Derzeit gibt der Sebastian Kurz eine Pressekonferenz nach der anderen. Dort setzt er alles daran die Vorschläge von Bevölkerung und der Opposition als seine eigenen zu verkaufen – oft obwohl er sie zuvor abgelehnt hat. Österreich ist tatsächlich im Kampf gegen Corona relativ erfolgreich. Nun müssen sich die Menschen in ganz Europa an strenge Ausgangsbeschränkungen halten. Die Eigenlob von Kurz erntet auch international Kritik. Auch weil das internationale Beispiel Taiwan zeigt, dass es auch anders geht.
Taiwan hätte nach der Volksrepublik China am schlimmsten von der Pandemie betroffen sein sollen. So sagten es Modellrechnungen aus dem Januar voraus. Fast eine Million Taiwanerinnen und Taiwaner leben auf dem chinesischen Festland und reisen regelmäßig zwischen ihrem Wohnsitz und der Insel hin und her. Zusätzlich beherbergt Taiwan jedes Jahr fast drei Millionen Gäste aus China. In Taiwan benutzen die meisten täglich öffentliche Verkehrsmittel benutzen und leben zusätzlich auf recht engem Raum. Und trotz allem liegt Taiwan heute mit 376 Gesamtfällen und nur fünf Toten im absoluten Spitzenfeld. Und das alles ohne rigide Ausgangsbeschränkungen, ohne Shutdown der Wirtschaft und ohne tausende Arbeitslose. Was also hat Taiwan anders gemacht als der Rest der Welt?
Schnell und einheitlich handeln
Am 31.12.2019 wird die Weltgesundheitsorganisation über eine Welle von Lungenentzündungen unbekannter Ursache in Wuhan informiert. Noch am selben Tag untersuchen Beamte die ankommenden Passagiere aus Direktflügen von Wuhan auf Fieber und anderen Symptomen einer Lungenentzündung.
Nur fünf Tage später beginnt die Suche in Taiwan nach allen Personen, die in den vorherigen 14 Tagen von Wuhan aus eingereist waren. Wer zum Zeitpunkt der Einreise Fieber oder Symptome einer Infektion der oberen Atemwege hat, wird unter Quarantäne gestellt. Am 20. Jänner aktiviert die Regierung das Central Epidemic Command Center, um die Aktivitäten der verschiedenen Ministerien zu koordinieren. Erst Tage darauf gibt es den ersten bestätigten Corona-Fall in Taiwan.
24 Tage nach der allerersten Maßnahme wird ein Exportverbot für Masken verhängt, die in Taiwan produziert werden. Drei Tage später fällt die Entscheidung, die Daten der nationalen Krankenversicherung mit denen der Einreisebehörde, des taiwanischen Melderegisters für alle Menschen, die in Taiwan leben, abzugleichen. Das macht es möglich, alle Personen, die in den vergangenen 14 Tagen in Risikogebieten gewesen waren, zu identifizieren.
Taiwan ist aus dem Schlimmsten raus, ohne jemals reingekommen zu sein
Kreuzfahrtschiffe dürfen nicht mehr in den taiwanischen Häfen anlegen, und die Winterferien wurden verlängert um zu verhindern, dass das Virus sich nach der Urlaubs-Saison in den Schulen verbreiten kann. Die Schulen sind mittlerweile nach zweieinhalb verlängerten Ferien-Wochen wieder geöffnet. Die Eltern unterstützten die Vorgehensweise der Regierung, wie eine Mutter versichert:
„Weil wir so enge Beziehungen zu China haben, hat die Regierung sofort die Verbindungen zu China gekappt. Das ist in Europa und den USA nicht passiert. Oder sie dachten, das würde sie nicht betreffen. Aber Taiwan hat sofort zugemacht, weil sie wussten, dass die Epidemie als erstes zu uns kommt. Das finden wir das Beste an der jetzigen Politik.“
Am 19. März verhängt man ein Einreiseverbot für Menschen ohne taiwanischen Reisepass. Es sind die letzten nötigen Maßnahmen – 79 Tage nach dem Bekanntwerden einer unbekannten Krankheit 1.000 Kilometer von der Grenze entfernt.
Anders in Österreich
Hier hat Sebastian Kurz nach Bekanntwerden des ersten Falls von Coronavirus in der Lombardei – 350 Kilometer von Innsbruck entfernt – wertvolle Zeit verstreichen lassen. Dabei war, anders als im Fall Taiwan, längst bekannt, wie gefährlich das Virus ist. Zeit vergeht. 28 Tage später wird am 25. Februar offiziell der erste Fall in Innsbruck positiv getestet. Dass sich das Virus schon längst in Ischgl verbreitet, ist damals noch nicht bekannt. Es vergeht noch mehr Zeit bevor die ersten Informationskampagnen lanciert werden.
Erst 42 Tage nach dem ersten Fall in der Lombardei kommen strengere Einreiseregeln für Menschen aus Krisenregionen – also Italien, Teilen Chinas, Südkorea und dem Iran.
Tags darauf dann geht alles Knall auf Fall: Am 11. März kommt die Absage von Veranstaltungen, Schulen und Universitäten bleiben bis auf Weiteres zu. Wer kann (und darf), geht in Home-Office. Zwei Tage später kommen massive Ausgangsbeschränkungen. Die Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahlen in Vorarlberg und der Steiermark werden verschoben. In weiterer Folge verlängert die Regierung den Zivildienst und beruft die Miliz ein. Es ist die erste Miliz-Teilmobilmachung in der Geschichte des Landes.
Ende: nicht absehbar
Es hagelt weitere Verordnungen und Erlässe: Gastronomie und Geschäfte müssen schließen – und fallen wegen des aufgehobenen Epidemiegesetzes um die Entschädigungszahlungen um. Ausgangsbeschränkungen werden verhängt, und während die Bevölkerung sich zu Hause isoliert, wird in Kuranstalten und Rehabilitationsanstalten noch geheilt. Die sperren erst Tage später. Um am Tag 62 kommt eine Maskenpflicht für den Handel.
Am 6. April, 68 Tage nach Bekanntwerden des Seuchenausbruchs unweit der österreichischen Grenze, verlängert Sebastian Kurz die Maßnahmen bis auf Weiteres. Die Zwischenbilanz: Die Coronavirus-Kurve ist abgeflacht, aber es gibt 560.00 Arbeitslose und zahlreiche Konkurse. Die Telefone bei Gewaltschutzhotlines und Telefonseelsorge laufen heiß. Die Regierung verkündet zwar ein Licht am Ende des Tunnels, aber ein Ende ist erstmal nicht absehbar.