Schwarz-Blau

Was von der Kurz-Regierung bleibt: Die 6 wichtigsten Fragen zur Casino-Affäre

18 Monate war die türkis-blaue Regierung im Amt und schon ermittelt die Justiz gegen Finanzminister und Vizekanzler unter Sebastian Kurz. Konkret geht es darum: Der FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo wurde in die Chef-Etage der Casinos Austria gehievt – obwohl er als unqualifiziert galt. Auch Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) soll bei der Bestellung nachgeholfen haben. Als Gegenleistung für den hoch bezahlten Posten soll man Glücksspiel-Gesetze in Aussicht gestellt haben. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Hier die 6 wichtigsten Fragen zur Casino-Affäre!

Inhaltsverzeichnis
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In 30 Sekunden: Die Casino-Affäre

Worum geht es in der Casino-Affäre – in 30 Sekunden erklärt! Novomatic macht einen Großteil seines Gewinns mit Spielsüchtigen. Das scheint ÖVP und FPÖ aber nicht abzuschrecken: Laut Ermittlungen sollen sie dem Konzern mehr Online-Glücksspiel und mehr Automaten versprochen haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Gepostet von kontrast.at am Dienstag, 19. November 2019

1. Warum ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft?

Im März 2019 hat der Aufsichtsrat der Casinos Austria einen neuen, dreiköpfigen Vorstand besetzt. Unter ihnen: Peter Sidlo (FPÖ). Der soll seinen Vorstandsposten bei den Casinos Austria einer Abmachung zwischen der FPÖ und Novomatic verdanken. Im Gegenzug soll die FPÖ dem Glücksspielkonzern versprochen haben, sich für Online-Gaming-Lizenzen und Casino-Lizenzen sowie die Wiedereinführung des „Kleinen Glückspiels“ in Wien einzusetzen – berichtet der „Kurier“.

Da die FPÖ zu der Zeit in einer Koalition mit der ÖVP war und ÖVP-Finanzminister Löger die Bestellung von Sidlo aktiv unterstützt haben soll, stellt sich die Frage: Hätte die ÖVP beim Beschluss dieser Gesetze mitgestimmt? Wie viel wusste die ÖVP?

Am 12. August 2019 führte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WAKSt) nach anonymen Hinweisen Razzien bei FPÖ-Politikern durch: bei Heinz-Christian Strache, Johann Gudenus – und Sidlo. Der Verdacht: Postenschacherei und Deals um Glücksspiel-Gesetze. Im November fanden zudem Hausdurchsuchungen beim ehemaligen ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger, bei dessen seinerzeitigem Generalsekretär im Ministerium und nunmehrigen ÖBAG-Chef Thomas Schmid sowie beim Aufsichtsratspräsidenten der Casinos Austria, Walter Rothensteiner, statt. Und auch bei einem anderen ehemaligen ÖVP-Finanzminister: Josef Pröll. Er ist stellvertretender Aufsichtsratspräsident der Casinos Austria.

2. Wer ist Peter Sidlo? Und wie genau kam er zum Vorstands-Posten?

Der Wiener FPÖ-Bezirksrat stieg unter der türkis-blauen Regierung zum Finanzvorstand der Casinos Austria auf. Der dreiköpfige Vorstand bekommt jährlich fast 4,5 Millionen Euro Vergütung – es ist für Sidlo also ein Millionen-Euro-Job. Darüber hinaus wurde er in den Generalrat der Nationalbank (OeNB) entsandt.

Das Problem: Sidlo wurde als ungeeignet für den Vorstandsposten gesehen. Das Schweizer Unternehmen Egon Zehnder hat Peter Sidlo (und andere Kandidaten für die Position) bewertet – mit vernichtendem Urteil für Sidlo:

Aufgrund seinen mangelnden Track Recors in einer breiten Finanzverantwortung… würde er jedoch in den meisten Auswahlverfahren für eine entsprechende CFO-Position keine Berücksichtung finden.“ (Aus der Bewertung durch Egon Zehnder, Quelle: Kleine Zeitung)

Seiner Einsetzung stand das jedoch nicht im Weg – denn für Sidlo wurde politisch massiv lobbyiert. Über Walter Rothensteiner, den Vorsitzenden des Casinos-Aufsichtsrat. Er wird mittlerweile selbst als Beschuldigter in der Affäre geführt. Rothenstheiner soll dem übrigen Aufsichtsrat vorenthalten haben, dass die Bewertung derart vernichtend für Sidlo war.

Nun wurde Sidlo zwei Wochen, nachdem sein Name erstmals prominent mit der Affäre in Zusammenhang gebracht wurde, aus dem Vorstand abberufen. Auf Drängen der Personalvertretung setzte ihn der Aufsichtsrat am 2. Dezember ab. Die Belegschaftsvertreter können so einen Antrag „aus wichtigem Grund“ stellen.

3. Glücksspiel-Lizenzen: Um was soll es bei der Casino-Affäre gegangen sein?

Die FPÖ bzw. Peter Sidlo erhielt den Posten als Finanzvorstand der Casinos Austria. Dafür sollen die FPÖ-Vertreter um Johann Gudenus laut „Kurier“ der Novomatic (sie ist Großaktionärin der Casinos Austria) vor allem drei Versprechen gemacht haben:

  • Nationale Online-Gaming-Lizenzen
  • Eine Casino-Lizenz in Wien
  • Politischer Einsatz für das „Kleine Glücksspiel“ in Wien und das Ende des Verbotes für neue Glückspielautomaten

Es soll also ein Tausch vereinbart worden sein: Ein gut bezahlter Posten für einen FPÖ-Politiker im Gegenzug für Gesetze im Interesse eines Glückspiel-Konzerns. Die FPÖ war damals in Koalition mit der ÖVP und durfte keine Beschlüsse außerhalb der Koalition treffen. Hat die ÖVP also von dieser Abmachung gewusst? Warum ging die Novomatic davon aus, dass es zu diesem Gegengeschäft tatsächlich kommen würde?

Wie nun „Profil“ berichtet, gab es sehr konkrete Pläne, wie die großen Versprechen umgesetzt werden sollten. FPÖ und ÖVP wollten sich durch eine Gesetzesänderung das Recht verschaffen, Lizenzen an Glücksspielbetreiber zu vergeben. Bisher ist eine Kompetenz der Länder. Deswegen konnte Wien zum Beispiel das „Kleine Glücksspiel“ verbieten. Die geplante türkis-blaue Gesetzesänderung hätte dieses Verbot aushebeln können.

Aus dem Geheimpapier, das dem „Profil“ vorliegt, geht weiter hervor, dass die Kurz-Strache-Regierung das Online-Monopol der Casinos Austria-Tochter Win2Day entziehen wollte – höchstwahrscheinlich zugunsten von Novomatic, der die Begrenzung der Online-Lizenzen schon lange ein Dorn im Auge war.

4. Welche Namen tauchen sonst noch in der Casino-Affäre auf?

Harald Neumann (Novomatic): Ist Vorstands-Chef der Novomatic (einer Großaktionärin der Casinos Austria) und Mitglied im Casinos-Aufsichtsrat. Er soll den Deal verhandelt und diesbezüglich mit Strache Rücksprache gehalten haben. Auch sein Büro war von einer Hausdurchsuchung im August 2019 betroffen.

Heinz-Christian Strache (FPÖ): Er soll als Vizekanzler und FPÖ-Chef beim Verhandeln des Deals involviert gewesen sein – wie Chat-Protokolle zwischen Strache und Neumann belegen. Im Jänner 2019 hakte er bei Neumann nach, wie der Prozess rund um Sidlos Posten verlaufen würde.

Johann Gudenus (FPÖ): War als führender FPÖ-Politiker ebenfalls am Deal beteiligt – und kommunizierte dazu auch direkt mit Sidlo. Dieser schrieb an den ehemaligen FPÖ-Klubobmann:

Hallo Joschi, ich habe mit meinen Freunden bezgl. Casinos gesprochen, sie wären bereit und auch fähig, den Deal zu machen.“ (Peter Sidlo noch am 12. August 2019 an Johann Gudenus)

Walter Rothensteiner (Casinos): Er soll als Vorsitzender des Casinos-Aufsichtsrat dem Gremium vorenthalten haben, dass Sidlo als ungeeigneter Kandidat für den Vorstands-Posten gesehen wurde. Auf Rothensteiner soll politischer Druck ausgeübt worden sein, um Sidlo in den Posten zu hieven.

Hartwig Löger (ÖVP): Er soll vom Deal gewusst haben und auf die Bestellung Sidlos gedrängt haben. Ihm wird Amtsmissbrauch vorgeworfen. Walter Rothensteiner (Casinos-Aufsichtsratschef) hat in einer Aktennotiz festgehalten, dass Löger ihm gesagt habe, dass Graf (Novomatic-Eigentümer) „irgendeinen Hintergrunddeal mit den Blauen“ habe. „Daher ist Sidlo ein Muss.“ Außerdem hat Löger einen Gesetzesentwurf in Begutachtung geschickt, mit dem das Glückspiel-Gesetz geändert worden wäre. Der Inhalt: Das Glückspiel-Monopol der Casinos Austria wäre einzementiert worden. Doch der Entwurf wurde zurückgezogen. Laut „Falter“-Recherchen hat es zudem einen SMS-Verkehr zwischen Löger und Strache gegeben, in der die Bestellung Sidlos ein Thema war:

 „Lieber Hartwig! Herzlichen Dank für deine Unterstützung bezüglich CASAG! Lg HC“ (SMS von Strache an Löger am 11. Februar 2019)

Löger beantwortete diese SMS mit einem „Daumen nach oben“.

Johann Graf (Novomatic): Er ist Novomatic-Eigentümer und in dieser Rolle am Deal beteiligt. Er soll Absprachen mit Ex-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) geführt haben. Auch sein Büro wurde Sommer 2019 durchsucht.

Hubert Fuchs (FPÖ): Er soll als FPÖ-Finanzstaatssekretär an einem neuen Online-Gaming-Gesetz getüftelt haben. An einer Gaming-Lizenz soll vor allem die Novomatic interessiert gewesen sein.

Norbert Hofer (FPÖ): Laut Chat-Protokollen wurde Hofer im Februar 2019 informiert, dass Peter Sidlo in den Casinos-Vorstand gehievt werden soll. Hofer war zu diesem Zeitpunkt Verkehrsminister und Regierungskoordinator.

Thomas Schmid: Er war Hartwig Lögers Generalsekretär. Er soll Ministeriums-Papiere zum Thema Glücksspiel-Lizenzen fotografiert und an die Novomatic geschickt haben.

Josef Pröll (Casinos, ÖVP): Der ehemalige ÖVP-Finanzminister wurde für die Behörden interessant, weil er den Posten als stellvertretender Aufsichtsrats-Präsident bei den Casinos Austria innehat. Unklar ist, ob und wie er mit dem Deal vertraut war. Darüber hinaus wird ihm und Rothensteiner wegen hoher Abfertigungszahlungen an frühere Casinos-Vorstände auch Untreue vorgeworfen.

Bettina Glatz-Kremsner (Casinos): Als Sebastian Kurz ÖVP-Obmann wird, wird Glatz-Kremsner stellvertretende Parteichefin. Sie war davor schon im Vorstand der Casinos Austria. Als Sidlo Teil des Vorstands wird, steigt sie zur Vorstandsvorsitzenden auf. Von den Ermittlungen der WKStA ist sie bisher nicht betroffen.

Die Novomatic bestreitet alle Vorwürfe rund um Posten- und Gesetzes-Deals und bezeichnet sie als „völlig haltlos“. Für alle hier genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

18 Monate war die türkis-blaue Regierung im Amt. Aktuell laufen Ermittungen gegen 3 ehemalige…

Gepostet von kontrast.at am Mittwoch, 13. November 2019

5. Was hat Sebastian Kurz als Bundeskanzler gewusst?

Im August berichten mehrere Zeitungen, dass in einer nicht bestätigten anonymen Anzeige auch der Name von Sebastian Kurz auftaucht. Auch er soll über die Bestellung von Peter Sidlo zum Finanzdirektor informiert gewesen sein. Kurz streitet das ab und sagt bis heute, nichts von den Sidlo-Plänen gewusst zu haben.

6. Casino-Affäre: Was passiert jetzt politisch?

Neben den Gerichten beschäftigt die Casino-Affäre auch das Parlament: Die SPÖ hat im November eine Sondersitzung im Nationalrat beantragt und gemeinsam mit den NEOS einen Untersuchungsausschuss eingerichtet. Gegenstand des Ausschusses ist die „mutmaßliche Käuflichkeit der schwarz-blauen Bundesregierung“. Der Name des Ausschusses deswegen bezeichnenderweise: Ibiza-Untersuchungsausschuss.

„Der Blick im U-Ausschuss soll sich gezielt dorthin richten, wo jetzt die Justiz auf Hochtouren ermittelt. Die Justiz hat die Verantwortung, strafrechtliche Aspekte zu beleuchten, es ist unsere Aufgabe im Parlament, die politische Verantwortung zu klären“, so SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.

Casino Affäre: FPÖ Sidlo von Löger u.a. ins Amt gehievt

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Kristinaenfor
Kristinaenfor
31. März 2020 07:03

Ist jemand zu Hause? 🙂

Reinhard
Reinhard
14. Dezember 2019 09:09

Kann mir jemand erklären, was ein Mensch leisten muss, um ein Gehalt von 700000€/Jahr zu gerechtfertigen? Vielleicht sollte man die Gahaltsstrukturen einmal überdenken, dann sind derartige Positionen nicht so interessant für die Politik und deren Zöglinge.

Christacwinter
Christacwinter
18. November 2019 15:29

Warummwird nicht gegen Sebastian kurzbermittelt. Wenn ervetwascgewusstbhat, istberbmitschuldig, Werner nichts gewusstbhstbfahrläsdig

Völlig egal, diese
Völlig egal, diese
16. November 2019 10:32

Hetze, weil jeder weiß, dass es für Politiker und ihre Taten keine: KEINE Konsequenzen gibt.

Navratil
Navratil
15. November 2019 19:33

Es ist doch klar wenn ein Versicherungsvertreter in gehobener Position seine Einstellung nicht ändern kann und will . (Undschuldsvermutung)

J.H.
J.H.
15. November 2019 07:05

Korrupte Politiker ziehen uns eh schon genug Geld aus der Tasche.
Das genügt ihnen nicht, sie machen es auch über das Glücksspiel und teilen sich auch diese Pfründe mit „Deals“ auf.
Übrigens, das Glücksspiel ist das unnötigste was es bei uns gibt und ist so eine große Sparte, warum wohl?

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