
Immer mehr Seeufer in Österreich sind unzugänglich, denn: Es sind Privatgrundstücke der Reichen und Superreichen. Am Wörthersee gehören 82 Prozent des Ufers Privaten, am Ossiacher See und am Attersee 76 Prozent. Sich an heißen Sommertagen abzukühlen wird immer schwieriger. Doch es geht auch anders. Die Stadt Wien weitet jetzt Uferzugänge aus – und macht 25.000 m² Grünfläche zum Erholungsgebiet.
Österreich wird im Sommer immer heißer, Abkühlung folglich wichtiger. Gut, dass Österreich das Land der Seen ist – 25.000 Seen gibt es hierzulande. Das Problem ist nur: Sie sind nicht alle frei zugänglich. Das österreichische Wasserrechtsgesetz regelt zwar die Benutzung öffentlicher Gewässer – und erlaub eine unbeschränkte Nutzungsfreiheit – jedoch regelt es nicht den Zugang zu diesen Gewässern. Freie Seezugänge werden immer seltener. Die Seeufer Österreichs sind zunehmend mit Villen, Hotels und Zweitwohnsitzen zugebaut und erlauben nur den Besitzern und zahlenden Gästen den Zutritt zum Wasser.
82 Prozent des Wörthersees sind in Privatbesitz
Ein Extrem-Beispiel für das Verscherbeln von Seeufern ist der Kärntner Wörthersee. Dort sind 82 Prozent des Sees in Privatbesitz und nur 9 Prozent öffentlich zugänglich. Der Rest ist wegen der Geografie des Sees nicht zugängig. Die Situation am Wörthersee hat die slowenische Mitte-Links-Opposition dazu verwendet, um in einem Referendum vor dem Verkauf slowenischer Seeufer und Küsten an private Investoren zu warnen. Mit Erfolg: 86% der Slowenen stimmten gegen die Novelle des Wassergesetzes, die eine Ufer-Privatisierung bedeuten würde.
Doch der Wörthersee ist kein Einzelfall. Ähnlich gestaltet sich das Bild am Attersee in Oberösterreich und am Ossiacher See in Kärnten. Dort sind jeweils 76 Prozent des Seeufers in Privatbesitz. Am Attersee sind 13 Prozent öffentlich zugänglich, am Ossiacher See sogar nur 7 Prozent.

Österreichs Seeufer sind zu einem immer größeren Teil in Privatbesitz und für die Öffentlichkeit nicht zugängig.
Öffentlich zugänglich heißt aber noch nicht gratis zugänglich. Ein großer Teil der öffentlichen Seeufer wird von Strandbädern eingenommen, die fast immer Eintritt für die sommerliche Abkühlung verlangen.
Sogar am Bodensee kämpft man um freien Seezugang
Österreichs Seen müssen aber nicht denen vorbehalten sein, die sich das Haus am See oder den Urlaub im See-Hotel leisten können. Ein Positiv-Beispiel ist der Bodensee. Neben einem strengen Naturschutzgesetz, das Verbauung oft verhindert, steht im Vorarlberger Straßengesetz geschrieben: „Ein 10 m breiter Streifen am Ufer des Bodensees, ausgenommen Bauwerke, darf von Fußgängern auch ohne Einverständnis des Grundeigentümers jederzeit betreten werden. Im Bereich dieses Streifens ist es untersagt, den freien Zugang zum Bodensee durch Errichtung von Zäunen oder sonstigen Maßnahmen zu versperren oder zu behindern“. Theoretisch darf sich also jeder und jede frei dort bewegen. Doch eine Studie des Instituts für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung zeigt, dass in der Praxis der Zugang u.a. aufgrund von Yachthäfen, Freibädern und privater Nutzungen für die Allgemeinheit eingeschränkt ist.
Der Bodensee ist nur dann wirklich attraktiv, wenn er den BürgerInnen und EinwohnerInnen dieses Lebensraumes auch zur Verfügung steht und nicht nur wenigen, definierten und bevorzugten Gruppen oder Einzelnen wie besonderen Interessensgruppen, sozialen Eliten oder Vermögenden, erklären die Autoren in der Studie.

Sandstrand bei der Marienschlucht am Bodensee (Foto: Ramessos/Wikipedia, CC BY-SA 3.0)
Öffentliche Seen – aber privatisierte Ufer
Die meisten großen Seen in Österreich sind über die Bundesforste, Gemeinden und Länder in öffentlicher Hand. Allein den Bundesforsten gehören 11 jener 26 Seen, die größer als 100 Hektar sind, darunter der Attersee, der Traunsee und der Wörthersee.
In Privatbesitz sind hingegen größtenteils der Neusiedlersee im Burgendland (Familie Esterházy), der Mondsee in Oberösterreich (Nicoletta Waechter), der Faaker See in Kärnten (Familien Bucher und Catasta), der Keutschacher See in Kärnten (Gundula Meßner) sowie der Irrsee in Oberösterreich (Streubesitz verschiedener Miteigentümer über den Sportanglerbund Vöcklabruck).
10 Prozent vom Wolfgangsee in Salzburg gehören dem Großgrundbesitzer Scheidt, der auch den Schwarzensee sein Eigen nennt. Dass es sich bei den meist ererbten See-Juwelen um große Vermögenssummen handelt, zeigt das kolportierte Inserat zum Verkauf vom Keutschacher See 2019. 30 Millionen soll der Kaufpreis sein, eine öffentliche Beteiligung wurde nicht ausgeschlossen.
Doch öffentlicher Besitz heißt nicht gleich Zugänglichkeit. Ein kompliziertes Netzwerk aus Pacht- und Nutzungsverträgen erschwert den Zugang. Die Ufergrundstücke sind dabei oft in Privatbesitz oder aber privat gepachtet.
Die Zunahme an Zugangsbeschränkungen an Seezugängen hänge auch damit zusammen, dass die Bundesforste zunehmend unter einem Vermarktungs- und Kommerzialisierungsdruck stehen, meint die Soziologin und Raumplanerin Gerlind Weber im Gespräch mit Kontrast:
„Die Österreichischen Bundesforste sind heute eine Aktiengesellschaft. Das merkt man auch. Sie sind seit langem damit beschäftigt, ihren Grund und Boden stark zu kommerzialisieren. Ich selbst komme vom Mondsee. Der Mondsee ist in Privatbesitz, aber viele Anrainergrundstücke gehören den Bundesforsten. Wir haben als Kinder dort noch wild gebadet. Dort schwimmen zu gehen war unser größtes Glück. Da konnte man sich einfach frei niederlassen. Diese Grundstücke wurden dann teilweise parzelliert und verpachtet. Jetzt steht überall das Schild Privat!, Privat!, Privat! Nur ein kleiner Abschnitt ist noch für die Allgemeinheit zugänglich. Da staut sich natürlich alles, während die abgezäunten Pachtgrundstücke über weite Strecken ungenützt sind.“
Nur 8 Prozent des Mondsees sind öffentlich zugänglich – im Gegensatz zu 54 Prozent privater Zugang und 38 Prozent natürlicher Barrieren.
Es geht auch anders: Wien macht 63 Kilometer Donau-Ufer zugänglich
Die Stadt Wien probiert einen anderen Weg und will der Bevölkerung Abkühlung ermöglichen. An der Donau sind insgesamt 63 Kilometer Uferfläche gratis zugänglich. Private Wasserzugänge gibt es in Wien praktisch nicht.

In Wien ist fast das gesamte Donauufer frei zugänglich. Die wenigen privaten Zugänge, die es gibt, sind meistens Teil von Sportvereinen. Foto: ArbeiterInnenstand/Stadt Wien
Während andere Bundesländer Ufer- und Seezugänge sperren und privatisieren, geht die Stadt den umgekehrten Weg und vergrößert sogar die freien Zugänge. Bereits 2015 wurde der „ArbeiterInnenstrand“ an der Oberen Alten Donau eröffnet und 2016 die Strombucht am Dampfschiffhaufen. Jetzt kommt schrittweise noch eine 25.000 m² große Grünfläche am linken Ufer der Oberen Alten Donau dazu. Diese Fläche war bis 2020 verpachtet, dann hat die Stadt die Verträge nicht verlängert – da öffentliches Interesse an den Flächen besteht. Die ersten Flächen können alle WienerInnen schon diesen Sommer kostenlos nutzen.
„Uns ist der kostenlose Wasserzugang für alle ein zentrales Anliegen, anders als in vielen Bundesländern privatisieren wir keine Uferzonen, sondern öffnen sie und bieten damit kostenloses Urlaubsfeeling in der Millionenstadt“, so die für die Wiener Gewässer zuständige Stadträtin Ulli Sima.
Es geht nicht nur um Freizeitvergnügen, sondern auch um Gesundheit
In skandinavischen Ländern oder der Schweiz gibt es ein „Jedermannsrecht“, das es Menschen, unabhängig von Besitzverhältnissen, erlaubt, Grund und Boden der Natur zur Erholung zu nutzen. In Österreich sind es GrundeigentümerInnen, die bestimmen, wer welche Fläche betreten und nutzen darf. Das schränkt die Bewegungsfreiheit stark ein – finden auch die JuristInnen und AutorInnen der Studie „Recht auf Natur„, die im Auftrag der Arbeiterkammern, der Naturfreunde und des Alpenvereins durchgeführt wurde. Die AutorInnen haben die verschiedenen Rechtsebenen in Österreich untersucht und kommen mitunter zu dem Schluss, dass „die österreichische Rechtslage im Verfassungsrecht (…) äußerst restriktiv ist, wenn es um die Möglichkeit der Naturnutzung für Erholungs- und Freizeitaktivitäten geht.“
Dabei geht es gar nicht nur um Freizeitvergnügen. Ein freier Zugang zu Natur – ob Wälder, Wiesen oder Seen – ist auch eine Frage der Bevölkerungsgesundheit und damit auch eine volkswirtschaftliche.

Realität am Kärntner Wörthersee: 82 Prozent des Seeufers sind in Privatbesitz und nur 9 Prozent öffentlich zugänglich. (Foto: Screenshot Addendum)
Petition: Freier Seezugang als Grundrecht in der Verfassung
Das Beispiel Wien zeigt, dass ein freier Seezugang kein Ding der Unmöglichkeit ist. Die Politik muss dafür aber die Bedürfnisse der Bevölkerung über die einer kleinen, reichen Elite stellen. Unsere Seen sind Teil der österreichischen Naturlandschaft genauso wie unsere Berge und Flüsse. Keiner hat ein Vorrecht darauf, weil keiner sie selbst gebaut hat.
Ein Schritt zur Öffnung der Seeufer wäre, das Recht auf freien Seezugang in die Verfassung zu schreiben. Aufbauend darauf, können dann für die verschiedenen Seen in Österreich jeweils passende Lösungen gefunden werden, um der Bevölkerung den Zugang zum Wasser zu garantieren. Man könnte Uferstreifen frei halten oder Gemeinden, Länder und Bund könnten See-Grundstücke zurückkaufen und den Zugang öffnen. Die Sozialistische Jugend fordert per Petition, einen freien Seezugang in die Verfassung zu bringen. Hier kannst du unterschreiben.

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Wasserflächen und Naturschutzgebite gehören der Allgemeinheit. Private Seezugänge sind entweder vom Erbadel oder vom Tafelsilberverkauf korupter Regierugen zustande gkommen . Das gehört bereinigt . Zugang für die Allgemeinheit auf allen Seen .. Entsprechende Enteignungen sind zu vollziehen .
Hallo ich bin Pius der Hund
Das Anliegen des freien Seezuganges ist sehr verständlich und berechtigt. Doch es rüttelt am Grundrecht auf freies Eigentum. Fast alle Seeufer gehören Privatleuten, die sie wirtschaftlich oder persönlich nutzen wollen. Die Änderung, dass Seeufer öffentlich zugänglich gemacht werden müssen, wäre wünschenswert, doch ein schwerer Eingriff in die Gesetzeslage.
Als ungelöstes Problem bliebe dann noch jenes der Verschmutzung: Die Nutzer freier Zugänge lassen bekanntich viel Dreck liegen und scheren sich nicht darum. Wer soll diesen wegräumen?
Es würde schon genügen unklare Verhältnisse aufzuklären.
„Der seinerzeitige Oberförster hat mit meinem Urgroßvater eine mündliche Vereinbarung getroffen…….z.B.“.
Weiters, wo hinterlassen die „Privaten Besitzer“ ihre regelmäßigen „Bedürfnisse“? Im See!!
An den wenigen frei zugänglichen Stellen am Attersee sind Mistkübel und WC Anlagen vorhanden.
Man schaue einmal über die hohen Sichtschutzzäune der Privaten !
Am Wörtersee müssen eben Infrastrukturprojekte für die Tourismus Betriebe ohne Seezugang geschaffen werden, d,h. öffentliche Badestrände im Allgemeininteresse an vielen Stellen. Die Verfahren zu den Ablösen werden Jahre dauern, daher sollte man rasch damit beginnen.