Wohnen & Miete

„Mietpreisdeckel“ der Regierung nützt vielen gar nicht und hat langfristige Tücken, die man verschweigt

Foto: BKA/Andy Wenzel

Der „Mietpreisdeckel“ von 5 % und das in Verfassungsrang? Die Kritik der Arbeiterkammer ist deutlich: Langfristig bringt das vielen Mieter:innen – je nach Wohnungstyp – mehr Nachteile, am freien Markt dürfen Mieten weiter explodieren – für Genossenschaftswohnungen gibt es gar keine Lösung. Und rückwirkend greifen ÖVP und Grüne ohnehin nicht ein. Die bisherigen Steigerungen wirken also weiter. „Das ganze Vorhaben kommt schlicht zu spät“, sagt Lukas Tockner, Wohnungspolitik-Experte der Arbeiterkammer Wien. Er erklärt im Gespräch, welche Fallen und blinden Flecken der „Mietpreisdeckel“ der Regierung hat.

Bei den Kategorie- und Richtwertmieten wollen die Regierungsparteien festschreiben, dass die Mieten um maximal 5% steigen. Was hat das zur Folge?

Lukas Tockner: Dieser „Bremse“ soll ja nur für Kategorie- und Richtwertmieten gelten – und damit sind wir schon bei einem großen Problem, denn sie gilt nicht für die ungeregelten bzw. freien Mieten im privaten Segment. Dabei ist Tatsache, dass dort die Mieten am höchsten sind und weiter steigen.

Das zweite Problem ist, dass diese „Bremse“ erst ab 2024 gelten soll. Das heißt, es ist gar nicht angedacht, an den erfolgten Erhöhungen etwas zu ändern. Dabei sind die Kategoriemieten in den letzten zwei Jahren vier Mal erhöht worden – um insgesamt 24 Prozent. Da wird nichts rückgängig gemacht, obwohl das nötig wäre. Auch die freien Mieten im privaten Bereich werden mit Ende 2023 um etwa 23 Prozent gestiegen sein.

Das ganze Vorhaben kommt schlicht zu spät. Der Höhepunkt der Inflation ist überschritten und da hätte man schon eingreifen müssen.

Als Arbeiterkammer fordern wir, dass man auch die ungeregelten, privaten Mieten mit einbezieht. Rechtlich wäre das kein Problem. Und wir wollen, dass die 5 %-Bremse auch rückwirkend für 2022 und 2023 angewendet wird, damit die erfolgten Erhöhungen zurückgestutzt werden.

Richtwertmieten wurden ja bisher nur alle zwei Jahre inflationsangepasst. Künftig soll das jährlich passieren – wie wirkt sich das auf die Mietpreise aus?

Tockner: Das wird sich unterschiedlich auswirken, je nachdem ob man in einer Richtwert-Mietwohnung oder einer Kategorie-Mietwohnung lebt. Bei den Richtwermieten war bisher die Erhöhung alle zwei Jahre, ja. 2025 steht da die nächste an, weil ja heuer schon angepasst wurde. Man würde 2025 die Jahresinflation von 2023 und 2024 heranziehen – und hätte dann eine Erhöhung um rund 11 Prozent. Das würde dann mit der Bremse niedriger sein und bei 5 Prozent liegen. In den Jahren danach 2026, 2027 und so weiter, wird es aber zu keinen weiteren „Bremsungen“ kommen, da die Inflation gemäß den Prognosen zufolge nicht über 5 Prozent liegen wird.

Anders ist das alles bei den Kategoriemieten. Da ist es so: Der Kategorie-Mietzins ist an den Verbrauchspreisindex angepasst. Steigt die Inflation über 5%, kommt es zu einer automatischen Erhöhung. In den letzten zwei Jahren war genau das vier Mal der Fall – also öfter. Bei dem Vorhaben der Regierung gibt es jetzt eine kurzfristige und eine langfristige Folge. Kurzfristig wäre mit mehreren Erhöhungen im Jahr zwar Schluss. Gleichzeitig: Wenn dann jährlich auf Basis der Inflation erhöht wird, und die 5 % Schwelle nicht mehr gilt, dann wird es Erhöhungen geben die früher noch nicht zulässig waren.

Bei den gemeinnützigen Bauvereinigungen hat man in Niederösterreich oder der Steiermark das Problem, dass dort oft Bauprojekt-Kredite mit variablen Zinssätzen abbezahlt werden müssen. Weil diese Zinsen auf die Mieten übergeschlagen werden, steigen diese stark an. Was macht die Regierung in diesem Bereich?

Tockner: Im Entwurf der Regierung ist für dieses Problem keine Lösung vorgesehen. Es ist aber ein regionales Problem, das stark mit den jeweiligen Regelungen in der Wohnbauförderung der einzelnen Bundesländer zusammenhängt. Demnach haben wir in der AK hier auch eher die Bundesländer, die solche Probleme haben, in der Pflicht gesehen.

Im Burgenland hat man beispielsweise eine Maßnahme gesetzt – dort wurden die Mieterhöhungen mit einem Sonderzuschuss aus der Wohnbauförderung abgefangen.

Was wären noch andere Möglichkeiten?

Tockner: Man kann auch als Bundesland zukünftig Förderdarlehen mit fixen Zinsen vergeben, falls das noch nicht gemacht wird. Oder man könnte gemeinnützigen Bauvereinigungen vorschreiben, dass sie für den Rest der Geldmittel, den sie von einer Bank über Kredit erhalten, Fixzins-Vereinbarungen treffen müssen.

Würde es die Wohnbau-Investitionsbank noch geben, könnte die jetzt einen Beitrag leisten?

Tockner: Die könnte einen Beitrag leisten. Sie könnte variable Zinsen umschulden – rein hypothetisch, denn sie existiert ja nicht mehr. Sie wurde 2018 abgeschafft.

ÖVP und Grüne wollen den Verbraucherpreisindex verfassungsrechtlich als Grundlage für künftige Miet-Erhöhungen festschreiben. Was hätte das zur Folge?

Tockner: Das hätte zur Folge, dass man sich bzw. künftigen Regierungen den Gestaltungsspielraum wegnimmt. Man bindet sich an den Verbraucherpreisindex und kann dann künftig nicht – oder sehr schwer – eine abweichende Mietpreisbremse beschließen, die z.B. unter 5%-Erhöhung liegt.

Deshalb lehnen wir als Arbeiterkammer die seitens der Regierung geplanten Verfassungsbestimmungen ab. Es ist rechtlich überhaupt kein Problem, eine Mietpreisbremse mit einfacher Mehrheit zu beschließen.

Lukas Tockner ist Referent für Wohnungspolitik in der Arbeiterkammer Wien.

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