Auf den Strombörsen entsteht der Preis nach dem „Merit-Order-Modell“ (zu Deutsch: Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit). Das heißt, der Strompreis orientiert sich am teuersten nachgefragten Kraftwerk. Aber warum ist das so?
Die Stromanbieter, wie etwa der Verbund, müssen eine bestimmte Nachfrage ihrer Stromkunden erfüllen. Sie kaufen zuerst Strom vom billigsten Erzeuger. Das sind in der Regel Erzeuger von erneuerbarer Energie, z.B. Sonne, Wasser- oder Windkraft. Danach kaufen sie vom nächst billigeren Erzeuger und so weiter, bis die Nachfrage gedeckt ist. Das letzte Kraftwerk, von dem Strom gekauft wird, ist also das teuerste in der Reihe. Und nach diesem richtet sich der Preis für den gesamten Strom auf dem Markt.
Das zuletzt eingespeiste Kraftwerk ist in Österreich in der Regel ein Gaskraftwerk. Wenn der Gaspreis steigt, steigt somit auch der Preis für Strom, der z.B. durch Wasserkraft oder Solarenergie erzeugt wird. Da der Preis von fossilen Rohstoffen den Börsenpreis bestimmt und dieser über den Strompreis an die Konsument:innen weitergegeben wird, steht das Modell zunehmend in der Kritik. Ökonom:innen sowie Politiker:innen fordern Eingriffe in dieses System bzw. Preisregulierungen.
Der kurzfristige Handel bestimmt den Preis für den gesamten Strom
Beim Stromhandel unterscheidet man zwei Beschaffungsarten: Den langfristigen und den kurzfristigen Handel. Der größte Anteil des Stroms wird über den langfristigen Handel eingekauft. Dabei wird über sogenannte Termingeschäfte Strom über einen langen Zeitraum im Voraus zu einem festgelegten Preis gekauft.
Allerdings kann Strom nicht gelagert werden und niemand weiß im Voraus, wie viel Strom an einem Tag verbraucht wird. Wenn Stromanbieter also zu viel Strom kaufen, der dann nicht verbraucht wird, machen sie ein Verlustgeschäft.
Über den langfristigen Handel wird deshalb nur eine Strommenge gekauft, die etwas unter der erwarteten Nachfrage liegt. Der restliche Strom wird über den kurzfristigen Handel täglich an der Börse gekauft. Hier kommt das Merit-Order-Modell zur Anwendung. Es sind also nur die Restmengen an Strom, die kurzfristig beschafft werden, die den Preis für den gesamten Strom am Markt in die Höhe treiben, obwohl die Stromanbieter den Großteil des Stroms bereits vor Jahren zu einem viel niedrigeren Preis gekauft haben.
So entstand das Merit-Order-Modell
Eingeführt wurde das Merit-Order-Modell im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 2001. Davor gab es in Österreich lediglich den Verbund, neun Landesenergiegesellschaften sowie kleinere Stadtwerke. Netz, Versorgung und Vertrieb waren bei den jeweiligen Stromanbietern gebündelt und die Preise behördlich festgelegt.
Mittlerweile sind die Stromnetze vom Stromhandel wirtschaftlich getrennt. In Österreich gibt es heute über 60 private Anbieter und über die Strombörse wird international Strom gehandelt.
Österreich war eines der ersten EU-Länder, die den Strommarkt liberalisierten, weitere EU-Staaten folgten. Um mit Strom EU-weit handeln zu können, war es wesentlich, eine gemeinsame Preisbildungs-Basis zu haben. Daher wurde das Merit-Order-System als EU-weite Regelung eingeführt.
Alternativen zum Merit-Order-Modell
Eine andere Art den Strompreis zu bestimmen wäre das Schweizer Modell: In der Schweiz ist der Energiemarkt nicht liberalisiert. Das heißt, die Kund:innen können sich ihren Stromanbieter nicht aussuchen. Bezahlt werden muss genau der Energiemix, der gekauft wird. In diesem Modell gibt es also einen Durchschnittspreis, der für alle gilt.
Da das Merit-Order-Modell jedoch eine EU-Regelung ist, wäre eine EU-weite Änderung am sinnvollsten. Eine Möglichkeit, auf EU-Ebene in das Merit-Order-System einzugreifen, wäre, den Strompreis von Gas oder von allen fossilen Energien zu entkoppeln. Der hohe Gaspreis würde den Preis für den gesamten Strom dann nicht mehr nach oben verzerren.
Genauso könnte man auch festlegen, dass statt dem Preis für das teuerste der Preis für das erste, nicht fossile Kraftwerk den Preis bestimmt, wie es der Energieexperte der Arbeiterkammer, Josef Thomann, vorschlägt.