Mesut Özil wird seit Wochen für sein gemeinsames Foto mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan kritisiert. Georg Spitaler im Interview über passende Schuldige, Rassismus im Sport und den Umgang mit Sportlern mit Migrationshintergrund.
Mesut Özil ist in den letzten Tagen heftiger Kritik ausgesetzt. Kannst du die Affäre kurz skizzieren?
Begonnen hat die ganze Aufregung mit einem Foto. Die deutschen Nationalteamspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan haben sich in London gemeinsam mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan fotografieren lassen. Das war noch im türkischen Wahlkampf. Es war ein klassisches Politiker-trifft-Sportler-FoWennto. Aufgrund der politischen Lage in der Türkei hat das Foto große Wellen geschlagen. Man hat Gündogan bei den Testspielen der deutschen Nationalmannschaft ausgepfiffen – Özil hat bei diesen Spielen nicht gespielt. Wirklich zum Problem wurde es aber erst nachdem Deutschland schlecht bei der WM gespielt hat und ausgeschieden ist. Und wie das eben so oft ist, wird dann gefragt: Wer ist schuld?
Also hat man einen Schuldigen gesucht und gefunden?
Hätte Deutschland besser gespielt und wäre weitergekommen, wenn sie vielleicht ins Finale gekommen wären – dann würde heute niemand mehr über das Foto reden. Da hat Özil recht. Oft werden die zu Schuldigen gemacht, die aus welchen Gründen auch immer nicht ganz dazu gehören. Er hat das so formuliert: “Wenn wir gewinnen, bin ich Deutscher. Wenn wir verlieren, bin ich wieder der ‘Ausländer’.”
Gibt es dafür auch Beispiele aus anderen Sportarten?
Dafür gibt es im Sport viele Beispiele. Denken wir an Ben Johnson, ein Kanadier mit Wurzeln in Jamaika. Johnson war 100-Meter Läufer und gewann Gold bei Olympia. In Kanada wurde er als Star und großer Kanadier gefeiert. Nachdem aufflog, dass er gedopt hatte, hat man in ihm wieder den Migranten gesehen.
Was ist an der Kritik an Özil legitim?
Özil wurde von links wie von rechts kritisiert. Erdogans Politik ist ja hoch umstritten. Und zwar sowohl in der Türkei selbst, wie auch in Europa. Insofern kann man an dem Foto viel Kritik üben. Özil argumentiert, dass er das Foto aus Respekt vor dem Präsidentenamt gemacht hat – und es mit jedem anderen Präsidenten auch gemacht hätte. Es sei eine unpolitische Aktion gewesen. Selbst wenn er jemand ist, der sich nur für Fußball interessiert – man kann sich kaum vorstellen, dass er nicht von seiner Vorbildwirkung gewusst hat. Das ist im besten Fall naiv.
Und wo schlägt sie in Ressentiment und Rassismus um?
Die Art und Weise, wie Özil kritisiert wird, zeigt, dass Sportler mit Migrationshintergrund immer einen speziellen Status haben und diesen auch nicht verlieren. Wenn die Kritik an dem Foto mit Aussagen verknüpft wird, er solle nicht für Deutschland spielen oder er sei kein echter Deutscher oder er solle sich in die Türkei ‘schleichen’ – dann sind wir im Bereich des Rassismus.
Würde man mit Spielern, die keinen Migrationshintergrund haben, anders umgehen?
Wenn jetzt etwa Timo Werner ein Foto mit jemandem aus der AfD machen würde – dann hätte man ihn bestimmt auch dafür kritisiert. Vielen Fans ist der Kampf gegen Rassismus ein wichtiges Anliegen. Der hätte dann schon sein Fett abbekommen. Aber niemand hätte ihn aufgefordert, aus Deutschland zu verschwinden. Und niemand hätte gefordert, er solle nicht in der deutschen Nationalmannschaft spielen dürfen.
Auch wenn wir uns ansehen, wer jetzt aller Fotos mit dem russischen Präsidenten Putin gemacht hat – niemand von denen war mit Kritik in diesem Ausmaß konfrontiert.
Welche Folgen wird die Debatte auf den deutschen Fußball haben?
Özil hat auch hier eine Vorbildwirkung. Der DFB hat sich seit dem Jahr 2000 stark bemüht, Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in seine Strukturen zu bekommen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich viele junge Spieler im Zweifel vom türkischen Verband abwerben lassen.
Özil – wenn er gelobt wird fühlt er deutsch. Kritisiert man ihn fühlt er seine Herkunft und Deutschland wird für ihn diskriminierend…
Ich finde die ganze Diskussion eher psychotisch! Deutschland – Selbstbestimmung über alles! Und wie immer muss halb Deutschland oder auch mal die halbe Welt als Sündenbock dafür herhalten. Ist das eine Mentalität? Liegt das in der deutschen Philosophie (des 19ten JHDTs begründet) Das System ist immer schon schuld gewesen – und darauf wurden dann munter und großspurig Systeme bebastelt.
Wie wäre es wieder einmal mit einem westfählischen Frieden!?
Noch: In Deutschland besteht mensch darauf Statusfestschreibungen selbst und nur selbst vorzunehmen! Das war in der Geschichte immer so und aus der Geschichte hat man schließlich gelernt…
Das vermittelt man auch eifrig in “geglückter Integration”So redet mensch auch gerne über sich selbst (und die anderen Hälften) – erspart einem viel Selberdenken!