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Gegen Krieg und für das Kind sein: Warum die Welt Astrid Lindgren heute noch braucht

Foto: Public Domain

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Romana Greiner Romana Greiner
in Geschichte
Lesezeit:4 Minuten
26. Januar 2023
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Mit Figuren wie Pippi Langstrumpf, den Kindern aus Bullerbü, der Räubertochter Ronja oder Michel aus Lönneberga hat sich Lindgren in Millionen Kinderherzen geschrieben. Die oft unberechenbaren Hauptpersonen ihrer Werke gelten für unzählige Menschen als Vor- und Sinnbild des „zivilen Ungehorsams“. Aber auch abseits ihrer Bücher setzte sich Lindgren für ein Leben ohne Gewalt, für Kinder- und Tierrechte sowie den Frieden in Europa ein.

Inhalt
Astrid Lindgrens Biografie: Ein Bauernkind, das Geschichten erzählt
Pippi Langstrumpf: „das stärkste Mädchen der Welt“ ist ihre Tochter
Lindgren über den Krieg: „Die Menschheit hat den Verstand verloren“
Astrid Lindgrens Werk und Biografie: gegen alle Konventionen
Für seine Ideale eintreten, egal was kommt

Astrid Lindgrens Biografie: Ein Bauernkind, das Geschichten erzählt

„Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar“ zählt zu den meist zitierten Sätzen von Astrid Lindgren. Die wenigsten wissen hingegen, dass Lindgren diesen Spruch ihrer Romanfigur Pippi Langstrumpf in den Mund gelegt hat. Nicht nur mit Pippi wollte sie junge Menschen zu einem selbstbestimmten und gewaltfreien Leben ermutigen. Die Geschichten von Karlsson vom Dach oder Kalle Blomquist sollten Jung und Alt, aber auch Lindgren selbst „für alle Sorgen unerreichbar machen“. Denn „frei“ – das war die Schriftstellerin vor allem dann, wenn sie schrieb.

Astrid Lindgren wird am 14. November 1907 als zweites von vier Bauernkindern geboren und wächst als Astrid Anna Emilia Ericsson im Süden von Schweden auf. Ihre drei Geschwister und sie verbringen eine einfache, aber wunderbare Kindheit in der Ortschaft Vimmerby, in der Provinz Småland. Zwar müssen sie am elterlichen Hof mitarbeiten, wie es zur damaligen Zeit üblich war, doch dazwischen war immer viel Zeit zum Spielen. Und dabei schärft Lindgren ihr Vorstellungsvermögen sowie ihre Fantasie.

„Ich bin nur ein Bauernmädchen aus Småland“, sagte sie über sich selbst.

1914 wird Astrid eingeschult. Nach drei Jahren verlassen die meisten Kinder aus einfachen Verhältnissen, wie sie eines ist, die Schule wieder. Nur Kindern aus reichen Bürgerfamilien ist eine längere Schulbildung gestattet. Doch die Eltern von Astrids Freundin überreden ihre Familie zu einer längeren Schulbildung für das junge und begabte Mädchen.

Pippi Langstrumpf: „das stärkste Mädchen der Welt“ ist ihre Tochter

Mit Erfolg, denn 1924, also mit gerade einmal 17 Jahren, bietet ihr der Chefredakteur der Ortszeitung „Vimmerby Tidnig“ eine journalistische Ausbildung an. Lindgren schreibt, recherchiert, korrigiert und geht voll und ganz in ihrer Arbeit auf. Als sie mit 18 Jahren ungeplant von eben jenem Chefredakteur, der damals noch ein verheirateter Mann ist, schwanger wird, muss sie die Stadt verlassen. Ihr Sohn Lasse kommt zu einer Pflegefamilie. Erst als die Pflegemutter vier Jahre später schwer krank wird, kann die junge Astrid ihren Sohn endlich zu sich nehmen.

Sie lebt von nun an in Stockholm und findet dort in wechselnden Stellen als Sekretärin eine bezahlte Arbeit. Gemeinsam mit Sture Lindgren, den sie während ihrer Zeit als Sekretärin des Königlichen Automobil-Clubs kennenlernt, bekommt sie 1934 ein zweites Kind, ihre Tochter Karin. Diese wird später zur Inspiration und Impulsgeberin für „Pippi Langstrumpf“.

1941 liegt Karin krank im Bett und bittet ihre Mutter, ihr von „Pippi Langstrumpf“ zu erzählen. Als Astrid Lindgren sich in einem darauffolgenden Winter auf dem glatten Schnee ein Bein verstaucht und einige Zeit nichts zu tun hat, schreibt sie die Erzählungen über „das stärkste Mädchen der Welt“ schließlich nieder.

Lindgren über den Krieg: „Die Menschheit hat den Verstand verloren“

Nie fühlte sie sich so frei von allen Sorgen, wie wenn sie Zeile um Zeile zuerst stenografierte und dann in die Schreibmaschinentasten klopfte. Was nur wenige wissen: Während der Zweite Weltkrieg begann, arbeitete Lindgren für den schwedischen Nachrichtendienst in der Abteilung für Briefzensur. Sie sollte Briefe auf landeskritische Inhalte prüfen. Obwohl es streng verboten war, nahm sie manchmal Abschriften der Texte mit nach Hause. In dieser Zeit verfasste sie außerhalb ihrer Arbeitszeit Kriegstagebücher, die nach ihrem Tod unter „Die Menschheit hat den Verstand verloren“ veröffentlicht wurden.

Die meisten ihrer (Kinder-)Geschichten handeln von Mut, Hoffnung und Widerstand. In ihren Kriegstagebüchern hingegen schildert sie, wie Hass und Ausgrenzung das gesellschaftliche Klima in ganz Europa und der Welt vergiften. Egal welche Widrigkeiten ihr der Lauf ihres Lebens vorgesetzt hat, das Schreiben ist ihr in ihrem gesamten Leben eine Stütze gewesen.

Für ihr schriftstellerisches Werk erhält Lindgren dennoch nie den Literaturnobelpreis. Ein großes Versäumnis des Komitees, wie viele meinen. 1994 aber ehrt man sie mit dem Alternativen Nobelpreis – auch unter Right Livelihood Award bekannt.

„Weil sie sich durch ihre einzigartige Art zu schreiben für die Rechte von Kindern und mehr Respekt vor ihrer Einzigartigkeit einsetzt“, heißt es in der Begründung.

Astrid Lindgren on her 80th birthday. Photo by Jacob Forsell.
Astrid Lindgren engagierte sich für Kinder- und Tierrechte, sowie gegen Gewalt jeglicher Art. Foto: Jacob Forsell

Astrid Lindgrens Werk und Biografie: gegen alle Konventionen

Lindgren hat in ihren Erzählungen zahlreiche vielschichtige Charaktere zum Leben erweckt. Ihre Bücher wurden weltweit über 170 Millionen mal verkauft, ihre Werke in 108 Sprachen übersetzt. Die UNESCO führt eine Liste mit den am meisten übersetzten Schriftsteller:innen: Obwohl Lindgren seit mehr als zwei Jahrzehnten gestorben ist, verweilt sie dort immer noch auf Platz 18.

Lindgren bleibt, auch während sie immer bekannter und beliebter wird, zeitlebens bodenständig. Ereignisse wie die „sittenwidrige“ Schwangerschaft mit ihrem Sohn, ihre Tätigkeit als Stenografin im schwedischen Nachrichtendienst zu Kriegsbeginn oder ihr gesellschaftspolitisches Engagement für Kinder- und Tierrechte, sowie gegen Gewalt jeglicher Art, prägen die Autorin.

„Aber es gibt Dinge, die man tun muss, sonst ist man kein Mensch, sondern nur ein Häuflein Dreck“
sagt Jonathan zu Krümel in „Die Brüder Löwenherz“

Für seine Ideale eintreten, egal was kommt

Mit ihren Texten kämpfte sie gegen die oft überbordende Spießigkeit ihrer Heimat an. Alle, die sich zuvor beispielsweise wegen ihrer ungeplanten Schwangerschaft gegen sie gestellt und sie aus ihrer Heimat vertrieben hatten, mussten schließlich das Großwerden und Aufleuchten eines geborenen „Stars“ mitansehen. Sogar mit der damals regierenden Sozialdemokratischen Partei Schwedens, deren Parteimitglied sie seit den 1930er-Jahren war, legte sie sich an.

Als es 1976 zu einem Fehler im schwedischen Steuergesetz kam, das vor allem Selbstständige (als Schriftstellerin fällt auch Astrid Lindgren in diese Steuerklasse hinein) mit immens hohen Steuerabgaben überrascht hat, brach Lindgren mit der Regierungspartei. Sie veröffentlichte unzählige Kommentare in schwedischen Tageszeitungen und rief als Folge der Uneinsichtigkeit des damaligen Finanzministers sogar zur Abwahl der sozialdemokratischen Regierung auf. „Um die schwedische Demokratie wieder zu stärken“, denn die Regierenden würden nur noch auf ihren Sesseln festkleben.

Nach über 40 Jahren wurde die Regierung unter Olaf Palme bei den kommenden Wahlen tatsächlich abgewählt. Mit der Sozialdemokratischen Partei und deren Grundwerten blieb die Autorin dennoch bis an ihr Lebensende verbunden.

„Ich will für einen Kreis schreiben, der Wunder bewirken kann. Nur Kinder können beim Lesen Wunder bewirken.“ – Astrid Lindgren

Was Astrid Lindgrens Werk auszeichnet, sind aber nicht nur die facettenreichen Charaktere oder die gewählten Themen. Vielmehr ist es Lindgrens Fähigkeit, sich in andere – vor allem in Kinder – hineinzuversetzen. Ihre Geschichten verfasste sie nicht nach den Trends der Zeit. Sie schrieb die Bücher so, wie sie sich die Bücher gewünscht hätte, als sie selbst noch ein Kind gewesen ist.

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