Um das Thema Asyl ranken sich viele Mythen. Ein Mythos davon: Asylberechtigte ruhen sich nur auf der Mindestsicherung aus und kosten den Staat Unmengen an Geld. Aber das stimmt nicht: Denn die meisten Asylberechtigten wollen arbeiten und arbeiten auch – aber unter schlechten Bedingungen. Kontrast macht den Faktencheck über Rechte und Möglichkeiten von Asylwerber:innen und Asylberechtigten.
Hilfe für Geflüchtete hat mittelfristig positive Effekte auf Wirtschaft und Gesellschaft
In einem Forschungsbericht untersuchte das ECO Austria – Institut für Wirtschaftsforschung, die Asyl- und Vertriebenenmigration in den letzten 10 Jahren nach Österreich. Im Bericht werden die tatsächlichen öffentlichen Einnahmen und Ausgaben im Migrationsbereich untersucht. Gerade in diesem Zeitraum ist die Zahl der Kriege und Konflikte weltweit stark angestiegen, weshalb Millionen von Menschen zur Flucht gezwungen sind. Vor allem in den Jahren 2015 und 2016 sind wegen des Bürgerkriegs in Syrien und der instabilen Lage im „Nahen Osten“ besonders viele Menschen nach Österreich geflüchtet. Auch durch den russischen Überfall auf die Ukraine hat die Zahl der Kriegsvertriebenen innerhalb Europas, noch einmal zugenommen.
Damit diese versorgt werden konnten und um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, waren viele europäische Länder bereit, geflüchtete Menschen aufzunehmen und ihnen zu helfen. Dafür mussten auch größere finanzielle Mittel in die Hand genommen werden. Deshalb stellt das ECO Austria – im untersuchten Zeitraum – auch höhere öffentliche Ausgaben für die Bereiche Asyl- und Vertriebenenmigration in Österreich fest. Nach Prognosen des Wirtschaftsforschungsinstituts dreht sich diese Entwicklung jetzt allerdings um.
Weil mittlerweile viele Verfahren von Asylwerber:innen abgeschlossen sind, dürfen die, die einen positiven Bescheid bekommen haben – also asylberechtigt oder für einen gewissen Zeitraum schutzberechtigt sind – auch arbeiten. Der Staat nimmt deshalb auch zunehmend mehr Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ein, was sich positiv auf die österreichische Wirtschaftsleistung und den Sozialstaat auswirkt. Laut Prognose der ECO Austria werden sich die Einnahmen und Ausgaben nächstes Jahr sogar ausgleichen. Das ist noch etwas davon abhängig, wie sich der Krieg in der Ukraine weiterentwickelt. Also auch davon, wann und wie viele Ukrainer:innen wieder zurückkehren können. Laut Forschungsbericht lässt sich die zunehmende Verbesserung der Einnahmen- und Ausgabensituation im Migrationsbereich darauf zurückführen, dass immer mehr geflüchtete Personen auf dem Arbeitsmarkt tätig sind.
Wer bekommt Schutz und Asyl in Österreich?
Asylberechtigte in Österreich erhalten Schutz, weil sie in ihrem Herkunftsland aufgrund von Verfolgung durch Rasse, Religion, Nationalität oder politischer Überzeugung bedroht sind. Asylberechtigte in Österreich haben das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt, Bildung und soziale Leistungen. Zudem haben sie Anspruch auf eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die nach drei Jahren in eine unbefristete umgewandelt werden kann, wenn die Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind.
Die zweite Gruppe sind die subsidiär Schutzberechtigten. Diese Menschen erhalten vor allem Schutz, wenn sie vor Krieg oder Folter flüchten müssen. Subsidiär Schutzberechtigte in Österreich haben ebenfalls Zugang zum Arbeitsmarkt, Bildung und sozialen Leistungen, jedoch erhalten sie nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Diese gilt zunächst für ein Jahr und kann anschließend um zwei Jahre verlängert werden.
ÖVP/FPÖ Asylgesetz verhindert Integration
Im von der ersten ÖVP/FPÖ-Koalition beschlossenen Asylgesetz-2005 wurde festgelegt, dass Asylwerber:innen während ihres Asylverfahrens keinen Rechtsanspruch auf Integration haben. Das bedeutet auch keine Integrationsmaßnahmen wie Deutschkurse. Im Gegensatz zu Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten sind Asylwerber:innen jene Personen, bei denen das Asylverfahren noch läuft. Asylwerber:innen können unter bestimmten Bedingungen Integrationshilfe erhalten, dafür ist aber oft kein Geld da. In der Realität heißt das dann: Während Asylwerber:innen auf einen positiven Bescheid warten, können sie weder arbeiten noch Deutsch lernen. Die damalige Schwarz/Blaue-Regierung hat also dafür gesorgt, dass Asylwerber:innen in Österreich nichts tun können, außer warten.
Diese Situation wird zusätzlich verschärft, denn die Wartezeiten für einen positiven Asylbescheid in Österreich sind oft sehr lange. Jugendliche Asylwerber:innen mussten oft bis zu zwei Jahre warten, bevor sie überhaupt ihre Fluchtgründe erzählen konnten. Wenn der Status als Asylberechtigte dann anerkannt wird, landen viele oft automatisch in der Mindestsicherung oder Sozialhilfe, weil sie bis dahin gar nicht oder nur sehr eingeschränkt arbeiten durften. Durch schnelle Integrationsmaßnahmen könnte verhindert werden, dass Schutzberechtigte nach ihrem positiven Bescheid sofort in die Mindestsicherung rutschen. Und zwar, indem man bereits in der Grundversorgung Maßnahmen setzt, damit geflüchtete Menschen schneller am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Von der jetzigen Regierung wurden solche Maßnahmen nicht umgesetzt. Auch wegen dem Asylgesetz-2005 erhalten Geflüchtete erst nach Anerkennung des Status als Asylberechtigte umfassende Integrationsangebote.
Dürfen Asylwerber:innen arbeiten?
Während des Asylverfahrens dürfen Geflüchtete nämlich nur sehr eingeschränkt arbeiten. In den ersten drei Monaten gar nicht. Später brauchen sie eine Beschäftigungsbewilligung, die gibt es dann, wenn keine anderen Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Meistens für saisonale Jobs in der Landwirtschaft oder im Tourismus. In der Praxis werden solche Bewilligungen für Asylsuchende aber nur selten genehmigt. Alternativ können sie in öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtungen helfen und bekommen dafür eine kleine Entlohnung.
Oft erwecken Aussagen von ÖVP und FPÖ Politiker:innen den Eindruck, als würden sich Asylberechtigte jahrelang in der Mindestsicherung nur ausruhen. Aber das stimmt so nicht. Weil das Asyl-System nicht gut funktioniert, fallen viele Menschen in die Mindestsicherung und haben oft keine Perspektive wieder heraus zu kommen. Die meisten wollen arbeiten und arbeiten auch – aber oft in Jobs, in denen sie stark unterbezahlt oder sogar ausgebeutet werden. Und diejenigen, die nicht arbeiten, bekommen meistens schlichtweg keinen Job, das betrifft vor allem Frauen.
Grundversorgung – Mindestsicherung – Sozialhilfe: Wie viel Geld bekommen Geflüchtete wirklich
Die zweite Schwarz-Blaue Bundesregierung hat 2019 die Sozialhilfe eingeführt. Diese hätte eigentlich die Mindestsicherung ersetzen und sehr viel strengere Kriterien für Bezieher:innen haben sollen. Da die Sozialhilfe aber in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt, haben diese eigene Regelungen erlassen. Zum Beispiel gibt es in Oberösterreich, Niederösterreich und Vorarlberg meistens höhere Anforderungen und niedrigere Unterstützungsbeträge als in anderen Bundesländern. Weil das von der damaligen ÖVP/FPÖ-Regierung beschlossene Gesetz nicht funktioniert, drängt die SPÖ auf eine bundeseinheitliche Regelung der Sozialhilfe.
Ähnlich sieht es bei der Grundversorgung aus, auch die ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Asylwerber:innen bekommen während der Dauer ihres Verfahrens Grundversorgung, aber keine Mindestsicherung/Sozialhilfe. Die Grundversorgung deckt im Prinzip die Unterbringung und Verköstigung von Geflüchteten. Monatlich gibt es dann noch ein Taschengeld von 40 €. Menschen in der Grundversorgung dürfen, bis auf wenige Ausnahmen, auch nicht arbeiten. Die Mindestsicherung/Sozialhilfe soll dagegen den Menschen zumindest das Existenzminimum sichern und beträgt 2024 für eine alleinlebende Person maximal rund 1.156 Euro.
Gerade im Bereich sozialer Hilfeleistungen wird auch immer wieder mit populistische Maßnahmen Stimmung gegen Ausländer:innen gemacht. So hat die Türkis-Blaue Bundesregierung 2018 eine Kürzung der Familienbeihilfe (Indexierung) für im Ausland lebende Kinder beschlossen. Das hätte vor allem in Österreich arbeitende Menschen getroffen, deren Kinder ihren Wohnsitz im Ausland haben: so beispielsweise osteuropäische Pflegekräfte, die in Österreich arbeiten, aber mit ihren Familien in ihrem Herkunftsland leben. Die EU-Kommission sah darin einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Arbeitnehmerfreizügigkeit und reichte eine Klage ein. Der EuGH hat dann 2022 entschieden, dass dieses Gesetz EU-rechtswiedrig ist. In eine ähnliche Richtung stößt die neuerliche Diskussion um die Kürzung von Sozialleistungen für Asylberechtigte. Der Arbeits- und Sozialrechtler Wolfgang Mazal sieht in einem Gutachten darin kein Problem. Dieser gilt allerdings als ÖVP-nahe und hat schon die Indexierung der Familienbeihilfe als EU-rechtskonform eingestuft. Der Asylkoordinator Lukas Gahleitner-Gertz kritisiert diese Forderung in einem X-Post:
#Mazal vertrat Einzelmeinung, auf die sich #ÖVP bei der Indexierung der Familienbeihilfe gestützt hat.
Alle anderen Rechtsexpert:innen haben vorhergesagt, dass die populistische Maßnahme unionsrechtswidrig ist.
EuGH bestätigte das Offensichtliche
https://t.co/0mq2fUTokv— Lukas Gahleitner-Gertz (@LukasGahleitner) September 22, 2024
Immer weniger Menschen beziehen Mindestsicherung oder Sozialhilfe
Der Integrationsbericht zeigt, dass im Jahr 2017 327.900 Personen in Österreich Mindestsicherung beziehungsweise Sozialhilfe bezogen haben. Diese Zahl ist bis auf 219.000 Personen im Jahr 2023 gesunken. Es sind also um 109.000 Menschen weniger in der Mindestsicherung als noch 2017.
Die Mindestsicherung und Sozialhilfe kosten in Österreich ca. 950 Millionen Euro im Jahr. Alleine die Senkung der Konzernsteuersenkung (KÖSt) der Regierung von ÖVP-Grün hat doppelt so viel gekostet wie die gesamte Sozialhilfe und Mindestsicherung zusammen.
Viele Asylberechtigte arbeiten für wenig Geld
In Wien gibt es 62.500 Asylberechtigte in der Mindestsicherung. Davon sind 41 % Kinder und 10 % aufgrund ihres Alters oder wegen Krankheit nicht arbeitsfähig. Knapp die Hälfte der Schutzberechtigten könnten also arbeiten und die meisten tun es auch.
Von 30.000 arbeitsfähigen Schutzberechtigten sind
➡️19.000 “Aufstocker”
➡️11.000 erhalten volle MindestsicherungDas bedeutet: 19.000 Schutzberechtigte arbeiten bereits, verdienen aber so wenig, dass sie den Fehlbetrag auf die Mindestsicherung ergänzt bekommen.
10/17 pic.twitter.com/NTP2ETxTAP
— Lukas Gahleitner-Gertz (@LukasGahleitner) August 5, 2024
19.000 Personen in der Mindestsicherung arbeiten, sie verdienen aber so wenig, dass sie den Rest auf die Höhe der Mindestsicherung ergänzt bekommen. Das sind die sogenannten „Aufstocker“. Die meisten Menschen in der Mindestsicherung wollen also arbeiten und arbeiten auch, bekommen aber einfach keinen Job, von dem sie leben können. Das liegt vor allem am Asylsystem selbst und den fehlenden Integrations- und Ausbildungsmöglichkeiten in der Phase des Asylverfahrens. Die Integration in das gesellschaftliche Leben und in den Arbeitsmarkt sind wichtige Faktoren, die es Migrant:innen ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und gleichzeitig dabei helfen, das Sozialsystem zu entlasten.
Dieser Artikel wurde am 26.08.2024 veröffentlicht und am 23.09.2024 aktualisiert.