Taxi-Streik, Foto: Kontrast
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Taxi vs. Uber eskaliert weiter: Regierung erlaubt Lohndumping

Hunderte Taxifahrer demonstrierten am Wiener Ring, Gewerkschafter und Taxigewerbe liefen Sturm – dennoch haben ÖVP, Grüne und Neos eine Taxi-Novelle beschlossen, die Lohn- und Preisdumping für US-Konzerne auf Österreichs Straßen zulässt. In letzter Sekunde haben sie die geplante Angleichung von Uber-Fahrern an Taxi-Fahrer wieder aufgehoben, die im Jänner 2021 in Kraft getreten wäre. Gewerkschafter Karl Delfs fürchtet, dass sich die Arbeitsbedingungen für Taxilenker durch den enormen Preisdruck weiter verschlechtern werden. 

Seit sechs Jahren setzt der US-Fahrtendienst Uber Österreichs Taxifahrer unter Druck. Die US-Firma arbeitet mit zahlreichen Mietwagenunternehmen und über 2.000 Fahrern zusammen. Die Fahrt kann per Smartphone gebucht werden, der Fahrpreis ist im Unterschied zum Taxi nicht fix: Im Wagen gibt es keinen Taxameter, den Preis legt alleine Uber fest. Und da geht es vor allem um eines: Den Preiskampf mit anderen Taxi-Services zu gewinnen. Das geht zulasten der Fahrer.

1.200 Euro brutto – für 60 Stunden, ohne Krankenstand und Urlaub

Schon Taxi-Fahrer sind keine Gutverdiener, der Mindestlohn liegt bei gerade einmal 1.500 Euro brutto, bei einer 60-Stunden-Woche mit Nacht- und Wochenendschichten kann man um die 2.000 Euro brutto verdienen. Doch selbst davon sind die Uber-Fahrer weit entfernt: Dinko fährt für Uber. Für eine Fahrt bekommt er zwischen 2,50 und 25 Euro – 25 Prozent davon gehen an Uber. Von dem, was ihm bleibt, muss er die Wagenmiete und den Tank zahlen. Dazu kommt die Sozialversicherung, die er als Selbständiger selbst bezahlt. Bei einer 60- bis 70-Stunden-Woche kommen Uber-Fahrer auf 1.200 bis 1.500 Euro – ohne Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, ohne Krankenstand oder Urlaubsanspruch.

„Durch diese Konkurrenz rutschen die Taxler ins Prekariat ab, so billig kann man einfach keine Fahrten anbieten. Das ist nichts anderes als Lohn- und Sozialdumping“, sagt Karl Delfs, Sekretär des Fachbereichs Straße der Gewerkschaft vida.

Heimische Taxiunternehmen beschweren sich seit 2014 über den unfairen Wettbewerb mit dem amerikanischen Mietwagenkonzern, dessen Preise zu oft den Taxameterpreis unterschreiten. Die Kampfpreise machen Kapitalspritzen von Goldman-Sachs und aus Saudi-Arabien möglich. Mit extrem niedrigen Fahrpreisen sollen die Konkurrenten vom Markt gedrängt werden. Die anfänglichen Verluste akzeptiert Uber beziehungsweise kompensiert sie über die schlechte Bezahlung der scheinselbstständigen Fahrer. Das Sozialministerium äußerte in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung aus dem Jahr 2017 „den Verdacht auf Lohndumping, Sozialbetrug und auf Abgabenhinterziehung“ bei Uber.

Regierung schafft Verbesserungen für Uber-Fahrer wieder ab

Im Juni 2019 hätte das Parlament dann dem Preisdumping in der Taxi-Branche ein Ende bereitet: Nachdem die schwarz-blaue Koalition zerfallen ist, beschlossen SPÖ, FPÖ und ÖVP im freien Spiel der Kräfte, dass Uber-Fahrer künftig mit Taxi-Fahrern gleichstellt sind und einheitliche Tarife anbieten müssen. Technisch hieß das: Das Taxi- und das Mietwagengewerbe (unter das Uber fällt) werden angeglichen.

Doch ein Jahr später, kurz vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, machen die Regierungsparteien das wieder rückgängig – ohne Rücksprache mit der Gewerkschaft oder den Gewerbevertretern. „Man hat mit einem Absatz das Einheitsgewerbe wieder abgeschafft, das heißt, es gibt einen Fixtarif für Taxis und in allen anderen Bereichen eine freie Preisbildung“, erklärt Delfs von der Gewerkschaft vida. Lohn- und Sozialdumping sowie der Ruin der Taxibranche werden die Folge sein, ist Delfs überzeugt.

„Die einzigen, die profitieren, sind Milliardäre und Großkonzerne, die noch mehr Gewinne machen und hier in Österreich weder Steuern noch Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Die Wertschöpfung, insbesondere in Wien, wird großen Schaden davon nehmen“, sagt Delfs zu Kontrast.

Mindesttarife nicht festgeschrieben

Ausnahmen vom Taxameter-Preis gibt es künftig, wenn das Taxi telefonisch oder Online gerufen wird. Dann kann der Fahrpreis schon im Vorfeld ausgemacht werden – nur Mindest- und Höchsttarife wird es geben. Doch die schreiben ÖVP und Grüne nicht ins Gesetz, die sollen von den Landeshauptleuten festgelegt werden. SPÖ und FPÖ lehnen das ab. Der SPÖ-Abgeordnete Christoph Matznetter kritisierte, dass die Bandbreite der Preise nicht im Gesetz steht. FP-Verkehrssprecher Christian Hafenecker will sogar die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einschalten, weil er vermutet, das Gesetz wurde im Auftrag von Uber geschrieben. Schließlich habe sich Bundeskanzler Kurz in den USA mit dem Uber-Chef getroffen und ihm jetzt, kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes, dieses Geschenk gemacht.

Das lokale Taxigewerbe kann langfristig mit den Billigpreisen von ausländischen Großkonzernen nicht mithalten. „Sie machen Sozial- und Lohndumping in der Taxi-Branche möglich. Fast jedes Mal, wenn ich vor dem Parlament in ein Taxi einsteige, fragen mich die Fahrer: Warum lasst ihr das zu in der Politik? Und ich muss ihm sagen: Ich weiß es nicht!“, sagt die SPÖ-Abgeordnete Julia Herr bei der Parlamentsdebatte zu den Regierungsparteien.

„Solange es zwei Tarife gibt, ändert das nichts an der Tatsache, dass Gewinne zu ausländischen Konzernen verlagert werden, Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge in Österreich sinken und sich die Arbeitsbedingungen massiv verschlechtern. Die Branche wird das sicherlich nicht hinnehmen“, sagt Delfs. Für ihn wäre das Allerwichtigste, dass das Gesetz nicht mit 1.1.2021 in Kraft tritt. „Das Ganze ist ja ohne Rücksprache passiert. Das ist ja totalitär, wenn nicht mehr miteinander geredet wird.“

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