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Alle zwei Wochen ein Frauenmord – Die Politik macht sich schuldig, wenn sie nichts unternimmt

Dieses Jahr gab es bereits 17 Frauenmorde in Österreich – alle zwei Wochen einer. Das ist im Verhältnis zur Bevölkerung ein tragischer Rekord in Europa. Kein positiver Beitrag war die drastische Kürzung der schwarz-blauen Regierung beim Gewaltschutz. Die Einrichtungen fordern dringend mehr Budget und Personal, doch Frauenministerin Raab sieht keinen Bedarf für mehr Mittel.

Der Juli ist noch nicht vorbei und es hat in Österreich bereits 17 Frauenmorde gegeben – alle zwei Wochen verliert eine Frau durch eine Gewalttat ihr Leben. Damit setzt sich eine traurige Tendenz fort. Im Jahr 2020 gab es in Österreich 31 Frauenmorde. Das ist im Verhältnis zur Bevölkerung ein tragischer Rekord in Europa. Überhaupt ist Österreich das einzige Land der EU, in dem mehr Frauen als Männer ermordet werden. Und die Zahlen sind gestiegen: Waren es 2014 laut Kriminalstatistik noch 14 Frauenmorde, hat sich die Zahl bis 2020 auf 31 Opfer mehr als verdoppelt. Trauriger Höhepunkt war das Jahr 2018 mit 41 Femiziden.

Dass im Pandemiejahr 2020 die Zahl weiblicher Mordopfer etwas sank, führen OpferschutzexpertInnen vor allem darauf zurück, dass weniger Frauen ihre Männer verlassen konnten – für Frauen oft der gefährlichste Moment in der Beziehung mit einem Gewalttäter. Dafür habe die Gewalt gegen Frauen in Beziehung stark zugenommen.

Weil es zu wenig Personal und Geld gibt, bleibt zu wenig Zeit für die Begleitung von Opfern familiärer Gewalt.

Alle, die im Gewaltschutz arbeiten, sind alarmiert. 6.199 Fälle hat die Interventionsstelle gegen Gewalt an Frauen letztes Jahr betreut, dafür reicht das Personal bei weitem nicht aus, warnt Rosa Logar, die Leiterin der Wiener Interventionshilfe. Bis zu 300 Opfer müsse eine Beraterin betreuen, nicht einmal fünf Stunden bleibt da für ein Opfer. Ein Bewährungshelfer darf maximal 35 Täter betreuen, „für Opferschutz gibt es aber keine Standards“, kritisiert Logar und fordert dringend mehr Mittel für die Opferbetreuung. 

Es braucht 3.000 Angestellte mehr im Gewaltschutz

Das sieht auch die Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, Maria Rösslhumer im Standard-Interview so: „Es ist einfach unglaublich, was sich da abspielt in Österreich. Es sind so viele Frauen von Gewalt betroffen. Wir bräuchten viel mehr Geld und Personal, um das alles bewältigen zu können. Es bräuchte mindestens 3.000 Arbeitsstellen.“

SPÖ-Nationalratsabgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek fordert dringend einen Gewaltschutzgipfel und konkrete Schritte:

ExpertInnen beklagen die mangelnde Kommunikation zwischen Polizei, Justiz und Interventionsstellen. Ein gefährliches Manko, das vor allem auch durch die Abschaffung der Hochrisikokonferenzen unter Türkis-Blau entstanden ist. Die Wiedereinführung der Hochrisikokonferenzen wurde zwar beschlossen, aber auf eine bundesweite Umsetzung drängen wir seit langer Zeit vergebens“. 

Auch Neos-Frauensprecherin Henrike Brandstötter fordert dringend mehr Budget für Gewaltschutz und mehr Hilfseinrichtungen für Gewaltopfer. „Da müssen wir etwas tun“, sagt auch Umweltministerin Gewessler bei einer Pressekonferenz zur Arbeitslosigkeit. Nur Frauenministerin Raab (ÖVP) zeigt sich mit der jetzigen Situation zufrieden: „Der Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt ist der gesamten Bundesregierung ein wichtiges Anliegen. Daher fließt ein großer Teil des Frauenbudgets in Gewaltschutz-Maßnahmen.“

Großer Rückschritt unter Türkis-Blau

Dabei hat auch Türkis-Grün die massiven Kürzungen bei Fraueneinrichtungen nicht zurückgenommen. Besonders betroffen waren Initiativen im Bereich der Gewaltprävention. Ein Beispiel ist die Kürzung bei der Familienhilfe mit dem Schwerpunkt der Hilfe bei Gewaltsituationen und Misshandlungen in der Familie. Das Budget der Organisation wurde um eine Million gekürzt, 18.000 Familien sind davon betroffen.

Auch Anti-Gewalt-Seminare für angehende Polizistinnen und Polizisten waren von Kürzungen betroffen. Konkret wurden 2018 die zweitägigen Seminare über „Gewalt in der Familie“ eingespart. Seit 1997 waren sie Teil der Polizei-Grundausbildung. Zusätzlich stampfte das Innenministerium die Wiener Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt ein. In diesem Bündnis von Polizei, Justiz und Frauenhäusern wurden gemeinsam Hoch-Risikofälle besprochen, um passende Präventivmaßnahmen treffen zu können. Polizei und Politik lobten diese Arbeit, dennoch hat Türkis-Blau beschlossen, das Projekt nicht mehr weiterzuführen. Opferschutzorganisationen fordern alle, die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Justiz und Frauenschutzorganisationen  zu intensivieren.

Die Kürzungen von Fraueneinrichtungen, besonders im Bereich der Gewaltprävention, waren ein gezielter Angriff auf Frauenorganisationen. Rechten Politikerinnen und Politikern sind diese ein Dorn im Auge. So meinte etwa Brigitte Kashofer von der FPÖ:

„Frauenhäuser zerstören Ehen!“

Prävention von Gewalt gegen Frauen

Die Vorgabe der Istanbul-Konvention nach einem Frauenhausplatz pro 10.000 EinwohnerInnen erfüllt derzeit nur Wien. Ein fünftes Frauenhaus mit 50 zusätzlichen Plätzen ist dort in Bau und soll 2022 eröffnen. Anders die Situation in den Bundesländern. Kritisch ist auch die fehlende Absicherung der Mitarbeiterinnen in Gewaltschutzeinrichtungen und Frauenberatungsstellen. Unter ihnen herrscht seit den drastischen Kürzungen unter Türkis-Blau große Unsicherheit.

Hilfe bei Gewalt
Hilfe für Frauen: 24-Stunden-Frauennotruf: 0171719 Rat auf Draht: 147 Frauen-Helpline: 0800222555 Beratung für Männer: Mannsbilder: 0512 576644 Männerberatung Wien: 01 6032828 Männerberatung der Caritas: 02742 353510 335

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Quatsch!
Quatsch!
30. April 2021 16:05

Politik ist an nichts schuldig und fühlt sich für nichts als sich selbst verantwortlich: so empfinden die meisten bezüglich euch.
„Schulmeister: Wenn man Arbeitslose jetzt im Stich lasst, kriegen die Rechtspopulisten wieder Zulauf“
Schon traurig immer wieder diese Argumentationen zu lesen! Da

…
Reply to  Quatsch!
30. April 2021 16:07

fürchtet man sich des eigenen Machtverlustes mehr, als dass man sich um die armen arbeitslos Gemachten kümmert. Und zwar tief innerlich. Nur das hat wert. Und solche Formulierungen zeigt die wahren Begehrlichkeiten, und dass mit den Armen gar nicht GEFÜHLT wird. Wieder so eine verfehlte Komm-

…
Reply to 
30. April 2021 16:14

unikationsstrategie. Gott sei Dank, sage ich da. Es sind mir die am liebsten, die sich ständig selbst verraten. Hat man ’ne Uni hinter sich, überschätzt man sich selbst wohl täglich. Und alle anderen sind wohl dumm? Tsss!
Tipp an die Erwachsenen der Zukunft: Geht nicht an irgendeine Uni, sucht euch Ausbildungsstätten mit den richtigen Lehrern, egal ob Uni oder anderes! Es soll euch um Bildung gehen, nicht um diese Abschlussbetitelungen. Und ob mit dem weitaus wichtigerem Wissen Berufstätigkeit errungen wird oder mit ’nem Fake-Titel, das könnt ihr irgendwann selbst entscheiden. Während des Überganges werden die zweiten noch leiden müssen, weil der Unist nur einen Unisten einstellt. Und das ist der Wahnsinn der Gesellschaften dieser Welt. Prof. Dr. Hörmann der Uni Wien weiß Lieder darüber zu singen: »… dabei geht es doch nur um die Schaffung von Hierarchien …«

Petrov
Petrov
Reply to 
30. April 2021 16:17

 »… dabei geht es doch nur um die Schaffung von Hierarchien …«

Sehe ich bei geisteswissenschaftlichen Studien und finanzwissenschaftlichen auch so, die oft von eigenen Profs gar als nicht wissenschaftlich bezeichnet werden.

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