Durch Corona hat die Kinderarmut stark zugenommen. Die Regierung lässt Alleinerziehende, Kinder und Familien, die in Armut leben, ohne ausreichend Hilfe durch die Krise schlittern. Immer mehr Erwachsene und Kinder rutschen in die Armut ab. Inzwischen sind fast 800.000 Menschen in Österreich dauerhaft von Armut betroffen, davon 370.000 Kinder.
Ende April wurden nun die neuen EU-SILC-Zahlen für das Jahr 2021 veröffentlicht – eine EU-weite Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen. Es werden Daten zur finanziellen Situation, Arbeit, Gesundheit und Wohnbedingungen gesammelt. So auch zu Österreich. Die Daten zeigen, wie viele Menschen in Österreich von Armut und Ausgrenzung bedroht – und welche Gruppen hier besonders betroffen sind. Auch wenn es viel berechtigte Kritik am Datensatz gibt, können einige Tendenzen der sozialpolitischen Entwicklung in Österreich abgelesen werden.
Im konkreten Fall zeigen sie, dass die Corona-Krise durch Maßnahmen wie Kurzarbeit Erwachsene relativ gut abgefangen werden konnten. Hier ist etwa ein Ansprung der Armutszahlen ausgeblieben.
Die SILC-Daten zeigen aber auch die Leerstellen der Politik der Bundesregierung: Alleinerziehende, Familien in manifester Armut und Kinder. Für sie zeichnen sich jetzt mit der Teuerungswelle schwere Zeiten ab.
Mehr als 1,5 Millionen Menschen armutsbetroffen
Obwohl Österreich eines der reichsten Länder der Welt ist, sind Einkommen und insbesondere Vermögen stark ungleich verteilt. Mehr als 1,5 Millionen Menschen sind hierzulande von Armut und sozialer wie materieller Ausgrenzung betroffen. Das sind 17 Prozent der Bevölkerung.
Als armutsbetroffen gilt, wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens zur Verfügung hat. Diese Schwelle lag 2021 für einen Ein-Personen-Haushalt bei 1.371 Euro pro Monat. In absoluten Zahlen sind das ungefähr 10.000 Betroffene weniger als im Vorjahr. Allerdings liegen die Armutszahlen noch über dem Vorkrisenniveau von 2019.
Besorgniserregend ist, dass 777.000 Menschen, und damit 100.000 Menschen mehr, dauerhaft von Armut betroffen gelten als im Vorjahr. Als dauerhaft arm werden jene Personen erfasst, die bereits im dritten Jahr von Armut betroffen sind. Dieser Anstieg zeigt, dass die Politik insbesondere in Krisenzeiten nicht dazu imstande ist, die Situation von armutsgefährdeten Menschen nachhaltig zu verbessern und die Probleme zu lösen, die Armut verursachen.
Die Corona-Krise hat für viele die Situation der Armut verfestigt, etwa für jene Menschen, die bereits vor der Corona-Krise auf Jobsuche waren.
Sozialleistungen als wichtigste Einnahmequelle: Jede/r Zweite armutsgefährdet
Jene Gruppen, die besonders stark armutsgefährdet sind, verweisen auch auf die Lücke des Sozialsystems: So gilt jede/r zweite Sozialleistungsbezieher/in als armutsbetroffen, wenn diese Leistungen die wichtigste Einnahmequelle darstellt.
Auch Menschen, die länger als sechs Monate arbeitslos waren, sind mit 39 Prozent stärker betroffen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Die Anhebung des Arbeitslosengeldes würde Menschen, die arbeitslos werden, vor einem Abrutschen in die Armut stärker schützen.
Eine Studie der Arbeiterkammer OÖ hat gezeigt, dass beispielsweise vor zwei Jahren 37.300 Personen weniger armutsgefährdet gewesen wären, wenn man die Nettoersatzrate von 55 auf 70 Prozent angehoben hätte. Das hätte auch 6.500 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren aus der Kinderarmut befreit.
7 von 10 Österreicher:innen wünschen sich Anhebung des Arbeitslosengeldes
Die Armutsgefährdungsquote unter den arbeitslosen Personen wäre um 3 Prozentpunkte geringer. Diese Maßnahme, so zeigt eine SORA-Studie im Auftrag der Volkshilfe, unterstützen 7 von 10 Menschen (70%). Besonders hoch ist die Zustimmung bei jüngeren Menschen (15 bis 29 Jahre; 76%) sowie bei Arbeiter:innen (78%). Seit vergangenem Jahr ist die Zustimmung diesbezüglich noch um 11 Prozent gestiegen.
Auch Menschen ohne österreichischer Staatsbürger:innenschaft, Mehrkind-Familien und Personen, die maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen, sind häufiger von Armut und Ausgrenzung bedroht.
Alleinerziehende: Sie haben fast nichts vom Familienbonus
Die großen Krisen-Verlierer:innen unter den Erwachsenen sind laut den neuen EU-SILC-Daten die Ein-Eltern-Haushalte. Sie sind mit 36 Prozent nicht nur besonders häufig von Armut betroffen, bei ihnen ist auch ein enormer Anstieg um fünf Prozentpunkte zu verzeichnen.
Die Corona-Politik der Bundesregierung hat Alleinerzieher:innen, hier vor allem Frauen, besonders hart getroffen. Maßnahmen wie der Familienbonus greifen bei ihnen nicht. Schulschließungen aufgrund fehlender Schutzmaßnahmen und Teuerungen benachteiligen sie wiederum hart. Schon die Kinderkosten-Studie hat gezeigt, dass Ein-Eltern-Haushalte besonders belastet sind, aber in deutlich reduziertem Umfang von familienpolitischen Steuererleichterungen profitieren. Diese Maßnahmen sind demnach kein sinnvolles Mittel gegen Kinderarmut.
Schimmel in feuchten Wohnungen, viel Lärm – das schlägt auf die Gesundheit
Menschen mit niedrigem Einkommen (<60% des Medians) leben eher in Miet- als in Eigentumsverhältnissen (18 Prozent von ihnen haben ein Hauseigentum, 7 Prozent eine Eigentumswohnung) und sie sind häufiger mit schlechteren und gesundheitsschädigenden Wohnbedingungen konfrontiert.
12 Prozent müssen in feuchten und von Schimmel befallenen Wohnungen leben, 19% von ihnen haben mit Lärmproblemen zu kämpfen. Diese Wohnbedingungen haben sich im Vergleich zum Vorjahr zusätzlich verschlechtert.
Das wirkt sich neben Arbeitsbedingungen und anderen Faktoren auch auf die Gesundheit aus. 36% der Personen mit niedrigem Einkommen (<60% des Medians; zwischen 18 und 64 Jahren) leiden unter chronischen Krankheiten, bei der Gesamtbevölkerung sind es 30 Prozent. Auch das subjektive Gesundheitsempfinden ist deutlich schlechter. Ein Umstand, der sich mit höherem Alter zuspitzt. 15.000 Menschen in Österreich hätten 2021 dringend zahnärztliche Behandlung benötigt, konnten diese aber aus finanziellen Gründen nicht in Anspruch nehmen.
Kinderarmut durch Corona: Jeder 4. Armutsgefährdete ist unter 18
Die EU-SILC-Zahlen zeigen, dass Kinder in Österreich in einem besonders hohen Risiko leben, von Armut und Ausgrenzung betroffen zu sein. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren machten im Jahr 2021 ein Viertel (25%) aller Armutsgefährdeten aus: Jede 4. Armutsbetroffene Person ist unter 18 Jahre alt.
In absoluten Zahlen bedeutet das, dass 368.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren im Jahr 2021 armuts- und ausgrenzungsgefährdet waren.
Einkommensarm waren 320.000. Das ist ein Anstieg um rund 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr und ein Plus von knapp 30.000 Kindern in absoluten Zahlen. Gäbe es keine Sozialleistungen in Österreich, wären 2021 statt den 320.000 armutsgefährdeten Kindern 594.000 Kinder in Österreich armutsgefährdet.
125.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind materiell depriviert. Das bedeutet, dass sich ihre Eltern unter anderem das Begleichen von regelmäßigen Zahlungen, das Bewältigen von unerwarteten Ausgaben oder das Warmhalten der Wohnung nicht finanzieren können. Aber auch Güter des alltäglichen Bedarfs, wie eine Waschmaschine, könnten aus finanziellen Gründen nicht vorhanden sein.
Keine Urlaubserinnerungen, Sorgen um die Eltern: Was Aufwachsen in Armut bedeutet
243.000 Kinder und Jugendliche bis 17 Jahren leben in einem Haushalt, der es sich nicht leisten kann, zumindest einmal im Jahr in den Urlaub zu fahren. Konkret bedeutet das für 6 von 10 armutsbetroffenen Kindern, keine Urlaubserinnerungen am Schulanfang teilen zu können. Unsere Forschung zeigt, dass Kinder sehr genau wissen, wenn ihre Eltern finanzielle Sorgen haben und dass sie diese auch mittragen. Sie werden dadurch belastet und sorgen sich um den Fortbestand ihrer Familie.
Es ist eine Schande, dass in Österreich 408.000 Kinder und Jugendliche in einem Haushalt leben, der unerwartete Zahlungen von einer gewissen Summe nicht sofort begleichen kann. 161.000 von ihnen leben in einem Haushalt, der abgenutzte Möbel nicht ersetzen kann. Damit enden aber die Wohnprobleme von Kindern und Jugendlichen nicht.
2021 lebten 202.000 Kinder und Jugendliche bis 17 Jahren in überbelegten, 180.000 Kinder in feuchten, 256.000 in lauten und 78.000 Kinder in dunklen Wohnverhältnissen. 121.000 Minderjährige kämpfen in ihrer Wohnumgebung mit Luft- und Umweltverschmutzung. Armutsbetroffene Kinder sind von diesen schlechten Wohnverhältnissen deutlich stärker betroffen: 38 Prozent der armutsgefährdeten Kinder leben in überbelegten Wohnungen, aber nur 6 Prozent der nicht armutsbetroffenen Kinder und Jugendlichen.
Für zehntausende Kinder gibt es weder Geburtstagsfeier noch Schwimmbad-Besuch
Ein Aufwachsen in Armut bedeutet aber nicht nur eine verringerte materielle Absicherung. Armut wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus – auch auf die soziale Teilhabe. So können sich 7 Prozent der Kinder unter 16 Jahren keine Freizeitaktivitäten leisten, die etwas kosten. Etwa den Schwimmbadbesuch oder das Kino.
15.000 Kinder in einem der reichsten Länder der Welt können sich keine Sportgeräte für draußen (Fahrrad, Roller, Laufrad, etc.) leisten. Für Jugendliche in ländlichen Regionen ist das nicht nur eine Frage der Gesundheitsprävention, sondern auch der Mobilität. Für die Eltern von 14.000 Kindern dieser Altersgruppe ist nicht finanzierbar, besondere Feste wie Geburtstage oder Weihnachten zu feiern und 18.000 Kinder unter 16 können aus finanziellen Gründen keine Freund:innen zum Spielen und Essen einladen. Das bedeutet häufig auch, dass sie seltener zu anderen Kindern eingeladen werden. Für die Eltern von 28.000 Kindern unter 16 Jahren ist es aus finanziellen Gründen nicht möglich, ihren Kindern die Teilnahme an kostenpflichtigen Schulveranstaltungen zu bezahlen, was ihre kulturelle Teilhabe verhindert.
Teuerung verschlimmert jetzt all das
Besonders dramatisch sind die Zahlen, wenn sie vor dem Hintergrund der aktuellen Teuerungswelle gelesen werden. Denn die Teuerung von Lebensmitteln und Ausgaben im Bereich Wohnen treffen Armutsbetroffene besonders. Die geben einen deutlich höheren Anteil ihres Haushaltseinkommens für diese Posten aus und haben weniger Spielraum, Preissteigerungen zu verkraften.
Obwohl 9 von 10 Menschen in Österreich (92%) eine bessere Unterstützung für Menschen mit niedrigem Haushaltseinkommen angesichts der hohen Inflationsrate fordern, passiert hier zu wenig.
Wir brauchen ein Recht auf Energie und damit auch kostenlose Energieversorgung für Armutsbetroffene sowie strukturelle Maßnahmen, um Armut in ihrer Entstehung zu bekämpfen. Für Kinder und Jugendliche würde dies durch eine Kindergrundsicherung gelingen, die allen Kindern und Jugendlichen ein Aufwachsen in Sicherheit ermöglicht.
Mit der schwarzen, mafiösen Brut und ihren rückgratlosen grünen Steigbügelhaltern in der Regierung wird sich diesbezüglich nichts ändern.
Die Entwicklung einer Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit Minderheiten und Tieren umgeht.