Kommentar

Von einer Vermögenssteuer könnten sogar Unternehmer:innen profitieren, sagt Ökonom Nikolaus Kowall

Foto: Unsplash/Jenny Ueberberg

Industrielle sind in der Regel vermögend, aber nicht jede:r Vermögende ist Unternehmer:in. Was heißt das dann für die Forderung nach Vermögenssteuern? Denn Gegner behaupten ja oft, die würden “den Unternehmern” schaden. Falsch, argumentiert Ökonom Nikolaus Kowall. Wenn nämlich die richtigen zahlen und man die Einnahmen sinnvoll re-investiert, profitieren Unternehmer:innen am Ende sogar.

Während der Pandemie hat sich der Staat gewaltig verschuldet, um Lockdowns zu stemmen, in denen ganze Wirtschaftssektoren stillstanden. Nun kommt auf die öffentlichen Haushalte wieder ein sehr teurer Winter zu, weil es darum geht die hohen Energiekosten für die Bevölkerung abzufedern. Mittlerweile steigen allerdings die Zinsen, weshalb es für den Staat zunehmend teurer wird sich zu verschulden. Deshalb muss man sich jetzt überlegen, wie die Belastungen in den kommenden zehn Jahren auf die Gesellschaft aufgeteilt werden sollen.

Das ist ein guter Anlass über Steuern nachzudenken, die sowieso längst überfällig sind, um für mehr Gerechtigkeit in unserem Steuersystem zu sorgen. Ein bekanntes Strukturproblem des österreichischen Steuersystems besteht darin, dass die Abgaben auf Arbeit zu hoch sind und auf Vermögen zu gering. Diese Auffassung teilen auch das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo und die OECD.

Kein Wunder, liegt Österreich doch bei den Abgaben auf Arbeit auf Platz 3 innerhalb der OECD, ist bei den vermögensbezogenen Steuern aber drittletzter im Kreise der Industriestaaten.

Das ist nicht nur ungerecht, sondern schlecht für die Volkswirtschaft.

Für Unternehmen ist relevant, wie hoch Arbeit besteuert wird – nicht Vermögen

Wie das Wifo aufzeigt, hat die Abgabenlast auf Arbeit einen negativen Effekt auf den Arbeitsmarkt. Die Abgabenlast auf Erbschaften oder Grund aber nicht.

Für das tägliche Wirtschaftsleben ist völlig egal, ob ein Millionenerbe steuerlich belastet wird – wie viel eine weitere Arbeitskraft kostet ist aber gerade für kleinere Betriebe relevant. Mehr Steuern auf Vermögen und weniger auf Arbeit ist also gerecht und volkwirtschaftlich effizient.

Am umstrittensten ist in diesem Zusammenhang die Vermögenssteuer, über die in Österreich seit zehn Jahren leidenschaftlich diskutiert wird.

Vermögensarten im Überblick

Das häufigste Argument gegen eine Vermögenssteuer lautet, dass sie Unternehmen in ihrer Substanz und damit der Volkswirtschaft schaden würde. Dazu ist wichtig zu wissen, dass es unterschiedliche Formen von Unternehmensbeteiligungen gibt.

Die Österreichische Nationalbank unterscheidet, vereinfach gesagt, zwischen Unternehmensvermögen und Aktienvermögen. Unternehmensvermögen (z.B. Anteile an der einer GmbH) liegt dann vor, wenn die Eigentümerin auch im Betrieb aktiv ist – also z.B. im Falle eines Familienunternehmens. Die Eigentümerin kann dann eine Maschine aus dem Maschinenpark verkaufen, weil ihr diese Maschine gehört. Darum ordnet die Nationalbank Unternehmensvermögen gemeinsam mit Schmuck, Goldmünzen oder Autos der Obergruppe der Sachvermögen zu. Also Dinge, die man angreifen kann.

Aktienvermögen liegt hingegen vor, wenn es für das Unternehmen eigentlich egal ist, ob gerade X oder Y Anteile in Form von Aktien besitzt. Nicht einmal ein Großaktionär hat direkten Einfluss darauf, ob das Unternehmen eine Maschine verkaufen kann. Deshalb rechnet die Nationalbank die Aktienvermögen gemeinsam mit Sparkonten oder Lebensversicherungen den Finanzvermögen zu. Also Dinge, die man nicht angreifen kann.

sind unternehmer reich

Grafik: Kontrast.at/K. Unterluggauer

In Österreich entfallen 14 % des Gesamtvermögens auf Finanzvermögen und rund 17 % auf Unternehmensvermögen. Beide sind wahrscheinlich unterschätzt, weil es wegen Stiftungskonstruktionen und Befragungsproblemen laut Nationalbank eine Untererfassung gibt. Der restliche große Brocken sind die Immobilienvermögen (Autos, Gold, Schmuck etc. spielen hingegen eine untergeordnete Rolle). Vom Gesamtvermögen entfallen 63% auf Immobilien – das sind private Gebäude, Grund und Boden sowie Wald.

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Grafik: Kontrast.at/K. Unterluggauer

Viel Finanz- und Immovermögen – ohne Unternehmens-Hintergrund

Natürlich besitzen nicht nur Reiche Immobilien. Immobilien sind „gleicher“ verteilt als Unternehmensanteile. Dennoch ist auffällig, dass es neben dem Unternehmensvermögen – selbst wenn es deutlich unterschätzt wird – noch große andere Vermögensbrocken gibt. Es gibt Unmengen Finanz- und Immobilienvermögen, das kein Unternehmensvermögen ist. Das führt uns zur Feststellung:

Unternehmer:innen und Reiche sind nicht das gleiche! Es scheint, dass beim Thema Vermögenssteuer in der öffentlichen Diskussion immer die Unternehmen vorgeschoben werden, um die Reichen zu schützen.

Definieren wir reich ab einem Nettovermögen (= Vermögen minus Schulden) von einer Mio. Euro. Definieren wir unternehmerische Tätigkeit sehr weit und rechnen wir Anwälte, ÄrztInnen mit eigener Ordination, Stars in Musik & Sport etc. dazu. Selbst bei dieser breiten Definition gibt es immer noch eine erhebliche Gruppe an Leuten, die sind reich, ohne unternehmerisch tätig zu sein.

Verdeutlichen wir uns z.B. den Umstand, dass alle Vorstandsmitglieder von großen Konzernen normale Angestellte sind. Sie verdienen Millionen, sind aber keine Unternehmer:innen. Sie besitzen überhaupt kein Unternehmensvermögen und haben kein unternehmerisches Risiko.

Auch Spitzenbanker:innen oder Spitalsärzt:innen in Leitungspositionen sind keine Unterenhmer:innen, aber dennoch vermögend. Das gleiche gilt für erfolgreiche Börse-Spekulant:innen und für Groß-Erben, die einen Durchschnittsjob haben bzw. gar nicht arbeiten. Alle diese Gruppen haben Immobilien, Aktien und Geld am Konto – also Privatvermögen, aber kein Unternehmensvermögen.

Teilgruppe Industrielle: Sie sind reich und Unternehmer:innen

Natürlich gibt es auch eine Gruppe, die unternehmerisch tätig und reich ist. Bei einem Vertreter der Industriellenvereinigung wird ein und die gleiche Person reich und unternehmerisch tätig sein. Doch selbst Industrielle haben neben ihrem Unternehmensvermögen, das z.B. in einer GmbH steckt, ein Privatvermögen. Egal ob Penthouse, Eigenjagd, Villa oder Anwesen – das ist privater Reichtum. Ebenso wie ihr gesamtes Finanzvermögen vom Girokonto bis zum Aktiendepot. Also haben Industrielle eine Doppelfunktion – sie sind Unternehmer:innen und Reiche.

Wie wirkt eine Vermögenssteuer auf die unterschiedlichen Vermögens-Gruppen?

Was würde nun eine höhere Besteuerung von Vermögen und eine geringe Besteuerung von Arbeit für die verschiedenen Vermögensgruppen bedeuten? Verdeutlichen wir das anhand eines Beispiels.

Nehmen wir an wir hätten in Österreich eine Vermögenssteuer ab einer Mio. Euro Nettovermögen (=Vermögen minus Schulden). Wir hätten einen normalen Steuersatz für Privatvermögen, worunter wir private Immobilien, Aktien und Geld verstehen.

Eine Vermögenssteuer hätte keinen Einfluss auf einen börsennotierten Konzern, weil dieser die Steuer nicht zahlen müsste sondern der/die Aktionär/in. Für das restliche Unternehmensvermögen hätten wir einen reduzierten Steuersatz, weil hier die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens unmittelbarer betroffen wäre.

Nehmen wir weiters an, die Vermögenssteuer würde jährlich drei Milliarden Euro ins Budget spülen. Die Einführung der Vermögenssteuer wäre Teil einer Strukturreform und im Gegenzug käme es zu einer Entlastung des Faktors Arbeit. Dafür gäbe es unterschiedliche Möglichkeiten der Ausgestaltung.

Eine Vermögenssteuer könnte Unternehmen sogar nützen

Wenn wir die Mehr-Einnahmen aus der oben skizzierten Vermögenssteuer nun umverteilen, um den Faktor Arbeit zu „entlasten“. Was würde dann passieren? Was, wenn wir die Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen um genau drei Milliarden Euro senken? Die „Entlastung“ würde 50:50 zwischen den Unternehmen und den Beschäftigten aufgeteilt.

Die Unternehmen erhielten so eine Entlastung von anderthalb Milliarden Euro, müssten aber bei weitem nicht die Hälfte der Vermögenssteuer zahlen. Das heißt unterm Strich, ein Industrieller hätte in seiner Funktion als „Reicher“ nicht nur den Arbeitnehmer:innen, sondern auch seinem eigenen Unternehmen die Abgabenentlastung finanziert. Und die Reichen, die nicht unternehmerisch tätig sind, also Top-Manager:innen, Groß-Erben & Spekulant:innen, hätten nur Steuer gezahlt und davon gar nicht profitiert.

In Wirklichkeit ist es also so, dass eine Besteuerung von Vermögen bei gleichzeitig geringerer Besteuerung von Arbeit zwar nicht den Reichen, aber den Unternehmen helfen würde. Das scheint nicht nur fair, sondern auch volkswirtschaftlich sinnvoll.

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