Rechtsextremismus

Burschenbundball: SPÖ-Abgeordnete kritisiert ÖVP-Stelzer – und wird von dessen Partei antisemitisch beschimpft

Die SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz hat ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer kritisiert, weil der am Burschenbundball teilgenommen hat. Dort vernetzen sich jedes Jahr Deutschnationalisten. Die ÖVP attackiert daraufhin Schatz und bedient sich dabei antisemitischer Beschimpfungen. Die Stelzer-Partei inszeniert einen Skandal, um von Kritiken an Stelzer und der Bundesregierung abzulenken.

Am 2. Februar 2019 postet die SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz auf Twitter eine Feststellung: Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) besucht an diesem Abend den Burschenbundball. Mehr noch: Er hat den Ehrenschutz für den Ball der Deutschnationalen übernommen.

Am Burschenbundball feiern sich Deutschnationalisten

Ähnlich dem sogenannten „Akademikerball“ der FPÖ in Wien kommt jedes Jahr in Linz das who is who einer Regierungspartei, treffen sich deutschnationale Burschenschafter.

2018 waren auch Mitglieder der Burschenschaft „Teutonia“ anwesend, wie Ball-Fotos aus diesem Jahr zeigen. Diese Burschenschaft hat am vergangenen Wochenende für Schlagzeilen gesorgt, weil sie auf Facebook über Kameraden aus der „Ostmark“ geschrieben hat. Der Begriff wurde von den Nationalsozialisten verwendet, um das annektierte Österreich zu bezeichnen.

Der Ball fiel heuer auf denselben Tag wie der Gedenktag an die Opfer der sogenannten „Mühlviertler Hasenjagd“.

2. Februar ist Gedenktag der Opfer der „Mühlviertler Hasenjagd“

In der Nacht zum 2. Februar 1945 haben mehr als 500 Gefangene einen Ausbruchsversuch aus dem Konzentrationslager Mauthausen unternommen. Sie wurden verfolgt, gejagt – und die meisten von ihnen wurden ermordet. Auch die Zivilbevölkerung beteiligte sich an dieser Gewalttat, die verharmlosend als „Mühlviertler Hasenjagd“ bezeichnet wurde. Eine Familie, die Widerstand geleistet und Geflüchteten geholfen hat, war die Familie Langthaler. Ihre Tochter Anna ist heute noch als Zeitzeugin an Schulen unterwegs.

Twitter-Kritik an Teilnahme des ÖVP-Landeshauptmanns am Burschenbundball

Sabine Schatz ist für die SPÖ Abgeordnete im Nationalratrat. Sie ist selbst Mühlviertlerin, im Mauthausen Komitee aktiv und hat den Gedenkstein für die Opfer der „Mühlviertler Hasenjagd“ in Ried initiiert. Auf Twitter kritisierte sie, dass Stelzer am Burschenbundball teilgenommen und ihn dadurch legitimiert hat.

Der Ball ist keine politische Pflichtveranstaltung. Die Landeshauptmänner Oberösterreichs können frei entscheiden, ob sie dem Ball und den Teilnehmern beiwohnen wollen. Thomas Stelzer hat sich entschieden, teilzunehmen – und das in einem ZIB-Interview auch bekräftigt. In für diese bewusste Entscheidung zu kritisieren, will die ÖVP nicht zulassen.

Die ÖVP inszeniert Empörung, Medien machen mit

Der Tweet von Schatz hat die ÖVP sehr erregt, allen voran deren Generalsekretär Karl Nehammer. Die ÖVP wettert gegen die Abgeordnete und diagnostiziert „eine unfassbare Entgleisung“ und will einen Rücktritt. Daraufhin übernehmen viele Tageszeitung die aufgeregten Rücktrittsforderungen aus der ÖVP.

91 Holocaust-Überlebende und Prominente gegen Stelzers Ball-Schutz

Dabei ist Schatz mit ihrer Kritik nicht allein. Im Jänner 2019 haben 91 KZ-Überlebende und Prominente an Stelzer appelliert, etwas gegen rechtsextreme Umtriebe zu unternehmen. Sie kritisierten ihn zudem dafür, den „Ehrenschutz für den „Burschenbundball“, der die Salonfähigkeit der schlagenden Verbindungen vortäuscht“ zu übernehmen.

ÖVP will einschüchtern – und beschimpft Abgeordnete mit antisemitischer Unterstellung

Der ÖVP war die Kritik an Stelzers Ball-Teilnahme ein Dorn im Auge. Mit künstlicher Empörung und Negativschlagzeilen will sie die Abgeordnete einschüchtern. Dabei ist es die Volkspartei, die sich die verbale „Entgleisung“ leistet:

Die ÖVP-Zeitung „Oberösterreichisches Volksblatt“ unterstellte Schatz „politische Brunnenvergiftung“.  Es ist eine antisemitisch konnotierte Unterstellung. Seit dem Mittelalter wurde Juden und Jüdinnen vorgeworfen, „Brunnenvergifter“ zu sein – Pogrome waren die Folge.

Mit 50 rechtsextremen Einzelfällen, Kickl-Sager und halbherzigen Distanzierungen hat ÖVP kein Problem

Die Empörung kam der ÖVP gelegen: Nach einer Woche von Kickl-Rücktrittsforderungen kam ein Tweet gelegen, das die ÖVP so interpretiert hat, dass sie daraus einen Skandal konstruieren konnte. Sie wollte von Regierungskritik und Kritik an Stelzer ablenken. Denn die Frage, was ein ÖVP-Landeshauptmann bei Deutschnationalen macht, hat keine Zeitung gestellt.

Gegenüber der FPÖ ist die ÖVP tolerant, wenn es um „Entgleisungen“, „Jugendsünden“ und „Einzelmeinungen“ geht. Wenn „Teutonen“ auf Facebook von der „Ostmark“ phantasieren und das ein FPÖ-Nationalrat aus dieser Burschenschaft das nur so leise wie nötig kritisiert, ist für den ÖVP-Generalsekretär alles in Ordnung.

Die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ bleibt auch trotz 50 rechtsextremer Einzelfälle aufrecht.  Und dass sich Herbert Kickl über die Verfassung und die Menschenrechte gestellt hat, ist der ÖVP gerade ein kurzes Telefonat wert.

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