Globus - Welt. Foto: unsplash

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Wie arbeiten Nachrichtenagenturen? So kommen Nachrichten in Zeitung, Radio, Fernsehen

Wir wollen wissen, was um uns herum passiert, und warum. Was wir nicht selbst sehen können, das lassen wir uns gerne erzählen: Online, in der Zeitung, im Radio und im Fernsehen. Aber woher wissen die Journalistinnen und Journalisten, was am anderen Ende der Welt  passiert? Von Nachrichtenagenturen.

Redaktionen erhalten jeden Tag unzählige Berichte von Journalistinnen und Journalisten vor Ort, den so genannten Korrespondentinnen und Korrespondenten. Dazu kommen Pressemitteilungen (oder Presseaussendungen) von Parteien, Verbänden und Unternehmen, in denen sie ihre Sichtweise von Ereignissen, die sie für wichtig erachten, darstellen. Den größten Teil der Nachrichten liefern jedoch Nachrichtenagenturen. Sie sammeln, selektieren und verkaufen Informationen an die Medien. Der Weg vom Ereignis bis zur Meldung – einfach erklärt:

Wie wird aus einem Ereignis eine Nachricht?

Vom Ereignis bis zu seiner Meldung in der Zeitung ist es ein langer Weg, und dennoch geht alles ganz schnell. Was gerade in der Welt passiert, steht schon in ein paar Stunden in der Zeitung, flimmert ein paar Minuten später über den Fernsehbildschirm oder findet sich oft noch schneller auf Nachrichtenportalen im Netz. Das heißt: bei Nachrichtenagenturen und Medien muss es schnell gehen. Und wenn es schnell gehen muss, ist Copy-Paste im Spiel. So übernimmt die APA internationale Meldungen meist von großen Agenturen. Dabei kopiert und kürzt ein Redakteur oder eine Redakteurin die Meldung. Gegebenenfalls wird sie um Informationen einer anderen Agentur ergänzt.
Nun sind die Medien am Zug und genauso, wie die Agenturen, haben sie vor allem eines: keine Zeit. Denn wer die Nachricht als erstes veröffentlicht, hat Aussicht auf die meisten Leserinnen und Leser, Seherinnen und Seher. Deshalb übernehmen sie die Agentur-Meldung weitgehend.

Das Ergebnis dieser Praxis erleben wir täglich in den Medien: Vor allem internationale Nachrichten klingen in den meisten Zeitungen, auf Nachrichtenwebsites, in Fernseh- und Radiosendern sehr ähnlich.

Was sind Nachrichtenagenturen?

Nachrichtenagenturen liefern also einen Großteil der Inhalte, die wir dann als Nachrichten lesen, sehen oder hören. Sie sammeln auf der ganzen Welt Informationen, überprüfen und sortieren sie. Schließlich verkaufen sie diese Nachrichten dann an die Zeitungen, Websites, Fernsehsender, … die wir lesen oder anschauen. Nachrichtenagenturen berichten aktuell und schnell über Ereignisse und verteilen diese Informationen weltweit. Der ehemalige Geschäftsführer der größten österreichischen Nachrichtenagentur, der APA, Wolfgang Vyslozil bringt das auf den Punkt: „Nachrichtenagenturen sind Schlüsselinstitutionen mit substanzieller Bedeutung für jedes Mediensystem. Sie sind das unsichtbare Nervenzentrum, das alle Teile dieses Systems verbindet“

Gatekeeper: Türsteher der internationalen Nachrichten

Dadurch sind sie auch die Türsteher des Nachrichtensystems. Welche Nachrichten sie auswählen und welche Sichtweise sie auf die Ereignisse haben, bestimmt maßgeblich, wie wir sie erzählt bekommen. Nachrichtenagenturen sind also so genannte Gatekeeper. Wer diese Gatekeeper besitzt, hat großen Einfluss auf unsere Sicht der Welt.

Wem gehören die Nachrichtenagenturen?

Nachrichtenagenturen können unterschiedlich organisiert sein. Es gibt staatliche, private und öffentlich-rechtliche Agenturen. Von den weltweit rund 140 Nachrichtenagenturen sind nur 20 frei von staatlichem Einfluss. Dazu zählen die österreichische Austria Presse Agentur (APA), die Deutsche Presse Agentur (DPA), oder die französische Agence France-Presse (AFP). Sie gehören den Medien des Landes. Ähnlich die schweizerische Keystone-SDA: Sie ist eine Aktiengesellschaft im Besitz der eidgenössischen Medien und der APA. So ist es jedoch nicht immer: Die britische Agentur Thomson-Reuters zum Beispiel ist mittlerweile zu 55 Prozent im Besitz der kanadischen Familie Thomson. Viele andere sind zumindest teilweise im Besitz von Staaten. Einen Sonderfall stellt die AFP dar: Die französischen Ministerien sind ihr größter Kunde. Sie bedeuten für die Agentur 40% ihres Umsatzes.

Die österreichische Nachrichtenagentur APA

Die führende österreichische Nachrichtenagentur ist die APA, die Austria Presse Agentur. Sie ist eine Genossenschaft: Ihre Eigentümer sind 12 österreichische Tageszeitungen und der ORF. Als wichtigster Informationslieferant stellt die APA-Gruppe den Tageszeitungen, Radio und Fernsehen, aber auch Online-Diensten und Zeitschriften täglich Nachrichten zur Verfügung. Sie sind die Basis der täglichen Berichterstattung in Österreich – und zwar in fast allen heimischen Medien. Etwa 150 Redakteurinnen und Redakteure der APA produzieren täglich ca. 500 Meldungen aus den Ressorts Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Bildung, Medien und Sport.

Wie kommt die APA zu ihren Meldungen?

Dahinter steckt ein kompliziertes System des internationalen Informationsflusses. Zum einen kommen die Informationen aus Österreich selbst: Wenn etwas passiert, dann senden Parteien, Unternehmen, Ministerien, Organisationen, Verbände oder die Polizei Informationen aus. Diese Presseaussendungen werden dann 1:1 durch die APA-OTS (APA-Originaltextservice) verbreitet, eine Tochtergesellschaft der APA. Sie stehen unter inhaltlicher Verantwortung des Aussenders. Zu Nachrichten werden sie dann, wenn die Medien das Material übernehmen, oder die APA daraus Meldungen macht. Darüber hinaus arbeiten zahlreiche Korrespondentinnen und Korrespondenten für die APA und liefern ihr Informationen aus erster Hand.

Wie ist das mit den internationalen Nachrichten?

Doch wie kommen internationale Meldungen in die heimischen Nachrichten? Die APA, verschiedene Tageszeitungen und der ORF beschäftigen dafür Korrespondentinnen und Korrespondenten in verschiedenen Ländern. Sie berichten über die Geschehnisse dort. Allerdings haben die heimischen Medien und kleinere Agenturen wie APA und die schweizerische Keystone-SDA zu wenige, um überall auf eigene Informationen zurückgreifen zu können. Der ORF beschäftigt beispielsweise 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 16 Büros weltweit. Genauso geht es international vielen Zeitungen, Sendern und Medienportalen. Sie müssen sich deshalb bei internationalen Nachrichten meist auf große, globale Agenturen verlassen. Die verfügen über mehrere tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Nachrichtenagenturen: Nachrichtenagenturen sammeln, selektieren und verkaufen Informationen an die Medien. Der Weg vom Ereignis bis zur Meldung

Nachrichtenagenturen: Nachrichtenagenturen sammeln, selektieren und verkaufen Informationen an die Medien. Der Weg vom Ereignis bis zur Meldung. Grafik: Felix Hagmair

Wie objektiv sind die Nachrichten?

Nun stammen die meisten der internationalen Nachrichten, die online, im TV, Radio und Zeitungen in der westlichen Welt verbreitet werden, von drei großen Nachrichtenagenturen, die überall auf der Welt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort haben: Die amerikanische Associated Press (AP), Thomson-Reuters aus New York/Toronto sowie die Agence France-Presse (AFP) aus Paris. Die wichtigste Nachrichtenagentur für die Finanzwelt ist ebenfalls in New York ansässig: Bloomberg. Besitzer ist der Milliardär und ehemaligen Bürgermeister der Stadt, Michael Bloomberg. Ebenfalls in New York kommt die wichtigste Bloomberg. Diese westlichen Agenturen sind in einem großen Teil der Welt marktbestimmend. „Marktbestimmend“ heißt in diesem Fall: Diese drei Agenturen bestimmen maßgeblich was wir vom Weltgeschehen mitbekommen und wie.
Deutlich weniger Einfluss auf die weltweiten Nachrichten haben die staatliche russische TASS, die ebenfalls staatliche chinesische Xinhua, und die ca. 140 weiteren Nachrichtenagenturen.

Mehr zur Objektivität von Medien: Das Geschäft mit der Wahrheit: Wie Medien gesteuert werden. Noam Chomsky & Edward S. Herman

Weil nicht jede überall vor Ort sein kann: Kooperationen und Korrespondenzen

Die großen Nachrichtenagenturen haben überall auf der Welt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Beispielsweise die österreichische APA hingegen unterhält Korrespondentenbüros lediglich in den Bundesländern und in Brüssel. Ein weltweites Netz an Korrespondenten aufzubauen ist für kleinere, nationale Agenturen wie der APA zu teuer. Deshalb gibt es Kooperationen. Die größten Nachrichtenagenturen im deutschsprachigen Raum sind die Deutsche Presse-Agentur (DPA), die Austria Presse Agentur (APA) und die schweizerischen Keystone-SDA. Die APA kooperiert mit der DPA und den globalen Agenturen, um Zugang zu den internationalen Nachrichten zu erhalten und damit ihre nationalen Medien über das Weltgeschehen zu informieren. Einen Schritt weiter geht die eidgenössische Keystone-SDA. SIe plant, ab 2020 die gesamte Auslandsberichterstattung an die dpa auszulagern. Die DPA kooperiert ihrerseits eng mit der amerikanischen AP.

Die Rolle der Sprache.

Wichtig ist natürlich auch, in welcher Sprache Informationen zur Verfügung gestellt werden. In Österreich wählt die APA internationale Nachrichten aus, übersetzt sie, wenn nötig, und hebt Aspekte hervor, die sie aus österreichischer Sicht für wichtig erachtet. Alles selbst zu überprüfen ist ihr aber einfach nicht möglich und auch nicht ihr Anspruch.
Dabei werden meist nur die Nachrichten zu Meldungen gemacht, die in deutscher Sprache zur Verfügung stehen. Und das gilt für die meisten deutschsprachigen Agenturen und Medien gleichermaßen. Die großen globalen Agenturen betreiben deshalb fast alle auch einen deutschen Dienst, weil sie so auch im deutschsprachigen Raum Geld verdienen. Das funktioniert nicht nur im deutschen Sprachraum so, sondern weltweit.

NATO-Staaten, NATO-Nachrichten?

wie arbeitet eine nachrichtenagenturDie Abhängigkeit von den globalen Agenturen hat natürlich Nebeneffekte. Die einflussreichsten Nachrichtenagenturen sind allesamt in der westlichen Welt angesiedelt, dicht vernetzt und haben quasi ein Monopol. Von Wien bis Washington werden Inhalte der Meldungen und sogar Formulierungen übernommen, wodurch über internationale Geschehnisse weltweit auch mehr oder weniger gleich berichtet wird. Mehr oder weniger gleich und aus ihrer, also westlicher Sicht. Beziehungsweise aus Sicht der Agentur: Wer beispielsweise bei Bloomberg über Proteste gegen den Besitzer seines Arbeitgebers berichtet, ist vermutlich sehr vorsichtig.

Wie erkennt man Agenturmeldungen?

Agenturmeldungen erkennt man durch ein kleines Kürzel, meist am Ende eines Artikels. Da steht dann zum Beispiel: AFP/APA oder einfach Agenturen. Auch Fotos und Videos werden so ausgewiesen. Neben dem Agenturkürzel findet sich auch manchmal der Name oder das Kürzel derer, die den Agenturbericht bearbeitet haben. Oft wird allerdings lediglich der Text oder das Video übernommen – ohne jede Kennzeichnung. Im Radio und Fernsehen zum Beispiel, aber auch in der Presse. Vor allem Gratis- und Boulevardzeitungen gehen allerdings häufig intransparent mit Agenturmaterial um. Als Leserin oder Leser weiß man dann nicht, welche Beiträge redaktionellen Eigenleistungen entstammen und welche teilweise oder gänzlich von den Agenturen übernommen werden.

Nachrichtenagenturen: Kleines Kürzel, große Verantwortung

Die großen Nachrichtenagenturen lenken die Nachrichtenströme über den Globus, manche bereits seit über 170 Jahre. Trotz ihrer immensen Bedeutung für die tägliche Information der Welt verschwinden sie jedoch in unserem täglichen Leben hinter ihren Kürzeln an den Rändern der Berichterstattung in Presse und Rundfunk, wenn überhaupt auf sie verwiesen wird. Dabei ist ihr Einfluss keinesfalls zu unterschätzen, wie der Geschichtswissenschaftler Volker Barth zu bedenken gibt:

„Nachrichtenagenturen strukturieren die Wahrnehmung der Welt und bestimmen wie der Mensch die Umwelt erfährt. Nachrichtenagenturen selektieren, klassifizieren und redigieren Informationen und entscheiden somit, welches lokale Ereignis globale Aufmerksamkeit erhält bzw. zu einem globalen Event wird.“

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