Bei den Parlamentswahlen in Norwegen im September 2025 ging die sozialdemokratische Arbeiterpartei als Siegerin hervor. Unter anderem, weil sie sich für die Beibehaltung der Vermögenssteuer ausgesprochen hat. Damit zeigt das Land im Norden Europas, wie eine Steuer für die Reichsten funktionieren kann.
Norwegen hat seit über 130 Jahren eine Vermögenssteuer
Die Vermögenssteuer (formuesskatt) gibt es in Norwegen bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts. Damals wuchs der norwegische Staat und die Einnahmen aus Zöllen und Konsumsteuern reichten zunehmend nicht mehr aus, um öffentliche Aufgaben, den Bau von Infrastruktur oder die Verwaltungen zu finanzieren. Deshalb führte Norwegen 1892 neben einer Einkommens- auch die Vermögenssteuer ein, die bereits zuvor auf kommunaler Ebene bestand.
Seitdem sind Vermögenssteuern fester Bestandteil des norwegischen Steuersystems. Immer wieder wurde sie angepasst, doch das Grundprinzip blieb: Wer viel Vermögen hat, trägt stärker zur Finanzierung des Staates bei.
Eine simple Steuererklärung: So funktioniert die Vermögenssteuer
Alle Personen mit einem Nettovermögen von über 1,76 Millionen norwegische Kronen (etwa 150.000 Euro) zahlen Vermögenssteuer. Für Paare gilt der doppelte Freibetrag. Dieser Betrag ist für alle Norweger:innen steuerfrei. Insgesamt liegt die Steuer bei rund 1,1 Prozent – wobei etwa die Hälfte (0,525%) den Gemeinden zugutekommt und die andere Hälfte an den Staat geht (0,475%, bei sehr hohen Vermögen 0,575%).
Zum Vermögen zählen insbesondere Immobilien, Aktien und Unternehmensbeteiligungen. Bei der Bewertung wird der Marktwert herangezogen – allerdings gibt es zum Teil hohe Abschläge. Beim Hauptwohnsitz zum Beispiel -75% (außer bei sehr teuren Immobilien), bei Betriebsmitteln -30% oder bei Aktien -20 %. Schulden werden vollständig abgezogen.
Im Grunde funktioniert die Einhebung wie die Steuererklärung in Österreich. Die Norweger:innen geben in ihrer jährlichen elektronischen Steuererklärung ihre großen Vermögenswerte an, die online überprüft werden – etwa durch Querverweise zu Banken oder Immobilienregistern. Viele Vermögenswerte wie etwa Bankguthaben oder Wertpapiere sind bereits von den Banken, Versicherungen oder Arbeitgebern selbst vorab ausgefüllt. Bei besonders großen Vermögen oder Auffälligkeiten können detailliertere Nachweise verlangt werden (etwa Gutachten oder Verträge). Macht man absichtlich falsche Angaben, um keine Steuer zu zahlen, drohen Strafen oder sogar Strafverfahren.
Milliarden für Staat und Gemeinden: für Gesundheit, Bildung und Infrastruktur
2023 zahlten etwa 655.000 Personen eine Vermögenssteuer – das sind die reichsten 12 Prozent der Bevölkerung. Im Schnitt waren es 44.000 Kronen (3.800 Euro), wobei der größte Teil von den Allerreichsten des Landes kommt. Der reichste Mann Norwegens, Gustav Magnar Witzøe, hatte 2023 ein Vermögen von 30 Milliarden Kronen und zahlte 330 Millionen Kronen an Vermögenssteuer. Dem Staat bringt das jährlich rund 32 Milliarden Kronen ein – etwa 2,7 Milliarden Euro.
Das Geld fließt direkt in den allgemeinen Staatshaushalt. Damit finanziert Norwegen das öffentliche Gesundheits- und Bildungssystem sowie Infrastruktur und kommunale Leistungen. Ein großer Teil geht direkt an die Gemeinden, die so stabile Einnahmen haben. Insgesamt machen die Einnahmen in dem erdölreichen Staat etwas mehr als 1 Prozent der gesamten Steuereinnahmen aus.
Höhere Vermögenssteuer brachte mehr Arbeitsplätze
2023 hat die sozialdemokratische Arbeiderpartiet die Vermögenssteuer um 0,05 Prozent erhöht und Bewertungsrabatte gesenkt. Sie begründet das damit, dass auch die Reichsten einen Beitrag zur Gesellschaft leisten sollen und die Ungleichheit abnimmt.
„Die Arbeiterpartei hat die Vermögenssteuer präziser und gerechter gestaltet, indem sie die reichsten Bürger Norwegens mehr zahlen lässt, während etwa 85 Prozent der Bevölkerung keine Vermögenssteuer zahlen“, erklärt die Partei auf ihrer Website.
Gegner der Vermögenssteuer, vor allem Superreiche und die konservative Høyre-Partei, warnten damals, dass reiche Norwegerinnen und Norweger ins Ausland ziehen würden. Tatsächlich gibt es Beispiele für Auswanderung: Manche Reiche verlagerten ihren Wohnsitz in die Schweiz. Doch eine neue Harvard-Studie zeigt, dass die Mehreinnahmen aus der erhöhten Steuer deutlich größer sind als die Verluste durch Wegzug oder Steuervermeidung. Unterm Strich brachte die Reform also mehr Geld für den Staat.
Eine weitere Studie legt außerdem nahe, dass eine höhere Vermögenssteuer zu mehr Arbeitsplätzen führt. Die Studie wurde 2020 von der rechten Regierung selbst in Auftrag gegeben und kam zu dem Schluss, dass es dadurch für Eigentümer rentabler wird, in das Unternehmen zu investieren, anstatt sich hohe Dividenden und Löhne auszuzahlen.
„Das wichtigste Ergebnis dieser Analyse besteht darin, dass eine erhöhte Vermögenssteuer für Mehrheitseigentümer in kleinen und mittleren Unternehmen in Privatbesitz im Durchschnitt zu einer Erhöhung der Beschäftigung in dem Unternehmen beiträgt, das ihnen gehört“, heißt es in dem Bericht des Frisch Center und des Center for Tax and Behavioral Research der NMBU .
Bei Parlamentswahlen stimmte man in Norwegen für die Vermögenssteuer
Bei den Parlamentswahlen im September 2025 war die Frage zur Beibehaltung oder Abschaffung der Vermögenssteuer ein zentrales Wahlkampfthema. Stärkste Kraft wurden die Sozialdemokraten mit 28 Prozent, die sich für die Beibehaltung der Steuer einsetzten. Während die Rechtspopulisten mit knapp 24 Prozent zweitstärkste Kraft wurden, stürzte die Konservative Partei Høyre mit einem Minus von rund 6 Prozent auf 14,7 Prozent ab. Letztere setzte sich für die Abschaffung der Vermögenssteuer ein. Auch wenn andere Themen wie die Außen- und Sicherheitspolitik, die Energiepolitik oder die Lebenshaltungskosten eine große Rolle spielten, nannte der Steuerrechtsexperte Andrew Leahey die Parlamentswahl praktisch ein „Referendum über die Vermögenssteuer des Landes“. Die Norweger:innen haben sich entschieden: Die Steuer bleibt.
„Ein einzelner Staat kann den Beweis erbringen, dass die Besteuerung von Vermögen administrativ möglich und politisch überlebensfähig ist. Dass Norwegen seine Version sowohl gegen die Wutausbrüche von Milliardären als auch gegen populistische Gegenreaktionen verteidigt hat, sollte im globalen Kontext nicht unterschätzt werden“, sagt Leahey.
Mit einer Vermögenssteuer könnte Österreich 3 mal sein komplettes Justizsystem finanzieren