Seit seinem Rückzug aus der Politik ist Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Teil eines internationalen Netzwerks aus Investoren, Medien und Politikern. Dabei pflegt er seine Nähe zu rechten Meinungsmachern. Im Geflecht befinden sich alte ÖVP-Vertraute, ein CDU-naher Multimillionär, rechte Onlinemedien und Viktor Orbán. Das gemeinsame Ziel: Die politische Debatte radikalisieren und weiter nach rechts verschieben.
Der berufliche Fokus von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich seit seinem Ausscheiden aus der Politik mehrmals verschoben. Er investierte in Start-ups (etwa in eine österreichische Pflegeplattform) und trat als Berater auf – unter anderem für den Tech-Milliardär Peter Thiel. Der ist Gründer von PayPal, gehörte zu den wichtigsten Unterstützern von Donald Trump im US-Wahlkampf, kritisiert ganz offen das Frauenwahlrecht und findet, dass Freiheit und Demokratie nur schwer miteinander vereinbar sind.
Heute arbeitet Kurz zwar nicht mehr für Thiel, der Kontakt scheint jedoch geblieben zu sein – zumindest haben sie sich beim Sommerfest von Ungarns Premierminister Viktor Orbán im Juli 2025 getroffen. Dazu später mehr.
2022 gründete Sebastian Kurz mit Gerd Alexander Schütz die Investmentgesellschaft AS2K GmbH. Schütz zählt laut dem Wirtschaftsmagazin Trend zu den 100 reichsten Österreichern. Er ist nicht nur Investor, sondern auch früherer ÖVP-Großspender.
Eine weitere unternehmerische Tätigkeit von Kurz: Dream Security, ein Cybersicherheit-Unternehmen mit Sitz in Tel Aviv, Israel, das Kurz mitgegründet hat. Kurz ist im Unternehmen „Präsident” und hält 15 Prozent der Anteile. Weiterer Gründer von Dream Security ist Shalev Hulio, früherer CEO der umstrittenen NSO Group. Deren Spionage-Software Pegasus sorgte weltweit für Schlagzeilen, nachdem bekannt wurde, dass sie nicht nur gegen Terroristen und Schwerverbrecher eingesetzt worden war, sondern auch gegen Journalist:innen, Richter:innen und oppositionelle Politiker:innen in mehreren Ländern – darunter auch EU-Staaten.

Kurz und einstige ÖVP-MinisterInnen teilen sich Wiener Adresse für ihre Firmen
Ende April 2025 eröffnete Dream Security seinen ersten europäischen Standort in Wien. Der Firmensitz: die Fichtegasse im ersten Wiener Gemeindebezirk. Diese Adresse dient bereits als Firmensitz anderer Kurz-Unternehmen.
Kurz ist dort aber nicht allein: In der Fichtegasse ist neben dem PR-Unternehmen e+ ventures GmbH der ehemaligen Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger auch das Finanz- und Versicherungsunternehmen von Kurz’ Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli untergebracht.
Ex-Finanzminister Gernot Blümel hat mit seiner GT3 Wien Management GmbH ebenfalls hier seinen Sitz. Eine hier nennenswerte Verbindung: Bei GTA3 Wien Management GmbH handelt es sich um eine Tochterfirma der deutschen GT3 Software und Beteiligungs GmbH des CDU-nahen Multimillionärs Frank Gotthardt, der wiederum Eigentümer und Finanzier des rechtspopulistischen Online-Nachrichten-Portal NIUS ist.
NIUS: Ein Medium, das Wut statt Nachrichten produziert
NIUS ging 2023 online. Es wird als “Krawallmedium” bezeichnet. Vorbild ist der US-amerikanischen Sender FOX News, der auch als Trump-Medium bekannt ist. NIUS zeichnet sich durch viel (rechte) Meinung, Aufgeregtheit und gezielte Provokationen aus.
Kira Ayyadi, Politikwissenschaftlerin und Redakteurin bei Belltower.News bezeichnet NIUS sogar als „wichtigen Gehilfen“ der extremen Rechten. Sie beschreibt das Medium als Stichwortgeber im rechtsextremen Kulturkampf. Schwerpunkte sind etwa Deep-State-Phantasien sowie Diffamierungskampagnen gegen die Zivilgesellschaft.
Das Ziel des Mediums: die Grenzen zwischen CDU und AfD aufzuweichen und das konservative politische Spektrum zu radikalisieren.
Gesicht des Mediums ist Julian Reichelt. 2021 wurde der frühere Chefredakteur der Bild-Zeitung wegen Machtmissbrauchs-Vorwürfen entlassen. In seiner Talkshow “Achtung Reichelt!” verzerrt er die Realität und verbreitet Falschnachrichten. So nennt er beispielsweise NGOs “Schattenregierungen”, die den Willen der Bevölkerung “brechen” wollen. Die Attacken erinnern an die Angriffe der Kickl-FPÖ gegen NGOs in Österreich.
NIUS war 2025 auch an der Hetzkampagne gegen die SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, beteiligt.
Kurz auf Du und Du mit NIUS-Reichelt
Der deutsche Medienkritiker Stefan Niggemeier schreibt etwa im Onlinemagazin Übermedien: “NIUS produziert nicht Journalismus, sondern Wut – ohne Rücksicht auf Verluste”.
Der deutsche Politikberater Johannes Hillje beschreibt Arbeit des Mediums als einen “als Nachrichten getarnten Kulturkampf nach rechts”.
„Es wundert mich, wie bereitwillig Politiker demokratischer Parteien diese Kanäle als Interviewpartner aufwerten.” (Johannes Hillje, Politikberater)
Auch Sebastian Kurz war bereits als Interviewgast bei NIUS. Reichelt und Kurz duzen sich seit dessen Zeit als Kanzler.

Auch die deutsche Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) sieht bei NIUS kein Problem. Beim Sommerfest der CDU Koblenz, auch gesponsert von Frank Gotthardt (der NIUS-Financier) setzte sie die links ausgerichtete taz mit NIUS gleich.
Frank Gotthardt selbst gibt im Podcast „Rund ums Eck – der Koblenzer Podcast“ offen zu, dass NIUS “sicher nicht in der Mitte” des politischen Spektrums steht, sondern erklärt: „Die neue Mitte ist ja links, insofern müssen wir ja rechts von der Mitte sein.“ Er investiert gezielt in rechte Medienprojekte – auch in das österreichische Nachrichten-Portal Exxpress.
Exxpress in Österreich, NIUS in Deutschland – Sebastian Kurz und seine Vertrauten mittendrin
Exxpress wurde 2021 von Eva Schütz gegründet. Heute hält sie noch 16 Prozent der Anteile, die Libertatem Stiftung 7 Prozent und Gerd Alexander Schütz (Ex-Mann von Eva Schütz) kommt auf 1,15 Prozent. Die Mehrheit ihrer Anteile – 75 Prozent – verkaufte Schütz an die NIUS Muttergesellschaft Vius.
Erste Zwischenbilanz: Frank Gotthardt ist Financier von NIUS, über Umwege auch mit Exxpress, und über eine Firmenkonstruktion von GTA3 mit Gernot Blümel verbunden.
Gerd Alexander Schütz wiederum zählte schon früh zu den Geldgebern von Sebastian Kurz für dessen Wahlkampf, ist dessen Geschäftspartner und hält mit Exxpress ein Medium mit in der Hand, das Teil des NIUS-Netzwerkes und rechter Stimmungsmache ist.
Der Einfluss von Sebastian Kurz reicht aber weiter: Enge Vertraute des österreichischen Ex-Kanzlers Kurz nehmen insgesamt Einfluss auf die Geschäfte von Frank Gotthardt. So hat er laut Berichten von T-online drei zentrale Posten in seinen Unternehmen engen Weggefährten von Kurz anvertraut, die in der Wiener Fichtegasse residieren.
Eine Schlüsselfigur ist Vera Regensburger, langjährige Kurz-Vertraute und Vizekabinettschefin im Bundeskanzleramt. Seit Mitte 2022 ist sie Geschäftsführerin der Kurz-Schütz-Beteiligungsgesellschaft AS2K und leitet heute sowohl Exxpress als auch NIUS – gemeinsam mit Reichelt.
Rechtes Netz bis nach Ungarn gespannt: Viktor Orbán, Sebastian Kurz & Alice Weidel feiern beim Sommerfest in Esztergom
Dass Kurz sich innerhalb eines internationalen rechten Netzwerks bewegt, zeigt das Sommerfest 2025 in Esztergom, Ungarn, Ende Juli. Dort lud das Mathias Corvinus Collegium (MCC) das Who is Who der europäischen und internationalen Rechten ein. Das MCC ist ein rechter ThinkTank aus dem Umfeld der ungarischen Regierungspartei Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orbán.
Das MCC gilt als Orbáns Kaderschmiede. Das Ziel: ein internationales Netzwerk rechter Politiker:innen, Influencer:innen und Medienfiguren aufbauen. Beim diesjährigen Treffen in Esztergom waren neben Orbán auch AfD-Chefin Alice Weidel und Sebastian Kurz anwesend. Peter Thiel hielt eine Festrede. Auf Instagram postete Kurz eine Story mit den Worten “… and meeting some old friends here” (dt: “und treffe ein paar alte Freunde hier“). Auf dem Bild zu sehen: Kurz, Orban und Thiel.

Der Kreis schließt sich: MCC-Mitarbeiter schreiben für NIUS und Exxpress
Der Einfluss des MCC reicht bis nach Österreich. Vor zwei Jahren hat der rechte ThinkTank 90 Prozent der privaten Wirtschaftsuniversität Modul am Kahlenberg übernommen. Seitdem sitzt im Rat der Universität, den die Eigentümer nominieren, Elisabeth Köstinger, einst Generalsekretärin der Kurz-ÖVP und ehemalige Landwirtschaftsministerin. Außerdem schreiben Mitarbeiter:innen des MCC regelmäßig für NIUS und Exxpress.
Die Verflechtungen rund um Sebastian Kurz zeigen: Es gibt Kräfte, die daran arbeiten, dass sich konservative Parteien und konservativ eingestellte Menschen weiter nach rechts orientieren. Dazu arbeiten aktive wie ehemalige Politiker:innen und vermögende Financiers zusammen, nutzen Think Tanks, gründen Medien, verschieben das, was als sagbar, zeigbar und denkbar gilt. Sie schüren Frust und Wut und verkaufen das als Information und Journalismus. Die “politische Mitte” soll sich radikalisieren.