel im Weltmaßstab
Die meisten Diskussionen um Globalisierung und Handelsverträge in den reichen Industrieländern drehen sich um Verbesserung der je eigenen Situation gegenüber dem Handelspartner bzw. dem “Rest der Welt”. Dann dienen die zu treffenden Politikmaßnahmen dazu, die Vorteile weiterer Liberalisierung auf alle relevanten Gruppen “gerecht” zu verteilen. Nur wenige Diskussionen drehen sich um die Wohlstandsverbesserung der gesamten Welt durch Handel, vor allem um die Verbesserung der Situation der ärmeren und der ärmsten Länder. Berücksichtigt man diese, mag es gerecht erscheinen, dass nach jahrhundertelanger Ausbeutung von Arbeitskraft und Bodenschätzen nunmehr Mittelschichten der Schwellenländer auf Kosten der Arbeitnehmerschaft der Industrieländer und auf Kosten der Umwelt profitieren. Realpolitisch gesehen, greift diese Argumentation jedoch anlässlich des manifesten Vertrauensverlustes und Zorns breiter Teile der Arbeitnehmer in den Industrieländern nicht. Diese wichtigen Teile der Gesellschaften in den Industrieländern sind nur zu versöhnen, wenn sie einen wirklichen Paradigmenwechsel hin zu einer Wirtschafts und Handelspolitik sehen, die auch ihnen einen gerechten Teil der Früchte des Handels zukommen lässt. (…)
10. Schritte zu einer “guten Globalisierung”
Globalisierung ist nicht aufzuhalten. Die spezifischen Formen der Globalisierung sind durch die jeweilige Kostensituation dreier Bereiche31 charakterisiert: durch Transportkosten von Waren (wurden durch Eisenbahn, Flugzeug, LKW massiv gesenkt); durch Kosten für die Übertragung von Ideen (werden durch IKT-Entwicklungen massiv gesenkt); durch Kosten für die Auslagerung von Personen (diese sind noch immer hoch und halten die “Wissensarbeiter”, aber auch die Monteure zur Installierung neuer Anlagen in Auslagerungsländern weitgehend im Lande der Konzernzentrale fest). Diese letzte Kategorie wird dann zu einer weiteren Stufe der Globalisierung führen, wenn Roboter in der Lage sind, über künstliche Intelligenz alle Leistungen, die derzeit noch die Anwesenheit von Wissensarbeitern außer ihrer Heimat vor Ort erfordern, zu erbringen. Die derzeitige Phase der “neuen” Globalisierung ist durch die Ermöglichung von Wissensströmen durch IKT-Entwicklungen beschrieben.
Wenn Politik das Weiterschreiten von Globalisierung (außer durch eine radikale Umwälzung der marktwirtschaftlichen Systems) nicht verhindern kann, so kann sie doch Globalisierung zu einem viel größeren Grad als heute üblich steuern. Globalisierung als Faktum der Wirtschaftsentwicklung muss dem Wohl aller Menschen dienen,32 statt Bedingungen für eine “marktgerechte Demokratie” (Angela Merkel) zu schaffen. (…)
Weiterlesen: Konkrete nationale und internationale Maßnehmen auf dem Blog von Kurt Bayer.
11. Zusammenfassung
Ungezügelte Globalisierung hat neben den positiven Effekten des Handels dazu beigetragen, fremdenfeindlichen Protektionismus wieder salonfähig zu machen und das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Regierungen zu untergraben. Handel und Auslagerungen haben in den Herkunftsländern zu Lohndruck und Arbeitslosigkeit geführt, aber die Gewinne gesichert. Die verschlechterte Einkommensverteilung schürt Zukunftsängste und treibt den Populisten Unterstützer zu. Globalisierung muss auf globaler wie nationaler Ebene reguliert werden, damit sie zu einem Instrument der Verbesserung der Lebensumstände für möglichst viele Menschen wird. Dabei sind soziale, ökologische und ökonomische Ziele mit gleicher Intensität zu verfolgen:
- Herstellung der Gleichwertigkeit von sozialen, ökonomischen und Umweltzielen in einer integrierten Außenwirtschafts-(Öffnungs-)politik;
- Verteilung der Handelsgewinne auf von Auslagerungen Betroffene sowie auf höhere Löhne in den Zielländern;
- effektiverer Kampf gegen Steuervermeidung und Gewinnverschiebungen;
- Akzeptanz von Unterschieden bei Standards als Ausdruck politischer Präferenz und kultureller Identität, statt Klassifizierung als Handelshemmnis; Beendigung von Versuchen zur Gleichschaltung;
- auf internationaler Ebene Partizipation weniger entwickelter Länder an den Globalisierungsgewinnen durch z. B. Fondslösungen und ungehinderten Zugang zu Know-how.
Kurt Bayer: Ökonom. War u.a. Board Director der Weltbank in Washington, und der EBRD Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London; Gruppenleiter im Finanzministerium, Emeritus Consultant am WIFO
Dosenbier SAUFEN!!!!
IHR SEID ALLE LOSTE *****kinder