Klimawandel

Wir müssen Druck auf die Mächtigen ausüben, denn wir haben keine Zeit mehr!

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hielt am 11. Dezember bei der Klimakonferenz in Madrid eine Rede. Darin rechnet sie mit der Untätigkeit der Regierungen ab und kritisiert die Macht der großen Konzerne. Sie schöpft aber auch Hoffnung und meint: Wir, die Bevölkerung, müssen Druck auf die Mächtigen ausüben – und das schnell. Denn wir haben einfach keine Zeit mehr, die Wissenschaft zu ignorieren. Wir haben die gesamte Rede auf Deutsch.

„Vor anderthalb Jahren habe ich mit niemandem gesprochen, es sei denn, ich musste es wirklich tun. Doch dann fand ich einen Grund zu sprechen. Seitdem habe ich viele Reden gehalten und gelernt, dass man, wenn man in der Öffentlichkeit spricht, mit etwas Persönlichem oder Emotionalen beginnt, um die Aufmerksamkeit aller zu erregen. Du musst so etwas sagen wie: Unser Haus brennt! Ich will, dass ihr in Panik geratet! Oder: Wie könnt ihr es wagen?

Wir haben keine Zeit mehr, die Wissenschaft zu ignorieren!

Aber heute werde ich das nicht tun, denn dann sind diese Sätze alles, worauf sich die Menschen konzentrieren. Sie erinnern sich nicht an die Fakten, oder den eigentlichen Grund, warum ich diese Dinge überhaupt sage:

Wir haben keine Zeit mehr, die Wissenschaft zu ignorieren!

Seit etwa einem Jahr spreche ich ständig über unsere schnell sinkenden CO2-Budgets, immer und immer wieder. Aber da das immer noch ignoriert wird, werde ich es einfach immer wieder wiederholen.

In Kapitel zwei auf Seite 108 des im vergangenen Jahr erschienenen IPCC-Berichts SR 1.5 (Klimarat-Bericht, Anm.) steht, dass wir, wenn wir eine Chance von 6% bis 7% haben wollen, den globalen Temperaturanstieg auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, am 1. Januar 2018 420 Gigatonnen CO2 zur Verfügung hatten. Und natürlich ist diese Zahl heute viel geringer, da wir jedes Jahr etwa 42 Gigatonnen CO2 ausstoßen, einschließlich der Landabnutzung.

Wir haben nur noch 8 Jahre Zeit

Bei den heutigen Emissionswerten wird dieses verbleibende Budget innerhalb von etwa acht Jahren aufgebraucht sein. Diese Zahlen sind nicht die Meinungen oder politischen Ansichten von irgendjemandem. Dies ist die aktuell beste verfügbare Wissenschaft; obwohl viele Wissenschaftler diese Zahlen noch für zu moderat halten. Das sind diejenigen Zahlen, die durch den Klimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC) akzeptiert wurden. Bitte beachtet, dass diese Zahlen global sind und daher nichts über den Aspekt der Gerechtigkeit aussagen, der absolut notwendig ist, damit das Pariser Abkommen weltweit funktioniert.

Das bedeutet, dass reichere Länder ihren gerechten Teil dazu beitragen müssen, viel schneller zu echten Null-Emissionen zu kommen, und dann ärmeren Ländern helfen, dasselbe zu tun, damit Menschen in weniger glücklichen Teilen der Welt ihren Lebensstandard erhöhen können. Diese Zahlen beinhalten ebenso nicht: viele Rückkopplungsschleifen, nichtlineare Kipppunkte oder zusätzliche Erwärmung, die durch toxische Luftverschmutzung verdeckt sind.

Bei der Klimakonferenz nennt Greta Thunberg die Klimasünder beim Namen

Schon bei 1 Grad mehr sterben Menschen

Die meisten Modelle gehen jedoch davon aus, dass zukünftige Generationen mit Technologien, die es nicht in dem erforderlichen Umfang gibt – und vielleicht auch nie geben wird – irgendwie hunderte Milliarden Tonnen CO2 aus der Luft saugen können.

Das Szenario mit der Erfolgschance von ca. 6% bis 7% ist dasjenige mit den besten Quoten, die der Klimarat angibt. Und mittlerweile haben wir weniger als 340 Gigatonnen CO2 übrig, die es gerecht zu verteilen gilt.

Warum ist es also so wichtig, unter 1,5 Grad Erwärmung zu bleiben? Weil schon bei 1 Grad Menschen an der Klimakrise sterben werden.

Das ist der Grenzwert, den die United Science fordert, um eine Destabilisierung des Klimas zu vermeiden; damit wir die bestmögliche Chance haben, irreversible Kettenreaktionen wie schmelzende Gletscher, Polareis und tauenden arktisches Permafrost zu verhindern. Jeder Bruchteil eines Grades ist wichtig. Das ist meine Botschaft. Darauf sollten Sie sich meiner Meinung nach konzentrieren.

Wo bleibt die Panik? Wo bleibt die Wut?

Also bitte sagen Sie mir: Wie reagieren Sie auf diese Zahlen, ohne zumindest eine gewisse Panik zu verspüren? Wie reagieren Sie auf die Tatsache, dass im Grunde genommen nichts dagegen unternommen wird, ohne auch nur ein wenig Wut zu verspüren? Und wie kommuniziert man das, ohne alarmierend zu klingen? Ich würde es wirklich gerne wissen.

Seit dem Pariser Klimaabkommen haben globale Banken 1,9 Billionen US-Dollar in fossile Brennstoffe investiert. 100 Unternehmen sind für 71 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Die G20-Länder stoßen fast 80 Prozent der Gesamtemissionen aus. Die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung produzieren die Hälfte unserer CO2-Emissionen, während die ärmsten 50 Prozent nur ein Zehntel verursachen. Wir haben in der Tat einige Aufgaben zu erledigen, aber einige von uns mehr als andere.

Vor kurzem hat sich eine Handvoll reicher Länder verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis zu diesem oder jenem Zeitpunkt um so oder so viele Prozent zu reduzieren, oder in so vielen Jahren klimaneutral zu werden. Das mag auf den ersten Blick beeindruckend klingen, aber auch wenn diese Absichten gut sein mögen, übernehmen die Staaten damit noch lange keine Führung. Das ist nicht führend. Dies ist irreführend, da die meisten dieser Zusagen nicht die Luftfahrt, die Schifffahrt oder die Ein- und Ausfuhr von Waren umfassen. Sie beinhalten jedoch die Möglichkeit der Länder, ihre Emissionen an anderer Stelle auszugleichen.

Bei Klimakonferenz Rede kritisiert Greta Thunberg Staatschefs

In Wirklichkeit findet nichts statt – außer kreativer PR

Diese Zusagen beinhalten nicht jene sofortigen jährlichen Reduktionsraten, die für wohlhabende Länder erforderlich sind, um das verbleibende winzige CO2-Budgets einzuhalten. Eine Null im Jahr 2050 bedeutet nichts, wenn die hohen Emissionen auch noch für einige Jahre anhalten – denn dann ist das restliche Budget weg.

Ohne das Gesamtbild zu sehen, werden wir diese Krise nicht lösen. Die Suche nach ganzheitlichen Lösungen ist das, worum es gehen sollte; aber stattdessen scheint sich eine Art Gelegenheit für die Länder entwickelt zu haben, Schlupflöcher zu verhandeln und zu vermeiden, ihre Ambitionen zu erhöhen.

Die Länder finden clevere Wege, um keine echten Maßnahmen ergreifen zu müssen. Dazu gehören Dinge wie die Doppelzählung von Emissionsminderungen; die Verlagerung ihrer Emissionen nach Übersee; ein Rückzieher bei ihren Versprechen, die Ambitionen zu erhöhen; die Weigerung, bei Lösungsfindung oder Schadensbegrenzung zu bezahlen. Das muss aufhören. Was wir brauchen, sind echte drastische Emissionssenkungen an der Quelle. Aber natürlich reicht es nicht aus, nur die Emissionen zu reduzieren. Unsere Treibhausgasemissionen müssen schlicht aufhören, um unter 1,5 Grad zu bleiben.

Wir müssen den Kohlenstoff am Boden halten. Nur die Festlegung weit entfernter Termine und die Aussage, dass Dinge, die den Anschein eines Handels erwecken, im Gange sind, werden höchstwahrscheinlich mehr schaden als nützen, denn die notwendigen Änderungen sind noch nirgendwo vor Ort zu sehen. Eine notwendige Politik existiert heute nicht – trotz allem, was man von den Führern der Welt zu hören bekommt. Und ich glaube immer noch, dass die größte Gefahr nicht die Untätigkeit ist. Die reale Gefahr besteht darin, dass Politiker und CEOs es so aussehen lassen, als würde echtes Handeln stattfinden, während in Wirklichkeit fast nichts getan wird, außer cleverer Buchhaltung und kreativer PR.

Es braucht den Druck des Volkes

Ich hatte das Glück, die Welt bereisen zu können. Und meine Erfahrung ist, dass der Mangel an Bewusstsein überall gleich ist, nicht zuletzt bei denjenigen, die gewählt wurden, um uns zu führen. Es gibt überhaupt kein Gefühl der Dringlichkeit. Die Mächtigen verhalten sich nicht so, als wären wir in einer Notsituation. In einem Notfall änderst du dein Verhalten. Wenn ein Kind mitten auf der Straße steht und Autos mit voller Geschwindigkeit kommen, schaust du nicht weg, weil es zu unangenehm ist. Du rennst sofort hinaus und rettest das Kind. Wie sollen wir Menschen ohne dieses Gefühl der Dringlichkeit verstehen, dass wir uns in einer echten Krise befinden? Wenn die Menschen sich nicht voll darüber im Klaren sind, was vor sich geht, dann werden sie keinen Druck auf die Machthaber ausüben.

Ohne den Druck des Volkes werden die, die das Sagen haben, damit durchkommen, im Grunde genommen nichts zu tun, und das ist es, was gerade jetzt passiert. Und es hört nicht auf.

Die Hoffnung liegt bei uns Menschen – nicht bei den Regierungen und Konzernen

In nur drei Wochen werden wir in ein neues Jahrzehnt eintreten. Ein Jahrzehnt, das unsere Zukunft bestimmen wird. Im Moment suchen wir verzweifelt nach einem Zeichen der Hoffnung. Nun, ich sage es euch: Es gibt Hoffnung. Ich habe sie gesehen. Aber sie kommt nicht von den Regierungen oder Unternehmen. Sie kommt von den Menschen. Die Menschen, die es nicht bemerkt haben, aber jetzt anfangen aufzuwachen. Denn sobald wir uns dessen bewusst sind, was um uns herum passier, werden wir uns verändern. Menschen können sich ändern. Die Menschen sind bereit für Veränderungen. Und das ist die Hoffnung, denn es gibt Demokratie, und Demokratie geschieht ständig. Nicht nur am Wahltag, sondern jede Sekunde und jede Stunde. Es ist die öffentliche Meinung, die die freie Welt regiert.

Tatsächlich kam jede große Veränderung im Laufe der Geschichte vom Volk. Wir müssen nicht warten. Wir können mit der Änderung sofort beginnen. Wir sind das Volk. Danke.“

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rudolf
rudolf
18. Januar 2021 11:22

Und was ist mit unserem WASSER? Es darf nicht PRIVATISIERT werden!!
Wasser als Ware?Saturday, 16. January 2021 @ 09:04
Seit dem 7. Dezember 2020 wird an der Chicagoer Börse mit Wasser gehandelt ++ Der Gang von Wasser an die Börse ist das Ergebnis einer langen Reihe von Schritten, schreibt Riccardo Petrella in einem Artikel bei Pressenza, einer internationalen Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat.

Schon seit Jahrzehnten wird der Kampf um das Wasser geführt. In Bolivien löste die Privatisierung des Wassers und die anschließende Preiserhöhung in der Stadt Cochabamba im Jahr 2000 den „Wasserkrieg“ aus, der mit einem Sieg für die indigene Bevölkerung und der Rücknahme der Wasserprivatisierung endete (siehe der Film: „Und dann der Regen“). Im Juli 2010 haben die Vereinten Nationen den Zugang zu „sauberem Wasser“ in ihrer Resolution 64/292 zu einem Menschenrecht erklärt.

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