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Sturm aufs Kapitol: Die Republikaner haben gemeinsam mit Rechtsextremen die Demokratie angegriffen

Donald Trump hat verloren – und zwar eindeutig. Nach seinen vier Jahren im Amt hat seine republikanische Partei nicht nur den Präsidenten an die Demokraten verloren, sie haben auch die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus verspielt. Eine Mehrheit, die sie seit Obama-Tagen besaßen. Am Tag der Kapitol-Besetzung wurde bekannt, dass zwei Senatoren in Georgia von den Republikanern an die Demokraten gehen. Diesen Sieg im konservativen Georgia wollen die Hardliner unter den Republikanern nicht akzeptieren.

Trump rief zum Marsch auf das Kapitol auf

Zuerst die verlorene Präsidenten-Wahl und jetzt noch die Niederlage im Senat. Das dürfte die radikalisierten Trump-Anhänger über alle Maßen enttäuscht haben. Als der Präsident am Mittwoch ein paar tausend Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme aus dem ganzen Land in Washington empfängt, spricht er von Wahlbetrug und fordert seine Anhänger zum Marsch auf das Kapitol auf.  Der Mob stürmt das Gebäude. Die Trump-Leute klettern die Fassaden hoch, schlagen die Fenster ein und dringen in die Büros der Abgeordneten ein – die Polizei steht ihnen dabei kaum im Weg.  „Wir haben das Gebäude übernommen, sie konnten uns nicht aufhalten und wir werden es wieder tun“, sagt ein Teilnehmer. Die Bilder sind surreal: Eine Motorradgang in Barbaren-Kostümen besetzt das Kapitol und vertreibt Abgeordnete – alles wird auf Selfies festgehalten. Der mächtigste und teuerste Sicherheitsapparat der Welt steht ein paar tausend Wildgewordenen stundenlang tatenlos gegenüber. Am Ende des Tages gehen die Besetzer nachhause, nur 50 Festnahmen gibt es vorerst. Vier Menschen haben in den Tumulten das Leben verloren. 

Kommentatoren sprechen von einem Putsch, einem Coup oder einem rechtsextremen Aufstand. Trumps Art seine Anhänger aufzuhetzen, wird immer öfter faschistoid genannt. Klingt hart, aber Trump hat in den letzten vier Jahren mit faschistischen Methoden experimentiert: Er hat die außerparlamentarische extreme Rechte kulturell und organisatorisch gestärkt und in die Mitte geholt. Den Rechtsextremen Proud Boys hat er im Fernsehen geraten, sich bereitzuhalten. Er hat Bündnisse zwischen Verschwörungstheoretikern, Rechtsextremen und Teilen der republikanischen Partei aufgebaut, um eine Kultur der Gewalt, des Rassismus und der Grausamkeit zu befördern – gegen Liberale, Linke und Minderheiten. Dieses Bündnis ist nicht am Ende. Die eindeutige Niederlage Trump bei den Wahlen schwächte es zwar, doch Trump hat bereits wissen lassen: Der Kampf geht weiter. Die spektakulären Bilder und die Duldung der Polizei dürften bei den weiteren Rekrutierungen helfen.

Polizei: Brutal gegen Anti-Rassisten, zahm gegenüber Putschisten

Der Mob wurde von Trump nach Washington eingeladen. Er und nicht wenige republikanische Abgeordneten und Senatoren haben ihn angefeuert. Im Kapitol wollten sie das Wahlergebnis anfechten – Abgeordnete durch ihre Stimme, Demonstranten durch Gewalt. Was das Vorgehen der Polizei betrifft, drängen sich Vergleiche mit den antirassistischen Demonstrationen der Black Lives Matter-Bewegung auf – vor wenigen Monaten ging die US-Polizei brutal gegen die Demonstranten vor.

“Jede andere politische Bewegung wäre abgewehrt worden – und zwar brutal, mit maximal überzogener Gewalt”, schreibt der politische Kommentator Richard Seymour auf Patreon.

Doch beim Angriff der rechten, weißen Männer auf die US-Demokratie gibt es Videos, auf denen die Polizei von DC den Besetzern die Absperrungen sogar von selbst öffnet. Polizisten machten Selfies mit den Besetzern. Bei Demonstrationen von Schwarzen oder Umweltaktivisten kaum vorzustellen. Erst Stunden später taucht die Nationalgarde auf – offenbar gegen den Willen Trumps. Die Allianz zwischen Rechtsextremen und der US-Polizei war in den letzten Jahren immer wieder Thema. Ein Report sieht die Polizei auch in Washington von Rechtsextremen infiltriert. Die Black Lives Matter Proteste wurden in manchen Bundesstaaten sowohl von der Polizei als auch von einem rechtsextremen Mob angegriffen. Die extreme Minderheit konnte gezielt Aktivisten terrorisieren.

Weiße Identitätspolitik, um konservative Wirtschaftspolitik durchzusetzen

Der gescheiterte Putsch ist auch das Resultat des „konservativen Dilemmas“, wie es der Harvard Politikwissenschaftler Daniel Ziblatt nennt. Konservative Parteien wie die Republikaner vertreten die Interessen der Geld-Eliten gegen die breite Mehrheit, brauchen aber die Stimmen dieser Mehrheit. Und daraus gibt es in Zeiten steigender sozialer Ungleichheit nur drei Auswege: Die Politik für die Reichsten und Mächtigen aus dem Programm streichen (was keine konservative Partei bisher getan hat), durch Rassismus, Nationalismus und weiße Identitätspolitik vom eigentlichen politischen Programm abzulenken oder die Demokratie insgesamt zu schwächen oder untergraben. Das beschrieben die Politikwissenschaftler Jacob Hacker and Paul Pierson in ihrem neuen Buch. Rassismus und weiße Identitätspolitik als einziger Ausweg, um den Menschen unbeliebte Wirtschafts- und Sozialpolitik zu verkaufen – darauf setzen viele Rechtspopulisten und das ist Trump zumindest eine Zeit lang gut gelungen.

US-Kapital wendet sich von Trump ab

Am Ende seiner Amtszeit geht es Teilen des US-Kapitals und der Republikaner wie dem Zauberlehrling: Die Geister, die sie riefen, werden sie nicht mehr los. Die Republikanische Partei ist zutiefst zerrissen: Langjährige Weggefährten wie Trumps Vizepräsident Mike Pence haben sich in letzter Sekunde abgewandt und werden von Trump jetzt „Verräter“ genannt. Für Pence, Lindsey Graham oder Ted Cruz ist ihre Abkehr von Trump in letztere Sekunde gut für die politische Karriere: Sie können die nächsten rechts-außen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner werden.

Im Hintergrund haben sich viele Großspender und US-Unternehmer längst von Trump abgewandt: Am Mittwoch hat etwa die Industriellen-Vereinigung National Association of Manufacturers Vizepräsident Pence dazu aufgerufen, Trump per 25. Verfassungszusatz abzusetzen. Zu Beginn von Trumps Amtsperiode haben sich viele von ihnen noch über gigantische Steuersenkungen und den Abbau von Umwelt- und Sozialstandards gefreut. Der Chef des Erdöl-Konzerns ExxonMobil Rex Tillerson war Anfangs sogar einer von Trumps Ministern. Im Corona-Jahr hat Trump sie aber enttäuscht: Der Republikaner war wie viele Rechtspopulisten nicht in der Lage, eine Krise in diesem Ausmaß zu managen – und für wirtschaftliche und politische Stabilität zu sorgen.

Bleibt die Republikanische Partei in den Händen der Extremisten?

Im Interesse ihrer Großspender will sich die republikanische Partei jetzt wieder als verlässlicher Partner der großen Kapital-Gruppen im Land formieren. Ob das gelingt, ist unklar. Das Bündnis aus ökonomisch Konservativen, Christlich-Evangelikalen und weißen Überlegenheits-Ideologen scheint vorerst noch stabil zu sein.

Trump wird seine revanchistischen Aufrufe nicht stoppen – und wohl ein paar Kongress-Abgeordnete auf seiner Seite behalten: Twitter und Facebook haben seine Beiträge zwar gesperrt, aktuell kommuniziert er über andere Accounts. Dort erklärt er, die Ereignisse seien „erst der Beginn unseres Kampfes“, um Amerika wieder „Great“ zu machen. Aktuelle Umfragen zeigen, dass 45 Prozent der republikanischen Wähler den Angriff auf das Kapitol befürworten. 30 Prozent nennen die Putschisten sogar „Patrioten“. Trump, die Republikaner und ihre Großspender haben den Nährboden für diese politische Kultur bereitet.

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hermann
hermann
11. Januar 2021 21:38

Es gab noch niemanden außer Adolf Hitler der seine Anhänger zu solchen Taten anstacheln konnte. Ich gebe den Politikern in Amerika recht, der Mann ist absolut gefährlich und gehört aus dem Amt entfernt. Er ist absolut unberechenbar.

Mike Hammer
Mike Hammer
8. Januar 2021 12:00

Es ist trotzdem HÖCHST merkwürdig, dass genau an dem Tag, an dem im Catitol der größten Militärmacht der Welt, die formelle Präsidentenwahl stattfand und Hunderttausende davor demonstrierten, die Polizei ungünstigerweise kaum präsent war um das Gebäude zu schützen.
Da ist es ja schwieriger in einen Supermarkt ohne Maske zu kommen, als in das Capitol während der Präsidentwahl zu gelangen…

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