Robert Tibbo mit Edward Snowden am 26. Juli 2016 (Foto: Tibbo)
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Edward Snowden und Anwalt Robert Tibbo: Der Kampf um Gerechtigkeit und Asyl seit 2013

21 Asyl-Anträge hat Whistleblower Edward Snowden weltweit gestellt, lediglich Russland, Bolivien und Venezuela sagten „Ja“ zum Gesuch. Die angefragten europäischen Länder, darunter auch Österreich und Deutschland, haben ebenfalls abgelehnt. Eine der Fragen, die Anwalt Robert Tibbo Bundeskanzler Kurz gern stellen würde: „Was genau hindert Sie daran, einem Hilfesuchenden Sicherheit und Freiheit in Ihrem Land anzubieten?“ 

Würde er durch Österreichs Straßen gehen, bliebe der wohl bekannteste Anwalt des 21. Jahrhunderts weitgehend unbemerkt und doch ist er der Mensch, der dem berühmtesten Whistleblower, Edward Snowden, 2013 das Leben rettete. Robert Tibbo (55) wirkt gestresst, müde und ausgelaugt. Rund um die Uhr im Einsatz für seine weltweit 44 Klienten ist sein Tagesprogramm mehr als straff. Trotzdem beantwortet er geduldig Fragen, die ihm schon hunderte Male gestellt wurden, denn: Er muss Aufmerksamkeit schaffen für ein Thema, das allmählich in Vergessenheit gerät.

Rückblick: Robert Tibbo trifft Edward Snowden

2013 löste der ehemalige CIA- Mitarbeiter Edward Joseph Snowden durch seine Enthüllungen zu Spionagetaktiken der US-amerikanischen und britischen Geheimdienste die international bekannte NSA-Affäre aus. Ohne zu wissen, dass ihn das von nun an zum meistgesuchten Whistleblower weltweit machen würde. Als der Menschenrechtsanwalt Robert Tibbo davon erfuhr, wusste er was zu tun ist: Binnen 48 Stunden organisierte er dem international gejagten Whistleblower die Flucht und versteckte ihn schließlich dort, wo ihn niemand vermutet hätte: Sieben Flüchtlinge aus Sri Lanka und den Philippinen (darunter vier Erwachsene und drei Kinder), ebenfalls Klientinnen Tibbos, gewährten Snowden Schutz in Hong Kong. Trotz des Risikos, sich damit den Behören auszuliefern. Den hiermit aus Sicht der Regierung zu Mittätern gewordenen Helfern wurde die später geplante Einreise nach Kanada jahrelang verwehrt.

Edward Snowden - Hintergrund
Edward Joseph Snowden war ein us-amerikanischer ehemaliger CIA-Mitarbeiter. Wegen seiner Enthüllungen zur Überwachungsarbeit der us-amerikanischen und britischen Geheimdienste wurde er 2013 weltweit als Whistleblower bekannt. Vor dem NSA-Skandal arbeitete Snowden als Systemadministrator für CIA (Central Intelligence Agency) und NSA (National Security Agency), wobei er Zugang zu als streng geheim eingestuften Informationen hatte, unter anderem zu Überwachungs-Programmen weltweiter Internetkommunikation (Xkeyscore, PRISM und Boundless Informant) und des britischen Programms (Tempora).

Diese leitete er zur Veröffentlichung an die us-amerikanische Dokumentarfilmregisseurin Laura Poitras und den Guardian-Journalisten Glenn Greenwald weiter. Als sich Snowden am 9. Juni 2013 in Hong Kong zu erkennen gab, wurde er zum meistgesuchten Whistleblower des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Was darauf folgte waren ein Haftbefehl des FBI und mehrere abgelehnte Asylansuchen. Snowden, dem im August 2013 schließlich Asyl in Russland gewährt wurde, hält sich seither dort auf. Für seine Enthüllungen wurde er mehrfach von nichtstaatlichen Organisationen ausgezeichnet und für den Friedensnobelpreis nominiert.

„Nicht aufgeben, bis alle in Sicherheit sind“ lautet die Devise

Von der 2014 rasant gestiegenen medialen Aufmerksamkeit für die weltweite digitale Überwachung der USA können Snowden und Tibbo heute nur träumen. Versteckt in ihren Exilen (Snowden in Russland, Tibbo abwechselnd in Kanada und Europa) zahlen der Menschenrechtskämpfer und seine Unterstützerinnen einen hohen Preis: Geheime Aufenthaltsorte, ständige Verfolgungsangst, Lebensgefahr  sowie ein selbst verwehrter Zugang zur Online- Außenwelt. Trotzdem vergessen die Menschen allmählich, worum es bei der Sache ging: Die Aufdeckung von Spionagetaktiken der Regierungen und den Schutz der Flüchtlinge.

Vanessa Rodel gewährte Edward Snowden Unterschlupf in Hong Kong

Snowden-Helferinnen Vanessa and Keana Rodel

Erstmals konnten Tibbo und seine Unterstützer nun Erfolge ihrer harten Arbeit sehen: Zwei der sogenannten Snowden-Flüchtlinge, die sich 2013, trotz prekärer Lebensumstände, dazu bereit erklärten Edward Snowden Schutz zu gewähren, bekamen den lang ersehnten positiven Asyl-Bescheid. Sie durften nach Kanada einreisen, wo sie nun bleiben werden. Vanessa Rodel (42) und ihre siebenjährige Tochter Keana landeten am 25. März 2019 in Toronto Pearson und warten nun darauf Ehemann und Vater Kellapatha ebenfalls bald in die Arme zu schließen.

Die Asyl-Anträge der restlichen fünf Snowden-Flüchtlinge wurden allerdings bisher abgelehnt. Anwalt Robert Tibbo will nun das Recht auf Familienzusammenführung nutzen. Immer wieder fordern Tibbo und Snowden öffentlich ein Eingreifen von Premierminister Justin Trudeau. Kanada soll den Flüchtlingen, denen nun die Abschiebung in ihr Heimatland Sri Lanka droht, Schutz vor den Behörden bieten.

Ganz zufrieden sind Tibbo und seine Unterstützerinnen jedoch auch nach diesem Erfolg nicht. 2018 sind sie trotz aller Bemühungen, für den bekanntesten Whistleblower Schutz in einem europäischen Land zu finden, gescheitert: Kein EU-Staat gibt Snowden Asyl, der laute Aufschrei über Misstände stößt auf taube Ohren.

Man fragt sich, wie es sein kann, dass jemand der solange trotz geringem Erfolg kämpft, nicht aufgibt. „Es gibt Tage, an denen man alles hinterfragt, am meisten sich selbst“, sagt der Mann, der sich seit rund fünf Jahren ununterbrochen für eine gerechte Behandlung von Flüchtlingen einsetzt, „aber am Ende des Tages zählt nur noch, dass man sich bereit erklärt hat, diese Schritte zu gehen, bis alle in Sicherheit sind“. Der Anwalt lebt seine Berufung: Seit der NSA-Affäre ist nichts mehr wie es vorher war; bereuen würde er allerdings nichts.

Jeder kann zum Flüchtling werden

Immer wieder betont er die Notwendigkeit, besonders den Schwachen zu helfen, Marginalisierung und Intoleranz zu eliminieren. Denn die Möglichkeit sich selbst in einer ausweglosen Situation wiederzufinden ist in Anbetracht der politischen Situation in den europäischen Ländern realistischer, als es auf den ersten Blick scheinen mag. „Die Regierung geht vor allem gegen die verletzlichste Bevölkerungsschicht los, die Ärmsten repräsentieren uns aber alle“, sagt der Menschenrechtskämpfer.

Die Reaktionen bleiben aus

Seitdem es keine brisanten Neuigkeiten mehr zum Snowden-Fall gibt, ist es still um Robert Tibbo und Edward Snowden geworden. Enttäuscht ist der Flüchtlingshelfer vor allem von der ausbleibenden Kritik der Bevölkerung gegenüber der us-amerikanischen Regierung; erwartete Demonstrationen fehlten bislang auch in Europa. Der Grund dafür, sagt er, sei die Scheu vor Risiken, die es in einer demokratischen Gesellschaft nicht geben sollte.

„Die Menschen haben Angst aufzustehen. Sie schrecken sogar davor zurück mit mir zu sprechen oder ein paar Dollar an unsere NGO fortherefugees.com zu spenden.“ Mittlerweile, erklärt der Jurist, sei die Organisation ausschließlich auf Spendengelder angewiesen, die das Überleben dieser sichern. Durch die Öffentlichkeit, die Snowden und Tibbo für die Snowden- Flüchtlinge und deren Asyl-Ansuchen schaffen konnten, reichten die Spenden, um den Start in der neuen Heimat Kanada zu erleichtern.

Beratungsresistenz trotz aller Fakten

“Es fehlt ganz einfach der Mut. Von Politikern, Journalisten, von jedem einzelnen von uns.“

“Es fehlt ganz einfach der Mut. Von Politikern, Journalisten, von jedem einzelnen von uns.“, so Tibbo, der sich selbst in der Reihe von Menschenrechtskämpfern, wie dem Konzeptkünstler Ai Wei Wei oder der us-amerikanischen Dokumentarregisseurin Laura Poitras, sieht. Das Problem heutzutage sei, dass der Teil der Bevölkerung, der Wohlstand und Bildung genießt, wenig Interesse an der Änderung des Zustands aktueller gesellschaftlicher Probleme zeigt. Die Fakten zu Überwachungsstaaten und Ungerechtigkeiten werden aber täglich präsentiert. Für die meisten ist das Risiko genau jene Privilegien zu verlieren zu groß. Kein Grund jedoch für Tibbo sich von Aktionen, wie jenen 2014 zu distanzieren, im Gegenteil: „Ich versuche die bestmögliche Version des Anwalts zu sein, den ich selbst gern als Verteidiger hätte“. „Nur so und nicht anders“ könne er seinen Job ausüben.

Das Verhalten chinesischer Behörden wird in Europa bald Tagesordnung

Seit 2016 die Identität der sieben Snowden-Flüchtlinge bekannt wurde, waren sie in Hong Kong Überwachung und polizeilicher Verfolgung ausgesetzt. „Uns öffentlich derart anzugreifen ist beschämend“, so der Aktivist. Das Verhalten der chinesischen Behörden in der Causa Snowden und die Überwachung der kanadischen Anwälte wären laut Tibbo Beweise des Machtmissbrauchs durch die Regierung, der bald auch in weiten Teilen Europas an der Tagesordnung liegen würde. Dies seien „ernstzunehmende Bedrohungen“ so der Anwalt, dessen Sicherheit mittlerweile mindestens genauso gefährdet ist wie die von Edward Snowden.

Robert Tibbo mit Edward Snowden am 26. Juli 2016 (Foto: Tibbo). Kein Asyl in Österreich und Deutschland

Robert Tibbo mit Edward Snowden am 26. Juli 2016 (Foto: N.Y. Jennifer).

Vor der Fluchthilfe Snowdens sah Robert Tibbos Beruf noch völlig anders aus. Als Anwalt für Menschenrechte trat er in Hong Kong für rund 60 Flüchtlinge aus diversen Ländern ein. „Das Schlimmste ist, dass ich momentan wenig für meine Klientinnen tun kann“, so Tibbo. Die derzeitigen Umstände zwangen ihn alle offenen Fälle vor Ort abzutreten und machen es bis dato für ihn innerhalb Hong Kongs unmöglich weiterhin als Anwalt zu praktizieren. „Das ist unethisch und enttäuschend. Für mich gibt es kein Zurück mehr“, so der Aktivist.

Fehlendes Bewusstsein über staatliche Überwachung

Die Überwachung durch den Staat und die damit einhergehenden Probleme seien vielen Menschen noch nicht bewusst. Die Einstellung, dass man nichts zu verbergen habe, fördert dabei den Prozess in Richtung „gläserner Mensch“. Man solle sich nur einmal vorstellen, den Staat mit all seinen Überwachungsmechanismen in sein Schlafzimmer zu lassen, so Tibbo. „Das ist der Moment, in dem ein Umdenken und Hinterfragen der eigenen Handlungen passiert, weil die meisten glauben es ginge ausschließlich um soziale Netzwerke.“ Hinterfragen sollte man sein Verhalten allerdings nicht nur hinsichtlich der Privatsphäre, sondern vor allem im Zusammenhang mit den Folgen, die die Offenlegung von Daten mit sich bringt.

Diese gehe Hand in Hand mit aktuellen politischen Entwicklungen in Richtung einer länderübergreifenden Diktatur, die laut dem Anwalt längst begonnen hat und sich besonders auf Schutzsuchende auswirkt. Das, so Tibbo, zeige den hohen Grad an Überwachung und verstöße in den meisten Fällen gegen Artikel 14 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Recht auf Asyl).

„Das Recht auf Asyl muss auch heißen, dass es erlaubt ist, Grenzen zu überqueren, um Schutz zu suchen, ohne dafür bestraft zu werden. Unabhängig des Ausmaßes an Legalität.“

Kein Asyl für Edward Snowden, auch nicht in Deutschland und Österreich

Am liebsten würde Snowden in Deutschland oder Österreich leben. Tatsächlich hält sich der Whistleblower aller Voraussicht nach bis mindestens 2020 in Russland auf. Trotz der globalen Sympathie für Snowden wurden 18 der 21 Anträge auf Asyl weltweit abgelehnt. Der „politische Druck“ nicht nur in Europa ist deutlich spürbar, so der Anwalt. Was er Bundeskanzler Kurz gern einmal ins Gesicht sagen würde? „Was genau hindert Sie daran, einem Hilfesuchendem Sicherheit und Freiheit in Ihrem Land anzubieten?“ Er ist überzeugt, dass ein solcher Schritt des Kanzlers zeigen würde, wie wichtig Snowdens Aufdeckungen für eine digitalisierende Gesellschaft sei. „Natürlich würde sich dadurch auch Kurz´ Position in Europa, wenn nicht sogar weltweit, verändern.“ Folgt man dem Stand der Dinge, ist ein Asyl-Gesuch für den Whistleblower derzeit allerdings europaweit aussichtslos. Was bleibt, ist der Wille zur Veränderung und Tibbos größter Wunsch für 2019: „All meine Klientinnen und Klienten in Kanada zu sehen. Schauen wir mal, ob das klappt.“

Robert Tibbo mit Edward Snowden 2017 (Foto: Tibbo). Kein Asyl in Österreich und Deutschland

Robert Tibbo mit Edward Snowden 2017 (Foto: Lindsay Mills)

Das Gespräch mit Tibbo wurde im Dezember 2018 mündlich geführt und bis in den April 2019 per Mail weitergeführt. Spenden Sie hier für das Projekt fortherefugees.com

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Elmar Battlogg
Elmar Battlogg
9. Oktober 2019 20:10

Die justiz war noch nie unabhängig …..

Elmar Battlogg
Elmar Battlogg
9. Oktober 2019 20:10

Die Justiz war noch nie unabhängig …

Elmar Battlogg
Elmar Battlogg
9. Oktober 2019 20:09

http://www.zwei-klassen-justiz.at – Bürger ohne Rechte

biersauer
biersauer
13. April 2019 11:16

https://kraeutermume.wordpress.com/2016/02/19/angriff-auf-deutschland-hintergruende-der-masseneinwanderung/
Interessant, daß Soros die Macht hat, 500 Millionen Europäer zu kommandieren.

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