Kinderarbeit
Internationales

„Wenn Millionen Kinder wie Sklaven arbeiten, kann ich mich nicht zurücklehnen“

Foto: Benjamin Pütter zVg

160 Millionen Kinder müssen arbeiten – und das obwohl es in ihren Ländern verboten ist. Behörden schauen weg, weil sie von den Firmen bestochen werden. Benjamin Pütter hat undercover Buben und Mädchen in Steinbrüchen, Teppich-Fabriken und Hinterzimmern getroffen und ein Buch über Kinderarbeit geschrieben. Im Interview erzählt der Kinderarbeits-Experte warum es auch heute weltweit Kinderarbeit gibt – und wie man sie bekämpfen könnte.

Buben und Mädchen im Sand. Sie bauen keine Sandburg, sondern Ziegelsteine, legen sie zum Trocknen aus und schichten sie zu Bergen auf. Buben, jünger als 6 Jahre, die Teppiche knüpfen – und dabei täglich Wollreste einatmen. Mädchen, die Zigaretten rollen. Mädchen, die in Hinterzimmern Hausarbeit verrichten – und sexuelle Übergriffe erleiden. Buben, die in Mienen nach Diamanten schürfen müssen.

Pakistan, Indien, Nigeria, Ecuador, Türkei: Kinderarbeit ist in diesen Ländern verboten – aber trotzdem Alltag. 1989 haben alle Länder der Welt die Kinderrechts-Konvention unterzeichnet – nur die USA nicht. Dennoch ist Kinderarbeit in vielen Ländern auch heute noch Realität. Erstmals seit 20 Jahren steigt die Zahl der arbeitenden Kinder: Laut aktuellem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF betrug die Zunahme der Kinderarbeit weltweit 8,4 Millionen Kinder in den letzten vier Jahren.

7 von 10 betroffenen Kindern müssen in der Landwirtschaft schuften. Viele der Produkte in unseren Supermärkten haben Kinderhände gefertigt: Schokolade, Brotaufstrich, Räucherstäbchen, Teppiche. Sogar Grabsteinen werden oft unter ausbeuterischen Bedingungen von Kindern gefertigt

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Kleine Kinder in Indien müssen Teppiche knüpfen. (Foto: B. Pütter, zVg)

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Oft haben sie nicht einmal Gewand zum Anziehen. (Foto: B. Pütter, zVg)

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In der Sonne müssen Kinder aus Sand Ziegelsteine pressen. (Foto: B. Pütter, zVg)

Kinderarbeit besonders stark in Subsahara, Lateinamerika und Indien verbreitet

Laut Benjamin Pütter, Kinderarbeit-Experte, sind es vor allem Kinder in Lateinamerika (darunter Ecuador oder Brasilien), Subsahara-Afrika (Botswana, Eritrea, Kenia, Nigeria, Uganda, Somalia, Sudan), in Pakistan und in Indien, die zu ausbeuterischer Arbeit gezwungen werden.

Österreich am nächsten ist die Türkei: Dort müssen Kinder Haselnüsse ernten und sortieren, statt in die Schule zu gehen. Wir kaufen dann den Haselnussaufstrich im Supermarkt.

Insgesamt geht Kinderarbeit weltweit zurück.

„Als ich mit meinen Recherchen begonnen habe, vor etwa 12 Jahren, waren noch 150 Millionen Buben und Mädchen von Kinderarbeit betroffen. Heute sind es 70 Millionen. Da hat sich viel getan. Aber natürlich kann man sich nicht zurücklehnen, wenn Millionen Kinder unter sklavenähnlichen Bedingungen schuften müssen“. (Benjamin Pütter, Autor und Experte für Kinderarbeit)

Armut und zu wenige Schulen drängen in Kinderarbeit

Trotz Verbot: Oft fehlt es in den Ländern an Beamten, die in entlegenen Dörfern die Produktionsstätten kontrollieren. Oder es herrscht, wie in Indien, Korruption. Vermögende Teppich-Exporteure zahlen viel Geld an Polizei und Justiz, damit sie übersehen, dass in Zelten und Hütten Kinder ausgebeutet werden.

Es ist die Armut in Familien, die Eltern dazu veranlasst, ihre Kinder in Fabriken, Steinbrüche und Haushalte zu schicken, um dort Geld zu verdienen. Jedes Einkommen hilft, Schulen sind oft nicht vorhanden, Bildung nebensächlich. In Indien sorgt zudem das Kastenwesen dafür, dass das Ausbeuten von sogenannten „unberührbaren“ Kindern gesellschaftlich akzeptiert ist.

Gerade in Indien mangelt es an Schulen.

Laut Pütter drängen in Indien jährlich 12 Millionen junge Menschen auf den Arbeitsmarkt. Doch nur 10 Prozent davon haben einen Bildungsabschluss oder eine Berufsausbildung.

Deshalb würde, sagt Pütter, ein rigides Vorgehen gegen Kinderarbeit allein nichts bringen – wenn gleichzeitig keine Schulen als Alternativen geschaffen werden. Indien allein schafft das nicht. Hier bräuchte es Investitionen und Hilfe auch aus anderen, besser situierten Staaten.

Kinderarbeit

In Hilfswerks-Kreisen wird eine vereinfachte Definition von Kinderarbeit verwendet, die wie folgt lautet: Kinderarbeit bedeutet, dass eine Person unter 15 Jahren nicht in die Schule gehen darf, weil sie arbeiten muss. Damit grenzt man Kinderarbeit von unterstützender Arbeit im Haushalt oder im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern ab. Als schlimmste Formen der Kinderarbeit gilt, wenn sie auch noch gesundheitsschädlich und ausbeuterisch ist.

Schmuck, Werkzeuge – sogar Grabsteine: Produkte hinter denen Kinderarbeit steckt

Laut Pütter werden uns Konsumenten öfter Produkte aus Kinderarbeit angeboten als wir glauben: Billige Metall-Armbänder – sie werden oft von Kindern in Indien aus Drahtspulen gedreht und gelötet. Schutz gegen die giftigen Dämpfe haben die Kinder nicht.

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Ein Mädchen biegt und lötet Draht für Armbänder. (Foto: B. Pütter, zVg)

In Pakistan fertigen Buben Metallwerkzeuge, darunter Mundspiegel oder Pinzetten. „Genau solche Pinzetten habe ich schon auf einem Wochenmarkt im Breisgau gefunden. Sie wurden als ‚extra billig‘ angepriesen“, erzählt Pütter.

Pflastersteine auf deutschen und österreichischen Straßen: Oft stammen sie aus indischen Steinbrüchen. Genau wie Grabsteine.

Über 50 Prozent der neuen Grabsteine in Deutschland stammen aus Indien. In den Niederlanden sind es sogar über 90 Prozent. Kinder und Jugendliche hauen sie aus Steinbrüchen in Indien, dann gelangen die Granit-Platten nach China und werden dann fertig per Frachtschiff nach Europa transportiert.

Diese Grabsteine sind extra billig. Warum? Weil sie den Frachtschiffen als Füllmaterial dienen, das die Schiffe tief genug unter Wasser zieht. Dafür zahlen die Exportfirmen einen Spottpreis – und das macht das Endprodukt insgesamt billiger. Den wahren Preis sehen die Käufer in Deutschland, den Niederlanden und Österreich nicht: Die Gesundheitsschäden der Arbeiter, die den Staub des Granits einatmen. Das indische Gesetz schreibt „wet drilling“ vor. Doch in der Nähe der Steinbrüche gibt es weit und breit kein Wasser. Auch Kleinkinder leiden unter dem Staub – oft liegen sogar Säuglinge in Tüchern mitten im Steinbruch, weil die ganze Familie dort arbeiten muss.

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Schon Kleinstkinder müssen in Steinbrüchen Granit zerkleinern. (Foto: B. Pütter, zVg)

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Schutzkleidung gibt es keine – die Verletzungsgefahr ist groß. (Foto: B. Pütter, zVg)

Interview mit Kinderarbeit-Experte Benjamin Pütter

Kontrast.at: Sie haben sich ja in Produktionsstätten undercover eingeschlichen und Kinderarbeit dokumentiert. Wie sind Sie da vorgegangen? Wie schleicht man sich als europäischer Mann in indische Steinbrüche ein?

Benjamin Pütter: Ich hatte eine falsche Visitenkarte bei mir. Ich habe mich als Steinimporteur ausgegeben und bin in Steinbrüche in Indien gegangen. Ich habe vorgegeben, dass ich Steinprodukte kaufen möchte. Ich habe Sachen gesagt wie: „Ach, ich kaufe eigentlich beim Nachbarsteinbruch, aber Ihre Steine scheinen mir noch besser zu sein – kommen wir ins Geschäft?“ Und dann gehe ich rein, wir waren meisten zu zweit oder zu dritt. Ich habe die quasi wichtigen Leute vor Ort beschäftigt – da ging’s ja ums Geld – und die anderen haben sich währenddessen die Umgebung, den Steinbruch angesehen, mit Kindern gesprochen und Fotos gemacht. Das war eine Art, wie ich in Steinbrüche kam.

Jetzt war ich auch noch mit einem Reporter der Süddeutschen Zeitung und einem Fotograf der New York Times unterwegs. Da waren wir in 8 Export-Steinbrüchen unterwegs, die speziell nach Deutschland liefern. Und in 7 davon haben wir verbotene Kinderarbeit dokumentiert. Es ist also keine Ausnahme, sondern es ist ein flächendeckendes Problem.

Kontrast.at: Wie finden Sie heraus, welchen Produktionsstätten Sie einen Besuch abstatten? Woher bekommt man die Infos, wo man recherchieren muss?

Benjamin Pütter: Was Teppiche anbelangt – da gibt es bestimmte Gebiete, wo „Orientteppiche“ hergestellt werden. Das ist der sogenannte „carpet belt“, der Teppichgürtel Indiens. Der befindet sich in der nördlichen Provinz Uttar Pradesh. Da kommen die ganzen Teppiche her. Wenn man in der Gegend ist, kann man in die Dörfer reingehen und braucht nur zu schauen, wo man dieses typische Schlag-Geräusch hört. Also wenn die einzelnen Knoten aneinander geschlagen werden, damit sie eng aneinander liegen. Da kann man dann in die Produktionsstätten, die Hütten, gehen – und sich die Teppiche ansehen. Da erkennt man dann auch gleich an den Farben, für welche Kunden die gemacht werden. Also die Franzosen bevorzugen beispielsweise ganz andere Farben als die Deutschen oder die Österreicher.

Und bei Steinen. Es gibt nur etwa 100 Orte in Indien, wo es so viel Stein von der gleichen Materialsorte ohne Einschluss von anderen Steinen gibt. Bei Schotter gibt es tausende Steinbrüche. aber wenn es um schön gehauenen Stein gibt, da gibt es nicht viele Orte. Wenn es um den Export von Granit geht, da ist klar, das sind Orte um Krishnagiri herum. Mit den Reportern sind wir dann geradewegs in die Gegend rein und haben einfach gefragt: „Kennen Sie hier einen Export-Steinbruch?“ Und dann beschreiben Bewohner, wo die LKWs alle hinfahren. Und dann folgt man denen quasi. Wir sind da hin, haben nach dem Chef gefragt. Der hat uns dann in sein Büro, eine kleine Hütte, mitgenommen. Dort hat er uns dann das polierte Anschauungsmaterial gezeigt. Und die anderen haben sich derweil den Steinbruch angesehen. Und das Besondere bei Steinen ist: Man kann bei einem Produkt, wenn es in Europa gekauft wird, genau sagen, wo es herkommt. Von der Textur her. Man kann so anhand des Steinproduktes sagen, ob es aus Indien kommt und ob Kinderarbeit dahinter steckt.

Als ich mal am Wiener Zentralfriedhof war, hab ich sofort Grabsteine gefunden, bei denen ich erkannt habe: Ja, die kommen aus Krishnagiri, die kommen aus Steinbrüchen, wo Kinder schuften müssen.

Kontrast.at: Sie sagen, ein großer Teil der Kinderarbeit ist unsichtbar, weil er in Haushalten stattfindet. Kinder – in erster Linie Mädchen – müssen als Dienstmädchen schuften…

Benjamin Pütter: Richtig. Ich habe mal einen Vater und dessen Tochter getroffen in Pakistan. Das Mädchen hat erzählt, dass sie jeden Tag von 7:00 Uhr früh bis 8:00 Uhr abends bei einer Familie als „Haushaltshilfe“ arbeitet. Dafür bekam sie umgerechnet 80 Cent pro Tag. Und dann ist der Mann aus der Familie, für die sie arbeitet, zu ihrem Vater gegangen und hat angeboten: Er würde dem Mädchen jeden Tag 2 Euro geben – wenn er sie auch vergewaltigen dürfte. So hat er das natürlich nicht genannt, er sagte, er wolle „Sex mit ihr haben“. Aber wir wissen, es ging um Vergewaltigung. Und das Mädchen wurde jeden Tag vergewaltigt. Ich habe selbst eine Tochter. Solche Geschichten machen mich immer fertig. So etwas trifft die Mädchen. Und die werden, falls sie schwanger werden, einfach rausgeschmissen. Und das gibt es auch in anderen Ländern natürlich. In afrikanischen Ländern, in Indien…

Kontrast.at: Ist Kinderarbeit nicht verboten? Und wenn es verboten ist, warum lässt man es dann zu? In Indien zum Beispiel.

Benjamin Pütter: Indien hat wunderbare Gesetze. Selbst Juristen sagen: Wenn man international vergleicht, hat Indien die besten Gesetze weltweit: für Kranke, für Frauen, für Kinder, für Kastenlose, für Behinderte. Die Gesetzeslage ist super. Aber sie werden nicht durchgesetzt. Millionen können nicht lesen und schreiben – und wissen nicht, was Rechte sind, fordern sie nicht ein. Und weil Korruption herrscht. Weil Exporteure Arbeitsinspekteure, Polizisten und Juristen bestechen, wegzusehen.

Über 90 Prozent der Arbeitsplätze sind im informellen Sektor – Hausarbeit, kleine Gewerbe und dergleichen. Und das kann man schwer kontrollieren.

Kontrast.at: Wie ist es denn mit den Händlern in Europa, die jetzt Produkte aus Lateinamerika, aus Indien, Subsahara-Afrika importieren und verkaufen. Wissen die, dass da Kinderarbeit hinter ihrer Ware steckt? Weiß der kleine Esoterik-Laden, wo seine Räucherstäbchen herkommen?

Benjamin Pütter: Ich behaupte, es interessiert sie einfach nicht. Oder – was ich auch schon erlebt habe – man verdrängt es. Ich habe mit Teppich-Verkäufern geredet, die meinten: „Ich war schon acht Mal in Indien und ich habe noch nie ein Kind an meinen Teppichen gesehen!“ Klar. Der deutsche Importeur kündigt sich an und der Exporteur weiß, dass Kinderarbeit verboten ist. Der schafft die Kinder weg an dem Tag, an dem der kommt. Sonst würd der Importeur ihm ja seine Teppiche nicht abnehmen. Aber ich war viel in den Orten, wo Räucherstäbchen hergestellt werden und ich hab nur Kinder gesehen. Das ist ja auch in entlegenen Dörfern alles, wo sonst niemand hingeht.

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Ein Bub stellt Mundspiegel und Pinzetten aus Metall her. Es sind Werkzeuge, die auch auf deutschen Märkten verkauft werden. (Foto: B. Pütter, zVg)

Kontrast.at: Jetzt verurteilen wir in Europa Kinderarbeit. Aber dennoch ist der Import von Waren erlaubt, in denen Kinderarbeit steckt. Wie kann das sein?

Benjamin Pütter: Weil Gesetzgeber – aber auch Gerichte – sagen: „Wir können doch nicht in die Wirtschaft und in die Produktionsprozesse anderer Länder eingreifen!“ Und damit ist das erledigt. Europäische Länder nehmen die Produkte an und schützen das auch noch. Ich bin auch dran, Lobbyarbeit zu machen, damit Gesetze geändert werden. Kommunen, also Gemeinden, können ja auch aktiv werden. Die deutsche Stadt Freiburg hat zum Beispiel beschlossen, dass sie bei Beschaffungen – zum Beispiel bei Arbeitsbekleidung im öffentlichen Dienst, Pflastersteinen – darauf achten, dass keine Kinderarbeit hinter den Produkten steckt. Und wenn es Verdachtsmomente gibt, muss ein Zertifikat vorliegen, dass Produkte garantiert ohne Ausbeutung von Kindern hergestellt worden sind.

Kontrast.at: Wie sehe ich als Konsumentin denn einem Produkt an, dass es mit Kinderarbeit hergestellt wurde?

Benjamin Pütter: Also ohne Fair Trade-Zertifikat oder ähnliches kann ich davon ausgehen, dass Produkte unter Verdacht stehen, unter schlechten Bedingungen produziert worden zu sein. Das Problem: Es gibt tausende Siegel, ich muss mich da selbst schlau machen. In Deutschland gibt es die Seite label-online.de. Die erklären, ob Siegel verlässlich sind oder nicht. Aber das ist alles Arbeit für den Konsumenten. Kaufentscheidungen werden komplizierter.

Mein Aufruf an Menschen ist daher: Nehmen Sie sich eine Sache vor, die Sie ändern können, wenn es um den Konsum geht. Ob das jetzt der Grabstein, die Küchenplatte oder die Schokolade ist: Achten sie bei einer Sache konsequent darauf, wo es herkommt. Das ändert auch schon viel. Ich kann ja auch mit Bekannten drüber reden und die verändern dann auch eine Sache. Niemand kann perfekt sein, aber irgendwo anfangen, das ist wichtig.

Kontrast.at: Und die Konzerne, die Handelswege, die Zulieferer? Wo setze ich bei denen denn an?

Benjamin Pütter: Unternehmen müssen sich endlich dazu bekennen, bei unabhängigen Siegeln mitzumachen und sich kontrollieren zu lassen. Es bringt nichts, zu sagen: „Ich hab ja eh einen eigenen Kontrolleur, der sagt, alles ist ok“. Das ist unseriös. Da müssen unabhängige Kontrolleure nachschauen und Produktions- und Handelswege kontrollieren.

Kontrast.at: Was wäre aus Ihrer Sicht der politische Weg, um Kinderarbeit abzuschaffen?

Benjamin Pütter: Schulen bauen – ganz klar. Schulen, in denen Kinder ausgebildet werden, vielleicht sogar ein warmes Mittagessen bekommen. Und Arbeitsplätze für die Eltern schaffen. Denn das bekämpft Armut. Und bei Arbeitsplätzen geht es jetzt nicht darum, irgendwelche großen Fabriken wohin bauen zu müssen. Man kann schon mit ganz wenig Kapitaleinsatz viele Jobs schaffen, von denen Familien in diesen Ländern leben können.

Ein Beispiel: In der Nähe eines Steinbruchs in Westindien kommt jetzt jeden Morgen ein LKW in die Dörfer. Der liefert große Teigklumpen an. Die Frauen in den Dörfern bekommen dann jeweils so einen Klumpen und die machen daraus dünne Chips. Die werden ausgelegt, in der Sonne getrocknet, am nächsten Tag abgeholt und dafür kriegen sie dann Geld. Da braucht niemand investieren, da muss keine Fabrik gebaut werden – es ist ein Produkt, das täglich von 1,2 Milliarden Menschen konsumiert wird. Da kann man Arbeitsplätze schaffen.

Oder ein anderes Beispiel: Die Mittelschicht Indiens liebt seit Jahren Honig, denn das ist gesund. Jetzt gibt es natürlich nicht genug Honig. Deshalb kann man Menschen beibringen, wie man Imker werden kann, wie man Bienen züchtet. Da braucht es auch nicht viel Kapital. Und auch damit kann man Geld verdienen. Oder wir bilden ehemalige Kinderarbeiter aus, machen sie zu Schneiderinnen und Schneidern. In Indien ist es üblich, dass man sich Stoff kauft, damit zum Schneider geht und der fertigt dann ein Hemd nach Maß an.

In Indien fahren ja auch Millionen Menschen mit dem Fahrrad. Allerdings sind die Straßen schlecht, es gibt viele Schlaglöcher und schnell hat man ein schiefes Rad. Wir haben ein Übergangszentrum für befreite Kinderarbeiter gegründet – und denen bringen wir bei, wie man Fahrräder repariert. Sie bekommen einen Werkzeugkoffer, damit setzen sie sich an Straßenränder und reparieren Räder. Es kann also sehr einfach auch gehen, wenn man Menschen neue Perspektiven geben will!

Benjamin Pütter

Benjamin Pütter hat undercover in Indien Kinderarbeit dokumentiert – und sich dabei in Lebensgefahr gebracht. Was er gesehen hat und was ihm die Buben und Mädchen in Steinbrüchen, Teppich-Fabriken und Hinterzimmern erzählt haben, hat Pütter öffentlich gemacht. In seinem Buch „Kleine Hände – großer Profit“ zeigt er die Machenschaften auf, die hinter der Ausbeutung von 70 Millionen Kindern weltweit stehen. Pütter zählt heute zu den international führenden Kinderarbeits-Experten. Auf Einladung des Karl Renner-Instituts war er in Wien.

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