Arbeit&Corona

Chef will Praktikanten nicht bezahlen – Der Fall von Paul und Felix

Junge Menschen werden im Praktikum oft ausgenutzt. Ihnen wird eine Stelle versprochen, bei der sie viel lernen können, und für die sie ein ordentliches Gehalt bekommen. Die Realität ist dann oft eine andere. Für viele Chefs sind Praktikanten billige Arbeitskräfte, die sie die Tätigkeiten machen lassen, die sonst niemand im Unternehmen erledigen möchte. Das mit der Bezahlung wird dann oft auch nicht so eng gesehen – wie etwa im Fall von Paul* und Felix*.

Letzten Freitag habe ich mit Paul telefoniert. Paul ist 27 und am Ende seines Publizistik-Studiums. Letztes Jahr haben wir uns bei einer Veranstaltung zufällig kennengelernt. Der Paul ist eigentlich politisch ganz anders gepolt als ich und definiert sich als „Liberaler“. Wir haben uns aber gut verstanden und am Ende des Abends Nummern ausgetauscht. Im Dezember hat er sich bei mir gemeldet, obwohl ich erwartet habe, nie wieder was von ihm zu hören – und mich um Hilfe gebeten.

Falsche Versprechen

Paul hat als Werbetexter im Social Media Bereich ein Praktikum bei einer Marketingagentur gemacht. Vor dem Praktikum wurde ihm das Blaue vom Himmel versprochen: Gute Bezahlung, gratis veganes Essen vom hippen Bio-Restaurant, guten Kaffee und immer frisches Obst. Im Endeffekt gab es mauen Filterkaffee, Obst gab es nicht – das hippe Essen musste er sich selbst kaufen.

Bereits im Dezember habe ich mir ein Duell mit dem Agentur-Inhaber geliefert– denn was sie „Praktikum“ nannten, war in Wahrheit ein Arbeitsverhältnis. Er meinte: Diese Gewerkschaft und die „scheiß“ Arbeitsrechte würden ihn in seiner Arbeit und Kreativität stören. Nach einem Telefonat mit seinem Rechtsanwalt war klar, die Firma muss bezahlen. Nach endlosen Debatten zahlte die Firma 1.500 Euro.

praktikum gehalt kein gehalt

Immer wieder kommt es vor, dass Chefs beim Gehalt von Praktikanten tricksen oder gleich gar kein Gehalt zahlen.

Chef will Praktikum nicht zahlen

Nun hat mich Paul angerufen, weil sich Felix bei ihm gemeldet hat. Der Felix ist sein Nachfolger in der Werbeagentur, auch Student der Publizistik. Auch ihm wurde versprochen, dass er Kaffee und vegane Mittagsmenüs gratis bekomme – und eine gute Bezahlung. Felix braucht die versprochenen 1.000 Euro vom Praktikum dringend, um einige Rechnungen zu bezahlen.  Der Agenturbesitzer hat das mitbekommen und versucht das auszunutzen: „Ich geb‘ dir 700 statt der 1.000 Euro. Wenn du willst, kannst du klagen, doch das dauert Monate.“

Jetzt warte ich sehnsüchtig auf Felix Zustimmung, dass ich mir Stefan und seine beschissene Agentur wieder zur Brust nehmen darf.

(*Name geändert)

Newsalert

Kostenlos anmelden und keinen Artikel mehr verpassen. Jetzt auch Telegram!

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
Chef will Praktikanten nicht bezahlen – Der Fall von Paul und Felix

Top Themen

Wir recherchieren und überprüfen die Inhalte und Fakten in unseren Beiträgen. Du hast trotzdem einen Fehler entdeckt? Bitte schick uns eine Nachricht.
2 Comments
Kommentare abonnieren
Benachrichtigungen:
guest
Mehr zum Datenschutz finden Sie in unserer Datenschutzerklärung
Unangemessene Kommentare können hier gemeldet werden.
2 Kommentare
Neuste
Älteste Beste
Inline Feedbacks
View all comments
xx1xx
xx1xx
29. November 2020 01:00

Der Praktikant muss froh sein, wenn er nicht noch etwas bezahlen muss wird sich das Unternehmen denken. Schließlich erhält er als Publizistik Student eine Top-Story mit einer „smoking gun“. Riecht der zweite geschilderte Fall doch nach Erpressung mit jahrelangen Haftstrafen. Ich denke die Staatsanwaltschaft wird diesem Verdacht längst auf den Grund gegangen sein und umfangreiche Ermittlungen eingeleitet haben. Hier gibt es ja keine anonymen Gehaltszahlungen über die der Dienstgeber sich verstecken könnte. Dann können auch Zeugen vernommen werden, Vergleichsfälle in der Firma ausgeforscht werden…

GRAFFITIARTIST
GRAFFITIARTIST
25. November 2020 08:46

Hi Christian,
toller Beitrag. Vielen Dank dafür.
Lieben Gruß, Christoph

Top