Am Sonntag, den 25. September wählen die Tiroler:innen einen neuen Landtag. Die SPÖ will dort nach neun Jahren in der Opposition wieder in die Regierung. Leistbares Wohnen, einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem 1. Lebensjahr und massiven Ausbau erneuerbarer Energien sowie der öffentlichen Verkehrsmittel wollen sie umsetzen. Wir haben mit SPÖ-Spitzenkandidat Georg Dornauer über seine Pläne gesprochen.
Hilfen für Familien und Unternehmen und einen starken Staat in der Energiekrise
Kontrast: Herr Dornauer, was sind die ersten Schritte, die Sie machen, wenn Sie in der Regierung sind?
Georg Dornauer: Sollten wir in Regierungsverantwortung sein, werden wir alles daransetzen, damit wir unsere Familien, aber auch unsere Betriebe und Industrie-Unternehmen sicher durch die aktuelle Teuerungswelle manövrieren. Das Hauptproblem sind dabei natürlich die explodierenden Energiepreise. Gerade im Industriebereich, aber auch in der Hotellerie, ist das dramatisch. Da geht es teilweise um eine Vervierfachung oder Versechsfachung der Preise.
Eine große Gießerei in Innsbruck mit 700 Mitarbeiter:innen beispielsweise muss laut Berechnungen statt 4 Millionen Euro an gesamten jährlichen Energiekosten ab dem nächsten Jahr 24 Millionen Euro bezahlen. Da sind nicht nur Arbeitsplätze in Gefahr, sondern der Unternehmer warnt auch vor sozialen Unruhen.
Kontrast: Wie schaut es da mit den Maßnahmen der Landesregierung aus? Was würden Sie anders machen?
Georg Dornauer: Die Aufgabe des künftigen Landeshauptmannes von Tirol wird sein, die Interessen des Landes klar zu formulieren und gegenüber dem Bund stark zu vertreten. Wäre ich an dieser Stelle, würde ich ganz klar sagen, dass wir ähnlich wie in der Corona-Krise einen ganz starken Staat brauchen. Wir dürfen jetzt nicht die Arbeitsplätze aufs Spiel setzen. Wir dürfen nicht den sozialen Frieden aufs Spiel setzen und wir müssen bei der Energiepreis-Problematik reagieren. Dazu kommt, dass wir unbürokratisch und rasch den Unternehmen helfen müssen.
Grund und Boden vor Spekulation schützen
Kontrast: Und wie schaut es langfristig aus? Wenn es nach Ihnen geht, wie soll Tirol in fünf Jahren ausschauen?
Georg Dornauer: Sollte die SPÖ in Tirol in Regierungsverantwortung kommen, dann wollen wir in vier wesentlichen Bereichen eine Richtungsänderung vorantreiben. Das ist zum einen im Bereich Wohnen. Da werden wir bei der Grund- und Boden-Politik rigoros ansetzen müssen.
Kontrast: Wie kann man sich das vorstellen?
Georg Dornauer: Das Problem ist, dass wir nur 12,3 % besiedelbare Fläche haben und davon in den letzten 30 Jahren durch die ÖVP-Dominanz massiv viel in Bauland gewidmet wurde. Doch dieses Bauland wurde nicht dem Widmungszweck zugeführt – nämlich einer Bebauung. Sondern diese paar wenigen Grundeigentümer und Großgrundbesitzer sind dann relativ schnell draufgekommen, dass sie auf keiner Bank der Welt eine entsprechende Rendite erhalten und haben stattdessen auf Grund und Boden gesetzt. So wurden diese Flächen – im Speziellen in Tirol – zum Spekulationsgut. Jetzt sind die Preise so hoch, dass sich junge Familien unser Tirol nicht mehr leisten können. Da wollen wir den Hebel ansetzen, möglicherweise mit einer Bebauungspflicht und mit einer massiven Besteuerung dieses brachliegenden Landes. Wir müssen es jedenfalls mobilisieren, sprich auf den Markt bringen, sowohl für unsere gemeinnützigen sowie unsere privaten Bauträger, als auch, um neue Wohnformen entstehen zu lassen.
Personal-Offensive in der Pflege und klimaneutral bis 2040
Kontrast: Was sind die drei anderen Bereiche?
Georg Dornauer: Das Zweite ist der Verkehr. Man braucht das notwendige politische Geschick gegenüber Berlin, gegenüber Brüssel, gegenüber Wien und gegenüber Rom, damit wir den Transitverkehr endlich in den Griff bekommen. Da geht es um 2,5 Millionen LKW pro Jahr, die über den Brenner fahren. Das Dritte ist die Pflege. Da wollen wir – natürlich gemeinsam mit dem Bund – eine massive Personal-Offensive starten. Dazu zählt etwa, dass wir in der Aus- und Umbildung ab dem ersten Tag ein Gehalt bezahlen, von dem man leben kann. Wenn wir dann ansatzweise genügend Personal haben, müssen wir die 35 Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich und den Pensionsanspruch ab dem 60. Lebensjahr ohne Abschläge einführen.
Als vierten Punkt müssen wir alles dransetzen, bis 2040 ein klimaneutrales Tirol zu schaffen. Das heißt, wir brauchen den konsequenten, wenngleich naturschonenden Ausbau unserer Wasserkraft und eine massive Fotovoltaik-Offensive auf den Dächern Tirols. Außerdem wollen wir beweisen, dass mit der SPÖ eine echte Verkehrswende möglich ist:
In den nächsten 5 bis 10 Jahren muss es möglich sein, dass man in allen neun Bezirken in Tirol vom Außerfern bis nach Lienz, von Landeck bis nach Kufstein ohne PKW seinen oder ihren Arbeitsplatz erreicht – mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Kontrast: EnRechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr hat die SPÖ Tirol als einzige Koalitionsbedingung formuliert. Warum?
Georg Dornauer: Weil wir glauben, dass es die Möglichkeit schafft, Familie und Beruf zu vereinen und damit Altersarmut von Frauen endlich entgegenzuwirken. Da geht es um Gleichstellungs- und Frauenpolitik. Dazu haben wir gemeinsam mit der Bundes-SPÖ und dem Gemeindevertreter:innen-Verband auch einen ganz klaren Fünf-Punkte-Plan ausgearbeitet.
Mit Schwarz-Blau käme Sozialabbau und ein Rückschritt in der Familienpolitik
Kontrast: Anton Mattle, der Tiroler ÖVP Spitzenkandidat, hat mehrfach eine Regierung mit der FPÖ ausgeschlossen. Wie sicher ist das?
Georg Dornauer: Ich weiß aus gut informierten Kreisen, dass – sollte die Tiroler Volkspartei stark verlieren, etwa -10 Prozent oder gar unter 30 Prozent-Marke fallen, dann ist Anton Mattle als Parteiobmann Geschichte. Damit wird jetzt schon gerechnet – und jetzt schon wird in der zweiten Reihe an Schwarz-Blau geschmiedet. Die ÖVP wird jedenfalls alles daran setzen, den Machterhalt zu manifestieren.
Kontrast: Was würde das für Tirol heißen?
Georg Dornauer: Massiven Sozialabbau, einen Rechtsruck, einen Rückschritt in der Familienpolitik und keine progressive moderne Zukunft im Sinne eines Zusammenhalts und eines solidarischen Gedankens. Genau das Gegenteil also, das wir für die nächsten Jahre wollen.
Die ÖVP als personalisierter Stillstand
Kontrast: Jetzt schaut es so aus, dass die ÖVP vor einer historischen Niederlage steht. Umfragen rechnen mit 28 %. Was sind da die Ursachen?
Georg Dornauer: Ich glaube, dass die Menschen von der ÖVP-Grünen Bundesregierung enttäuscht sind. Aber sie sind auch nach neun Jahren ÖVP-Grünen Landesregierung draufgekommen, dass sie der personalisierte Stillstand sind. Dass in den wesentlichen Themen wie Wohnen, Verkehr, Pflege, Ausbau erneuerbarer Energie gar nichts weitergegangen ist.
Unser Bundesland ist buchstäblich nicht mehr leistbar. Junge Menschen müssen von ihrer Heimat wegziehen, weil sie es sich nicht mehr leisten können. Dann kommt noch ein hohes Maß an Verwobenheit mit Lobbyisten, mit dem Wirtschaftsbund und mit dem Bauernbund dazu. Es wird Klientelpolitik betrieben in Reinkultur. Man hat das auch im Corona-Krisenmanagement von Landeshauptmann Platter gesehen. Er hat hier kläglich versagt.
Kontrast: Erst kürzlich sind die Inserate-Geschäfte und Corona-Förderungen rund um die Tiroler ÖVP-Landjugend ans Licht gekommen. Was ist denn da passiert?
Georg Dornauer: Es ist ein Paradebeispiel für die ÖVP-Politik, wie sie es seit Jahren und Jahrzehnten betreibt. Sie bedient sich an öffentlichen Mitteln, wo es gerade geht und bewegt sich da auch im rechtlichen Graubereich. Ich kritisiere nicht die jungen Menschen, die in diesen Vereinen organisiert sind und oft nicht wissen, dass sie mit dem Eintritt in den Verein bereits parteipolitisch organisiert sind. Aber wen ich in aller Deutlichkeit kritisiere, das sind die ÖVP-Spitzenpolitiker in Tirol und in der Landwirtschaftskammer. Denn die haben das Ganze orchestriert und die Förderungen in Wien abgeholt. Über den Katalysator Bauernbund-Landwirtschaftskammer sozusagen ist das dann an die Vereine ausbezahlt worden.
Sich so schamlos zu bedienen an öffentlichen Steuermitteln, ist skandalös.
Kontrast: Kann man sagen, dass das System bei der ÖVP hat? Es ist schließlich nicht der erste Skandal…
Georg Dornauer: Die ÖVP hat die Klientelpolitik in ihrer DNA. Wenn sie irgendwo in der öffentlichen Hand einen gewissen Spielraum orten, dann bedienen sie sich an diesem. Das haben wir zum Beispiel bei den Überförderungen der Hotellerie und des Tourismus bei den Cofag-Hilfen gesehen. Das geht ja auch aus Rechnungshofbericht hervor. Und das wird sich bei jeder Gelegenheit wieder ergeben. Es wird sowohl im Land Tirol als auch im Bund der ÖVP offenkundig einmal guttun, sich in der Opposition von diesen Machenschaften zu erholen.
Das heißt, es ist höchste Zeit, dass eine andere Landesregierung ans Ruder kommt. Die Welt würde sich weiterdrehen und Tirol täte dieser Modernisierungsschub gut.