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Dürren, Baumwüsten & Hitzetote: So massiv trifft der Klimawandel Österreich

By Addshore - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=113686403

Der Klimawandel ist in Österreich besonders stark spürbar. Während sich global gesehen die Temperaturen seit 1990 um rund ein Grad erhöht haben, sind es in Österreich zwei Grad. Selbst wenn die Pariser Klimaziele erreicht werden, sind die Folgen fatal: Die Gletscher schrumpfen, Hochwasser-Katastrophen treten häufiger auf, mehr Menschen sterben bei Hitzewellen und Dürren werden immer häufiger. Doch aktuell schaut es noch düsterer aus: Alle Berichte zeigen, dass Österreich die Klimaziele verfehlen wird. Denn wichtige Klimagesetze fehlen bis heute.

[Dieser Artikel erschien ursprünglich am 8. September 2021 und wurde am 16. August 2022, am 4. Jänner 2023 sowie am 25. April 2023 aktualisiert.]

Die Folgen des Klimawandels sind unübersehbar. Hagelunwetter und Hochwasser trafen 2021 weite Teile Österreichs. Bei unseren Nachbarn in Tschechien verwüstete ein Tornado das Land – sechs Menschen kamen ums Leben. Im Mittelmeerraum wüteten unterdessen Waldbrände; über 280.000 Hektar Wald wurden von den Flammen geschluckt. In einem normalen Jahr sind es 10.000 Hektar. Der vergangene Sommer war so trocken, dass Donau, Rhein und Po so wenig Wasser führen, dass der Schiffsverkehr teilweise lahmgelegt ist und die Stromversorgung bedroht ist. Die Prognosen sind nicht gerade optimistisch: Derartige Katastrophen drohen zum Normalfall zu werden.

Klimawandel in Österreich doppelt so stark

Österreich ist besonders stark vom Klimawandel betroffen. Hauptursache dafür ist unsere Lage mitten in Europa. Die Luft über Landflächen erwärmt sich deutlich schneller als die über Ozeanen. Doch auch wenn wir die Temperaturentwicklung in Österreich mit dem mittleren Temperaturanstieg der weltweiten Landmassen vergleichen, steigen die Temperaturen bei uns um 20 Prozent schneller. Nicht einmal die Experten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik können sicher sagen, warum das so ist. Höchstwahrscheinlich liegt das aber an der seit 1980 gestiegenen bodennahen Solareinstrahlung. Insgesamt ist die Erderwärmung mit gut 2 Grad doppelt so stark wie im globalen Durchschnitt. Selbst wenn die Pariser Klimaziele mit einer Erwärmung von 1,5 Grad also erreicht werden, müssen wir in Österreich mit einem deutlich höheren Anstieg rechnen. Schon jetzt haben sich die Landschaft und die Jahreszeiten stark durch den Klimawandel verändert und man kann die künftigen Konsequenzen erahnen.

Schon ein Drittel der österreichischen Gletscher sind verschwunden

Besonders deutlich erkennt man die Folgen des Klimawandels an den heimischen Gletschern. Alleine im letzten Jahr sind Österreichs Gletscher um durchschnittlich 15 Meter geschrumpft. Die Pasterze – unser größter Gletscher – hat um 52,5 Meter abgenommen. Der Hornkees in den Zillertaler Alpen hat 104 Meter verloren.

Gletscher gelten als die Thermometer der Erde. Sie zeigen besonders deutlich, wie sich die Erderwärmung konkret auswirkt. In Österreich gibt es noch 925 Gletscher und sie werden immer kleiner. Seit 1969 haben sie um rund ein Drittel an Maße abgebaut. In 15 Jahren, sagen Experten voraus, wird nur noch die Hälfte von ihnen übrig sein und sollte der Klimawandel nicht gestoppt werden, ist Österreich in 80 Jahren gletscherfrei. Selbst die optimistischsten Szenarien, die mit einer starken Reduktion der Treibhausgase rechnen, ergeben, dass nur ein Fünftel der österreichischen Gletscher gerettet werden kann. Durch das Auftauen des permanent gefrorenen Bodens geraten Erd- und Steinmassen leichter ins Rutschen, ganze Berghänge können sich lösen und zur Gefahr werden.

Klimawandel bringt 300 Millionen Euro Verlust für die Tourismus-Industrie

Auch Österreichs Skigebiete drohen zu verschwinden. Pro Grad Temperaturanstieg steigt die Schneefallgrenze um circa 120 Meter. In den nächsten 80 Jahren wird nach derzeitigem Stand die Schneefallgrenze um 300 bis 600 Meter steigen. Das bedroht den Wintertourismus massiv. Eine Karte von Global 2000 verdeutlicht den Rückgang der schneesicheren Skigebiete in Österreich. Das pessimistischste Szenario mit einer weltweiten Erwärmung um 4 Grad ist jenes auf, dass wir gerade zusteuern.

Das wird sich massiv auf den Tourismus auswirken. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Sommertourismus profitiert, wird der für Österreich so wichtige Wintertourismus so stark zurückgehen, dass ein Verlust von 1,5 Millionen Nächtigungen pro Jahr erwartet wird. Das bedeutet für die heimische Tourismusindustrie einen Netto-Verlust von 300 Millionen Euro pro Jahr.

Wie heftig die Auswirkungen für Österreichs Skigebiete und den Tourismus sein werden, kann man schon jetzt sehen. Bilder aus dem Jänner 2023 zeigen grüne Flächen mit weißen Streifen anstelle einer eingeschneiten Berglandschaft.

Österreich Stromversorgung droht zu kollabieren

Foto: Christian Jansky / CC BY-SA 3.0

Die wirtschaftlichen Folgen beschränken sich aber bei Weitem nicht nur auf den Wintertourismus. Sogar Österreichs Stromversorgung hängt von den Temperaturen ab: 28 Prozent des Stroms stammen aus Wasserkraftwerken und genau die könnten in besonders heißen Sommermonaten durch sinkende Pegelstände ausfallen. Wärmekraftwerke wiederum benötigen kühles Flusswasser zur Kühlung – wärmeres Wasser, das auch noch in geringeren Mengen zur Verfügung steht, stellt ein enormes Problem für diese Energieform dar. Aus ihr stammen 20 Prozent. Insgesamt sind damit 48 Prozent der heimischen Energieversorgung an heißen Sommertagen fraglich.

Dürren und Baumwüsten

Foto: Wikicommons / Cameron Strandberg

Auch die Forstwirtschaft wird in Österreich nicht mehr so möglich sein, wie wir sie kennen. Der Borkenkäfer kann sich durch die steigenden Temperaturen ausbreiten und die Fichtenbestände angreifen. Andere Baumarten stehen unter Hitzestress. Gleichzeitig werden Waldbrände immer häufiger: Schon jetzt gibt es jedes Jahr zwischen 100 und 300 Waldbrände in Österreich.

Die Landwirtschaft wird wiederum am zunehmenden Auftreten von Dürren leiden. Was uns erwartet, zeigt der Rekord-Sommer 2015: In Oberösterreich, Niederösterreich und Wien regnete es bis zu 43 Prozent weniger als in normalen Jahren. Alleine in Oberösterreich betrugen die Dürreschäden 100 Millionen Euro. Derartige Sommer könnten zum Normalfall werden, wenn wir nicht entschieden entgegensteuern. Für das Jahr 2050 rechnet Global 2000 mit dürrebedingten Produktionsausfällen in der Landwirtschaft von 1,3 Milliarden Euro. Rechnet man alle wirtschaftlichen Schäden (Landwirtschaft, Tourismus, Strom, Umweltkatastrophen etc..) zusammen gehen Forscher davon aus, dass der Klimawandel ab dem Jahr 2050 in Österreich einen jährlichen Verlust von 8,8 Milliarden Euro in der Wertschöpfung bringen wird – schon jetzt sind es laut Bundesumweltamt 2 Milliarden Euro im Jahr.

Der Neusiedlersee droht zu verschwinden

Foto: Wikicommons / Haeferl

Die geringeren Niederschlagsmengen machen sich schon jetzt deutlich in der Landschaft bemerkbar. Österreichs größter See, der Neusiedlersee, droht auszutrocknen. Er leider auch an einer durch den Klimawandel hervorgerufenen Verschiebung der Niederschläge. Während früher die Sommer trocken waren, waren die übrigen Jahreszeiten niederschlagsreicher. Heute haben sich die Niederschlagsmengen zum Sommer hin verschoben. Da diese aber auch deutlich heißer sind, verdunstete das Wasser schnell und kann nicht in das Ökosystem aufgenommen werden. Das verdunstete Wasser zieht schließlich in Form von Wolken woanders hin weiter. Eines der wichtigsten Ökosysteme für verschiedenste Zugvögel droht so zu verschwinden.

Hochwasser-Katastrophen kommen vermehrt vor

Foto: Gemeinde Walding

Während das Wasser im Neusiedlersee fehlt, kommt es anderswo zu Hochwasser-Katastrophen. Wie dramatisch die Zunahme ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: In den letzten 14 Jahren kam es zu acht schweren Hochwasserereignissen mit Schäden von jeweils über 300 Millionen Euro. In den 20 Jahren davor gab es nur zwei derartige Katastrophen. Es kam auch zu besonders extremen Ereignissen wie dem Hochwasser 2002, bei dem Sachschäden in Höhe von 3 Milliarden Euro entstanden. Die Zunahme hat zwar mehrere Gründe, etwa auch die zunehmende Bodenversiegelung, der Hauptgrund ist aber die Erderwärmung: Warme Luftmassen können mehr Wasser aufnehmen – pro Grad Erwärmung ca. 7 Prozent. Es dauert länger bis Regen entsteht, dieser kommt dann aber in Massen.

Bis zu 9.000 Hitzetote in Österreich

Jedes zusätzliche Grad macht sich in den Städten besonders stark bemerkbar. Verbaute Flächen speichern die Wärme und kühlende Windströme werden unterbrochen. Waren früher in Wien Klimaanlagen in Wohnungen noch die absolute Ausnahme, werden sie heute schon stark nachgefragt. Sie verschärfen das Problem aber noch weiter, da sie zwar das Zimmer kühlen, auf der anderen Seite aber heiße Luft in die Stadt blasen. Die Folgen der Klimakrise in den Städten ist vor allem für die ältere Bevölkerung und Kinder spürbar. Sie leiden unter Schlafstörungen und Gesundheitsproblemen, bis zum Tod. 2018 starben 550 Menschen unter den Folgen der starken Sommerhitze – im selben Jahr gab es „nur“ 409 Verkehrstote. Die Zahlen könnten aber bis 2050 massiv ansteigen: Berechnungen ergeben, dass wir mit zusätzlichen 3.000 Hitzetoten pro Jahr rechnen müssen, in extrem Sommern kann dieser Wert aber bis auf 9.000 Personen steigen.

Österreichs Regierung zahlt lieber Strafzahlungen als Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen

In Österreich ist der Klimawandel also doppelt so stark spürbar wie im globalen Schnitt. Trotzdem hinken wir beim Klimaschutz hinterher. 2019 hat der österreichische Nationalrat zwar den Klimanotstand ausgerufen, die Eindämmung der Klima- und Umweltkrise soll seither höchste Priorität haben. Sogar die ÖVP hat zugestimmt. Trotzdem hat Österreich seit 1.1.2021 keine gesetzlichen Klimaschutzziele mehr. Im April 2021 hat der österreichische Rechnungshof bescheinigt: Behält die Regierung ihren Kurs bei, wird Österreich die EU-Klimaziele deutlich verfehlen. Das Klimaschutzgesetz hätte längst fertig sein sollen, der Entwurf der Grünen liegt seit über einem Jahr auf dem Tisch und wird von der Wirtschaftskammer bekämpft. In Österreich ist es vor allem die Wirtschaftskammer im Bündnis mit der ÖVP, die sich seit Jahren gegen Klimamaßnahmen stemmt. Darum ist Österreich auch erschreckend schlecht beim Treibhausgasausstoß: Sind die Emissionen in der gesamten EU von 1990 bis 2017 immerhin um ein Viertel gesunken, sind sie in Österreich um fünf Prozent gestiegen. Seit 1990 hat Österreich jedes einzelne Klimaziel verfehlt. Weil wir die Kyoto-Ziele (Reduktion der Emissionen um 13 Prozent bis 2012) nicht einhielten, mussten bereits 400 Millionen Euro Strafe gezahlt werden. Weitere neun Milliarden Euro drohen. Geld, das in Klimaschutz-Projekten besser angelegt gewesen wäre.

Das gesteht sich selbst die Regierung ein. Im März 2023 musste Österreich einen Bericht an die EU liefern, wie es um den Klimafahrplan steht. Die Prognose des Umweltbundesamts ist düster: Es zeigt sich ganz klar, dass Österreich aktuell die Klimaziele nicht erreichen wird – weder 2030 die Treibhausgase zu halbieren, noch bis 2050 klimaneutral zu sein. Veröffentlicht wurde der Bericht hierzulande nicht. Klima- und Energieexpertin Jasmin Duregger von Greenpeace kritisiert das scharf:

„Die Bevölkerung hat ein Recht darauf zu erfahren, wie Österreich im Klimaschutz dasteht: Mit dem jetzigen Szenario sehen wir ganz klar, dass wir die Klimaschutzziele krachend verfehlen werden“, sagt sie gegenüber Ö1.

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schmidt karl
schmidt karl
10. Oktober 2023 17:19

Der Klimawandel kann nicht gestoppt werden – bestenfalls verlangsamt. Und das ist alles kein Grund für solch reißerische Beiträge. Weil der geht langsam vor sich und wir können uns drauf einstellen. Sollten wir auch – ist allemal besser als in Schnappatmung zu verfallen. So nebenbei: der Neusiedler See ist bereits mal ausgetrocknet – und da gab es noch keinen von Menschen gemachten Klimawandel. Also bleibt am Teppich und macht was machbar ist.
Wir können die größeren Regenmengen die jetzt immer häufiger niedergehen und die wegen der Bodenversiegelung sofort abrinnen und die Keller der weiter talwärts liegenden Häuser überfluten auffangen. IN Rückhaltebecken oder auch innerhalb von Städten in unterirdischen riesigen Behältern die auch mit Schwerlast befahren werden können. Damit könnten wir die Nachteile der Bodenversiegelung zumindest in diesem Bereich kompensieren.
Wir könnten und sollten überall wo geht Fassaden begrünen. Das gibt auch für Dächer. Doch bisher wird das nicht mal dort gemacht wo Grüne in den Regierungen sind.
Wir könnten Betonbauten mit um 30 % weniger Beton und somit Zement und somit CO2 errichten – das spart tausende Tonnen von CO2. Macht aber niemand – nicht mal dort wo Grüne in der Regierung sind.
Wir könnten und sollen längst alle Straßenränder und Böschungen mit Blumenwiesen ausstatten – anstatt die alle 14 Tage zu mähen. Spart Geld und gibt Insekten Lebensraum.
Wir könnten Parkplätze anstatt diese zu betonieren oder asphaltieren mit Gitterplatten aus Kunststoff ausleben. Dann kann Regenwasser versickern, die könnten begrünt sein und – wenn aus Kunststoff – würde der Rasen nicht verdorren oder verbrennen.
Es gibt hunderte praktikable Ideen – ohne Spinnereien – die aber niemand realisiert weil sie nicht reißerisch für die Medien sind. Das macht mutlos angesichts der Probleme die tatsächlich auf uns warten.

Eva Bodini
Eva Bodini
29. April 2023 13:26

Der Klimawandel wird nicht von Menschen beeinflusst, denn diesen gibt es schon seit Millionen von Jahren. Warum sind eigentlich die Dinosaurier ausgestorben? Haben die etwa zuviel Gas oder Strom oder CO² verbraucht?? Warum lässt sich die Menschheit eigentlich so leicht zu lauter Schwachsinn verleiten, von Menschen die nicht mal einen Beruf erlernt haben und „Experten“ um unser Steuergeld kaufen? Wäre Zeit mal aufzuwachen und diesen ganzen Schund keinen Glauben mehr zu schenken. Im Grunde dreht sich doch alles nur um Macht und Geld. Diese Ideen haben weder Hand noch Fuß. Man klagt über Stromknappheit und möchte nur noch E-Mobilität usw. Man möchte die Natur erhalten, pflastert jedoch alles mit Windrädern (Inhalt Balsaholz, extr.Bodenverdichtung) und Photovoltaikanlagen(kein Grashalm wächst mehr auf diesen toten Flächen) zu. Warum behebt man nicht in den größten Ländern dieser Erde diesen Missstand ?? Warum sollte gerade Österreich als Fliegenschiss auf dem Globus die Welt retten?

Nicole Finsinger
Nicole Finsinger
27. April 2023 12:38

Das Wetter ist aber ein global sich bildendes Phänomen, wenn der Amazonas abgeholzt wird verändern sich Wind – und Regenmassen. Wenn Aufforstung konsequent überall, auch in Europa, betrieben wird, hat das Auswirkungen auf Wind und Regen. Es braucht neue Reformen in den United Nations, um diese Herausforderung global anzugehen und nicht an nationalen Grenzen halt zu machen.

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