Große Unternehmen mit Milliarden-Umsätzen zahlen oft deutlich weniger Steuern als ihre Angestellten. Denn der arbeitenden Bevölkerung werden die Steuern direkt vom Lohnzettel abgezogen. Konzerne wenden dagegen allerhand Tricks an, um Gewinne zu verschleiern und so wenig Steuern wie möglich zu zahlen – insbesondere Digitalkonzerne. Das ist alles andere als eine Kleinigkeit: Allein der EU entsteht dadurch ein jährlicher Schaden von 166,5 Mrd. Euro.
Wieviel Geld versickert in Steuersümpfen?
Laut dem letzten Bericht des Tax Justice Networks (State of Tax 2024) entgehen den Staaten weltweit durch Steuermissbrauch jährlich etwa 467,9 Milliarden Euro. Schätzungen zufolge verliert allein Österreich knapp 1,86 Milliarden Euro an Einnahmen durch Steuerverschiebung pro Jahr. Etwa 1,35 Milliarden Euro entfallen auf Steuermissbrauch durch Unternehmen, während 510 Millionen Euro auf Steuerhinterziehung superreicher Privatpersonen zurückzuführen sind. Für die EU ist der Betrag um ein Vielfaches höher: nämlich 166,5 Milliarden Euro. In der Vergangenheit waren die Schätzungen auf EU-Ebene sogar noch höher. Noch vor ein paar Jahren soll die EU jährlich 1.000 Milliarden Euro durch Steuerflucht verloren haben. Eindeutige Aussagen lassen sich aufgrund fehlender und verlässlicher Daten aber nur schwer treffen.
Wie funktioniert der Steuerbetrug von Konzernen?
Ein Steuervermeidungs-Klassiker ist das Prinzip des Kleinrechnens und Verschiebens von Gewinnen in Niedrigsteuerländer und Steuersümpfe. Aber wie verschiebt man einen in Österreich erwirtschafteten Gewinn etwa in Niedrigsteuerländer wie Zypern oder Irland mit Steuersätzen von lediglich 12,5 Prozent? Man gründet eine Tochterfirma mit Sitz in einer Steueroase. Diese verrechnet dem Mutterkonzern, der die tatsächliche Wertschöpfung betreibt, überteuerte Leistungen. Etwa Gebühren für Lizenzen, Marken- oder Namensrechte, technisches Know-How, Dienstleistungen oder die Lieferung von Rohstoffen. Dadurch schmälern sich die Gewinne des Mutterkonzerns und wandern zur Tochterfirma im Niedrigsteuerland. Der zu versteuernde Betrag verkleinert sich massiv. Den Staaten entgehen dadurch Milliarden.
Wer leistet Beihilfe?
Die großen, international tätigen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien wie PricewaterhouseCoopers, Ernst & Young, Deloitte oder KPMG leisten dabei Beihilfe. Auf ihren Internetseiten werben sie mit Maßnahmen zur Optimierung von Steuerzahlungen von Großkunden. So schreibt Deloitte beispielsweise: “Wir unterstützen Unternehmen dabei, die weltweite Steuerlast durch vorausschauende Planung zu optimieren.” Richard Murphy, ehem. Professor für internationale politische Ökonomie an der City University of London, sieht in dieser Beihilfe eine Gefährdung für die Demokratie. Er erklärte bereits 2015:
„Steueroasen werden genutzt, um einen Steuerkrieg gegen das Recht demokratischer Länder zu führen, die ihnen aufgrund ihrer Gesetze zustehenden Einnahmen einzuziehen. Dies ist kein Zufall, sondern eine gezielte Politik, die von den dort ansässigen Anwälten, Buchhaltern und Bankern gemeinsam mit den dortigen Gesetzgebern verfolgt wird.“
Das wäre laut Murphy ohne die Hilfe des Finanzdienstleistungssektors und insbesondere der vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (PWC, KPMG, EY und Deloitte) nicht möglich. „Würden sich die „Großen Vier“ aus ihren Aktivitäten in Steueroasen zurückziehen, würde meiner Meinung nach der Missbrauch dieser Orte durch multinationale Konzerne größtenteils aufhören“, sagt der Ökonom.
2022 nannte Murphy sie erneut “die vier größten Bedrohungen für die Demokratie”.
Was tun die Staaten dagegen?
Viele Staaten haben in den letzten Jahren versucht, besonders dreiste Praktiken der Konzerne zur Steuervermeidung einzuschränken. Ein großer internationaler Erfolg ist beispielsweise der globale Mindeststeuersatz von 15 Prozent, der seit 2024 in Kraft ist. Dadurch sollen Konzerne außerdem dort Steuern zahlen, wo sie ihren Gewinn erwirtschaften – und nicht dort, wo die Steuern am niedrigsten sind.
Auch der beliebte irisch-niederländische “Sandwich-Steuertrick” wurde 2020 abgeschafft. Bis dahin war es für Konzerne möglich, praktisch keine Steuern zu zahlen, indem sie zwischen zwei irischen und einem niederländischen Tochterunternehmen gegenseitig Lizenzgebühren verrechneten.
Dennoch gelingt es Konzernen bis heute, Milliarden an Steuern zu umgehen. Besonders Digitalkonzerne wie Apple, Meta oder Microsoft nutzen dazu weiterhin die Gewinnverschiebung und gegenseitige Verrechnung von Dienstleistungen und Lizenzgebühren zwischen Tochterfirmen. So zahlen sie durchschnittlich nur 9,5 Prozent effektiv an Steuern in der EU, während andere Unternehmen aus Industrie und Handel im Schnitt 23,3 Prozent abführen.
Diese Digitalkonzerne zahlen kaum Steuern
Konzern Meta – Facebook, Instagram, WhatsApp
Jahrelang hat der Meta-Konzern, zu dem Facebook, Instagram, Threads & Whatsapp gehören, seine Gewinne in Europa kleingerechnet. Mit dem “Double Irish with a Dutch Sandwich”-Steuertrick brachte Meta (damals noch Facebook) seine Gewinne über Lizenzgebühren in das Niedrigsteuerland Irland und von dort weiter in Offshore-Oasen, wodurch das Unternehmen in Irland kaum Steuern zahlte – 2014 zum Beispiel nur 4.327 Pfund (etwa 5.400 Euro).
Nachdem das “Double Irish”-Modell 2020 abgeschafft wurde, hat Meta zwar angekündigt, seine irischen Tochterfirmen zu schließen, doch bis heute nutzt der Konzern Irland weiterhin als zentrales Steuerdomizil für seine globalen Geschäfte. So wickelt etwa die irische Tochtergesellschaft Meta Platforms Ireland nahezu alle Werbeerlöse außerhalb Nordamerikas ab.
Auch in anderen Teilen der Welt wendet Meta Strategien zur Steuervermeidung an. So schätzt die NGO Tax Watch, dass Meta in Großbritannien u.a. aufgrund konzerninterner Verrechnungen allein im Jahr 2021 etwa 330 Millionen Pfund zu wenig Steuern gezahlt hat. Laut The Guardian machte dies lediglich 29 Millionen Pfund (etwa 33,6 Millionen Euro) an Körperschaftssteuer aus – und das bei einem Rekordumsatz von 3,3 Milliarden Pfund.
Mit Metas Steuertrickserei ist es also noch lange nicht vorbei – im Gegenteil: 2024 ist der Gewinn des Tech-Giganten gestiegen, die Steuerlast aber sogar gesunken. Im Vergleich zu 2023 stieg der Betriebsgewinn um 43 Prozent auf 23,6 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig sind die Steuern von 2,8 auf 2,7 Milliarden US-Dollar gesunken. Damit kam Meta 2024 auf einen Reingewinn von 20,8 Milliarden US-Dollar.
Gleichzeitig gehen Länder auch gegen den Digitalkonzern vor. So verlangt etwa Italien aktuell eine Steuernachzahlung von Meta in Höhe von 887,6 Millionen Euro.
Der Apple-Konzern
Apple ist einer der bekanntesten Steuertrickser der Welt. 2014 gelang es dem Konzern mithilfe einer irischen Tochtergesellschaft, Steuern gerade einmal in Höhe von 0,005 % zu zahlen. Und zwar mithilfe einer Konstruktion, bei der diese Gesellschaft formell in keinem Land steuerlich ansässig war und somit weltweit praktisch nicht besteuert wurde. Die EU-Kommission warf Apple allerdings vor, gegen EU-Beihilferecht verstoßen zu haben, und Irland, dem Digitalkonzern illegale Steuervorteile gewährt zu haben. Das bestätigte 2024 der Europäische Gerichtshof im größten Kartellverfahren der Geschichte. Insgesamt sind rund 13 Milliarden Euro an Steuern zu wenig gezahlt worden. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit muss Apple nun diese Summe plus Zinsen an Irland nachzahlen.
Doch Apple hat in Zusammenarbeit mit der irischen Regierung bereits eine neue Methode gefunden, Steuerzahlungen in Milliardenhöhe zu umgehen. Der Konzern verschob 2015 geistiges Eigentum im Wert von unglaublichen 335 Milliarden Euro nach Irland. Das ist mehr als doppelt so viel wie die gesamten irischen Staatsausgaben. Diesen riesigen Betrag kann Apple seitdem nahezu vollständig von der Steuer absetzen und somit die Steuerlast senken.
Der Konzern Alphabet – Google
Auch Alphabet, der Mutterkonzern von Google, nutzte bis 2019 das umstrittene Steuerkonstrukt „Double Irish with a Dutch Sandwich“. Auf diese Weise konnte Google jahrelang seine außerhalb der USA erzielten Gewinne nahezu steuerfrei parken und erzielte damit eine effektive Steuerlast im Ausland im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
Nachdem dieses Steuerschlupfloch jedoch 2020 geschlossen wurde, verlegte Google seine Steuerresidenz von Bermuda direkt nach Irland. Dort gibt es mit 12,5 Prozent einen besonders niedrigen Steuersatz auf Konzerngewinne.
Google betont, dass man stets alle geforderten Steuern zahlen würde – in sämtlichen Rechtsräumen, in denen der Konzern tätig ist. Unabhängige Untersuchungen zeigen jedoch weiterhin aggressive Steuervermeidung – die NGO Tax Watch UK etwa schätzt, dass Google alleine im Vereinigten Königreich 2021 ca. 690 Millionen Pfund an britischer Steuer durch Gewinnverschiebung „gespart“ hat.
Mehrere europäische Finanzbehörden haben in den letzten Jahren rückwirkend Steuern von Google eingefordert. So zum Beispiel in Frankreich: Französische Ermittler warfen Google vor, durch die Irland-Abwicklung ihrer Gewinne in Frankreich Steuern hinterzogen zu haben. Es kam zu einem Steuerfahndungs-Verfahren, das im September 2019 mit einem Vergleich endete: Google zahlte knapp 1 Milliarde Euro an den französischen Staat (500 Mio. Euro Strafzahlung und 465 Mio. Euro Steuernachzahlung).
Italien hatte bereits 2017 einen ähnlichen Deal erzielt: Google beglich 306 Millionen Euro für die Jahre 2002–2015, nachdem die Steuerpolizei eine permanente Betriebsstätte in Italien festgestellt hatte. Für 2016 bis 2020 musste Google Italien erneut 326 Millionen Euro nachzahlen. Auch die irische Steuerbehörde selbst hat gegenüber Google Rückforderungen gestellt. Laut Firmenangaben willigt Google Ireland ein, für frühere Jahre 218 Millionen Euro an Nachsteuern und Zinsen zu zahlen.
Der Konzern Microsoft
Auch Microsoft nutzte seit den 1990er Jahren das “Double Irish”-Modell als Steuerschlupfloch. Während Irland die offizielle Steuerresidenz war, leitete das Unternehmen die meisten Gewinne von dort nach Offshore-Oasen wie Bermuda. Über die Jahre sparte sich Microsoft dadurch Milliarden an Steuerzahlungen. Im Gegensatz zu Konzernen wie Apple geriet Microsoft aber nie in ein konkretes EU-Steuerverfahren. Vermutlich weil Microsoft-Gesellschaften schon 2015 davor warnten, dass solche EU-Steuerverfahren dem Unternehmen hohe Kosten bescheren könnten.
Nachdem Irland das “Double Irish”-Schlupfloch 2020 endgültig geschlossen hatte, musste Microsoft seine Steuerstrategie anpassen: Anstatt Gewinne an die irische Firma in Bermuda zu leiten, verlagerte der Konzern immer mehr Firmeneinheiten direkt nach Irland. Dabei geht es vor allem um sogenannte “Immaterielle Vermögenswerte” bzw. geistiges Eigentum, das man in Irland nahezu vollständig steuerlich abschreiben kann.
Die beiden wichtigsten irischen Microsoft-Gesellschaften – Microsoft Ireland Operations Ltd (zuständig für Vertrieb/Handel) und Microsoft Ireland Research (zuständig für Lizenzen & IP) – verzeichnen enorme Umsätze und Gewinne: Microsoft Ireland Operations machte 2022 einen Gewinn von 3,56 Milliarden Dollar. Dafür zahlte Microsoft aber lediglich 475 Millionen Dollar Körperschaftssteuer ans irische Finanzamt. Das entspricht einer effektiven Steuerquote von 13,34 %.
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