Arbeit & Freizeit

Corona zeigt, wie schlecht Arbeitsbedingungen in Österreich sein können – SPÖ präsentiert Plan für bessere Arbeit

Zuerst waren es Leiharbeiter bei der Post, dann Erntehelfer und dann Arbeiter in der Fleischindustrie: Die Corona-Cluster poppen immer öfter dort auf, wo die Arbeitsbedingung schlecht sind, die Bezahlung mies – und wo die Öffentlichkeit kaum hinschaut. Es ist zynischerweise Corona zu verdanken, dass Licht auf die prekären Arbeitsverhältnisse fällt, und nun einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird, unter welchen Bedingen auch in Österreich gearbeitet wird. Die SPÖ möchte die Arbeitsbedingungen jetzt verbessern, und zwar nachhaltig.

Prekär nennt man Arbeitsverhältnisse, die nicht mehr nach dem lange gültigen Schema vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber funktionieren. Wer regulär angestellt ist, ist sowohl kranken- als auch pensionsversichert und bekommt seinen Lohn auch, wenn er krank zu Hause ist oder Urlaub macht. Im Falle einer Kündigung ist er mit Fristen geschützt und bekommt Arbeitslosengeld. Doch immer mehr Jobs funktionieren nicht mehr nach diesem Schema. Sei es, weil man weniger als geringfügig verdient, weil man Leiharbeiter ist, oder mittels freier Dienstverträge oder Werkverträge zum „neuen Selbstständigen“ wird. Die Verantwortung wird bei diesen atypischen Arbeitsverhältnissen vom Unternehmen auf den Arbeitnehmer abgeschoben.

Laut Statistik Austria sind in Österreich fast 1,2 Millionen Menschen a-typisch beschäftigt.

Leiharbeit steigt

Das Konzept der Leiharbeit ist nicht neu. Doch die Arbeitskräfteüberlassung, wie es juristisch heißt,  sollte eigentlich nur der Abdeckung von Auftragsspitzen dienen. Doch die Zahl der Menschen, die als Arbeitskraft verliehen werden, stieg in den letzten Jahrzehnten. Etwa 80.000 Menschen gehen einer Leiharbeit nach.

Leiharbeit funktioniert folgendermaßen: Ein Arbeitnehmer ist bei einem anderen Unternehmen angestellt als dem, in dem er tatsächlich die Arbeit verrichtet. Der Verleiher kümmert sich um das Gehalt und Lohnnebenkosten des Mitarbeiters und vermittelt ihn an eine Firma. Die Firma zahlt dann kein Gehalt, sondern eine Verleihgebühr. Arbeitsrechtliche Beschränkungen fallen damit mit wenigen Ausnahmen für den Entleiher weg. Den Vertrag können die zwei Firmen beliebig gestalten. Kündigungsschutz hat der Arbeitnehmer nur gegenüber der verleihenden Firma. Das ist für den Arbeitnehmer an sich noch kein Problem. Doch diese Konstruktion erlaubt den Firmen, sich nicht an die Kollektivverträge zu halten. So können in einer Fabrik zwei Arbeiter die nebeneinander am Fließband stehen, dieselbe Tätigkeit verrichten, und trotzdem verdient einer das doppelte bei kürzeren Schichten als sein Nachbar.

Damit wird die Leiharbeit nicht nur zum Instrument, um Auftragsspitzen zu bewältigen, sondern auch, um Kollektivverträge zu umgehen. Gerade in Betrieben, in denen gute Arbeitsbedingung lange und hart erkämpft wurden, wird das zum Problem – auch für die Stammbelegschaft.

Scheinselbstständige bei der Post

Der Postgewerkschafter Helmut Köstinger kennt das Problem: „Bis zu dem Corona-Vorfall wussten wir in der Belegschaft nicht einmal, dass 50 Prozent der Kollegen in Hagenbrunn und Inzersdorf von Leasingfirmen kommen. Es gab im Betrieb immer das Einverständnis: Leiharbeit darf nur die Ausnahme sein.“ Doch diese Abmachung entspricht nicht der Realität:

„Seit der Teilprivatisierung der Post wurde reguläres Personal im großen Stil abgebaut und durch Leiharbeitskräfte und Scheinselbstständige ersetzt“, sagt die Gewerkschafterin und Prekarisierungsexpertin Veronika Bohrn-Mena. Das Ergebnis war eine Schar an scheinselbstständigen Postlern, die pro Paket etwa 43 Cent verdienen. „In der Praxis heißt das: 150 Pakete pro Tag, sonst bekommen sie keine neuen Aufträge. Am Ende des Tages sind das 75 Euro und Schichten von 12-14 Stunden.“

prekäre arbeitsverhältnisse auch bei der post

Seit der Teilprivatisierung steigen die prekären Arbeitsverhältnisse bei der
Post.

Werkverträge am Schlachthof

Wie eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Karin Dollinger der SPÖ Salzburg zeigt, sind bei einer der größten Schlachtfabriken Österreichs in Bergheim bei Salzburg von 330 Beschäftigten nur 130 Beschäftigt direkt bei der Firma Alpenrind angestellt. Weitere 200 Beschäftigte arbeiten als sogenannte „Selbstständige“ auf Werkvertragsrechts. Für sie gilt kein Mindestlohn, keine Höchstarbeitszeit und kein Wochenende. Sie haben keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub oder Arbeitslosengeld. Und was nun durch Corona zu einem ernsten Problem für uns alle wird: Sie können sich keinen Krankenstand leisten.

„Ausgebeutete, scheinselbstständige Beschäftigte ohne Rechte müssen sich krank in die Arbeit schleppen, um stundenlang in eisiger Kälte ohne Tageslicht zu arbeiten. Bezahlt werden sie nicht nach Zeit, sondern nach der Menge der Leiber, die sie zersägt haben“, schreibt Veronika Bohrn-Mena.

Dabei wissen wir mittlerweile, dass das Virus sich in den fleischverarbeitenden Betrieben besonders schnell ausbreiten kann. Das liegt daran, dass in dieser Branche bei maximal 12 Grad gearbeitet wird. Aufgrund der Kälte sind die Atemwege bereits gereizt und anfällig für das Virus. Außerdem wird dort eng nebeneinander gearbeitet und es ist laut. Die Mitarbeiter sind gezwungen, sehr laut zu reden, was auch die Aerosol-Bildung begünstigt. Die Gewerkschaft berichtet in der Branche auch von zunehmender Leiharbeit und beengten Unterkünften für ausländische Arbeitskräfte.

Dass Menschen jahrelang im Akkord Schweinehälften in Kühlhallen zerlegen und ihr Lohn dafür von der Produktivität abhängt, widerspricht auch ohne Corona-Krise der Idee des Werkvertrages. Deutschland hat bereits aus der Krise gelernt und beschloss letzte Wochen das Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie.

 SPÖ schlägt einen Drei-Punkte-Plan vor

Die SPÖ verlangt nun auch für Östtereich eine gesetzliche Beschränkung von Leiharbeit und Werkverträgen. „Die Arbeitskräfteüberlassung war ursprünglich als Mittel zur Abdeckung von Auftragsspitzen gedacht. Sie wird aber zunehmend als Geschäft auf Kosten der Arbeiter und Arbeiterinnen genutzt. Das wollen wir unterbinden“, sagt der SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch. Die SPÖ fordert, dass maximal 10 Prozent einer Belegschaft Leiharbeiter sein dürfen. Nach spätestens nach 18 Monaten muss der Arbeitgeber den Leiharbeiter in die Stammbelegschaft übernehmen. Außerdem sollen mehr Mittel in den Sozial-und Ausbildungsfonds für Leiharbeiter fließen. In der heimischen Fleischindustrie sollen nach deutschem Vorbild Werkverträge ganz verboten werden.

Auch für Erntehelfer soll es Verbesserungen bei Arbeitsbedingungen und Unterbringung geben. Dazu gehört zum einen eine ordentliche Bezahlung: Flächendeckend sollte es einen Mindestlohn von 1.700 Euro monatlich geben (derzeit sind es je nach Bundesland etwas unter 1.500 Euro). Und statt Stockbettlagern sollen die ArbeitnehmerInnen in Einzelzimmern untergebracht werden, auch, um das Infektionsrisiko zu mindern.

Zuletzt forder die SPÖ, dass diese und auch bereits existierende Maßnahmen engmaschig kontrolliert werden. Dazu soll die Zahl der Arbeits-Inspektoren von derzeit etwa 300 auf 350 aufgestockt und die Finanzpolizei um 170 Planstellen aufgestockt werden. Unter Türkis-Blau wurde hier eingespart.

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