Es beginnt der Sommer, viele machen sich Gedanken über ihre Urlaubspläne oder haben vielleicht schon einen Flug gebucht. Doch wie geht es jenen, die am Flughafen für die Sicherheit sorgen? Wir haben mit der Security-Mitarbeiterin Katharina S.* gesprochen. Ihre Arbeit bei der Handgepäckkontrolle ist hart: 12-Stunden-Schichten, Nachtdienste und massive Unterbesetzung – für 9,94 Euro die Stunde. Selbst in den Urlaub zu fahren, ist für sie nicht leistbar, das Einkommen reicht kaum für das Nötigste. Trotzdem liebt sie ihren Job, wie sie erzählt.
Der Artikel wurde am 17. Juni 2022 um die Statements der Flughafen Wien AG ergänzt.
Seit vier Monaten arbeitet die 24-jährige Katharina S. am Flughafen bei der Passagier- und Handgepäckkontrolle – nachdem sie eine fünfwöchige Ausbildung absolviert hat – die zum damaligen Zeitpunkt noch unbezahlt war. Für sie war sofort klar, dass das ihr Traumberuf ist.
„Langeweile ist nichts für mich.“
Am besten gefällt Katharina S. das multikulturelle Team am Flughafen. Von überallher kommen ihre Kollegen und sprechen viele verschiedene Sprachen. Immer ist etwas los und jeder Tag bringt Überraschungen, weil man nicht weiß, mit welchen Kunden man zu tun haben wird.
“Ich komme immer mit einer sehr guten Stimmung in die Arbeit. Es ist ein neuer Tag, du weißt nicht, was der Tag bringt und welche witzige Situation du erlebst. Es ist immer was los. Langeweile ist nichts für mich”, erzählt Katharina S.
Am liebsten steht sie vorne, um die Passagiere aufzufordern, aus dem Handgepäck Flüssigkeiten und elektronische Geräte herauszunehmen. Denn dort habe man am meisten Kundenkontakt und bekommt viel gutes Feedback. Denn immer wieder schätzen es die Passagiere und sind dankbar, wenn man ihnen hilft und freundlich ist.
Beschimpfungen gehören zum Alltag
Doch zum Alltag gehören auch unangenehme Situationen. „Man hat das täglich, dass man angeschrien oder mit Sachen beworfen wird. Ich habe schon auf allen Sprachen Schimpfwörter gelernt. Es ist schon schlimm. Manchmal überwiegt das Gute, aber an manchen Tagen überwiegt das Schlechte, man fühlt sich gedemütigt und beschimpft und man möchte nur weinen“, erzählt die Security-Mitarbeiterin.
Im Sommer erwartet sie eine noch dramatischere Entwicklung. Denn die Mitarbeiter fühlen sich nicht auf den Urlaubsverkehr vorbereitet, weil sie viel zu wenig Personal dafür haben:
„Wir Mitarbeiter haben schreckliche Angst vor dem Sommer. Alle sind gestresst und ängstlich, wie wir den Flugverkehr im Sommer stemmen werden. Denn je länger die Passagiere warten müssen, umso aggressiver werden sie. Aber wir können nichts daran ändern, wenn wir dann 4 bis 5 Stunden Warteschlangen haben.“
Erst kürzlich hat eine Studie gezeigt, dass jede und jeder zweite Beschäftigte von verbaler oder körperlicher Gewalt am Arbeitsplatz betroffen ist.
12-Stunden-Dienste und laufende Kündigungen
Denn verschärft wird die Situation durch die massive Unterbesetzung. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie haben mehr als 300 Personen den Betrieb verlassen, aber jetzt geht der Flugbetrieb wieder sehr stark aufwärts: „Wir haben fast die Zahlen von vor Corona erreicht. Und das mit 300 Mitarbeiter weniger“, beschreibt Katharina S. die Situation. Das führt dazu, dass viele Beschäftigte Überstunden machen müssen, auch nach langen Diensten, die oft 10 oder 11 Stunden dauern. Manchmal hat Frau S. auch 12-Stunden-Dienste. Die Bezahlung für Extra-Dienste am Wochenende und die unzähligen Überstunden ist schlecht, denn „mit diesen zusätzlichen Diensten wird mir nur meine Freizeit geraubt“, erklärt sie. Vonseiten der Flughafen Wien AG wird betont, dass Überstunden nach 10-Stunden-Diensten nur äußerst selten notwendig sind und in jedem Fall ausbezahlt werden. Es wird auch darauf verwiesen, dass es Zulagen für Spät- und Frühschicht sowie den Anspruch auf 6 Urlaubswochen gibt.
Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, hat der Betrieb kürzlich die Möglichkeit einer verkürzten Ausbildung geschaffen. Doch gerade für diese Angestellten ist die Belastung noch stärker, weil sie nur zwei besonders anstrengende Aufgabenfelder übernehmen dürfen. „Das sind die nervenaufreibendsten Aufgaben. Das zieht wirklich an den Kräften von diesen Personen. Man hat kaum Möglichkeit, etwas zu trinken, es ist ständig etwas los, du musst dich um so vieles gleichzeitig kümmern und dauernd schwere Koffer heben. Es ist eine schwere Arbeit“, so die Angestellte.
Von den 9 Personen, die den Kurs gemacht haben, waren dann nur 4 tatsächlich beim Flughafen angestellt. Und davon haben schon zwei gekündigt. “Die anderen beiden sind fertig. Nach drei Wochen in dem Job kannst du die in den Krankenstand schicken für den Rest des Jahres. Das kann so nicht weitergehen”, sagt sie.
Auch in der Ausbildung von Katharina S. waren ursprünglich 16 Personen, aber mehr als die Hälfte will noch im Sommer den Job wechseln.
Laut Auskunft des Flughafens werden laufend neue Mitarbeiter:innen eingestellt. Darüber hinaus sei das Passagier-Aufkommen im Vergleich zu 2019 deutlich geringer: Im Vergleich zum Vorkrisenniveau – dem Rekordjahr 2019 – liegt derzeit das Passagieraufkommen bei 70-75 Prozent und würde auch im Sommer nicht die früheren Werte erreichen. Dafür sei das Personal ausreichend, sagt der Pressesprecher des Flughafens gegenüber Kontrast und versichert, dass damit auch der Sommerverkehr bewältigt werden könne.
Bomben erkennen für knapp 10 Euro pro Stunde
Ein weiterer Grund, warum kaum jemand längere Zeit in dem Job bleibt, ist die schlechte Bezahlung. Der Stundenlohn beträgt 9,94 Euro. Und das, obwohl man in Deutschland für diese Arbeit knapp 20 Euro die Stunde verdient. Einige Kollegen haben sich auch mehr erwartet, sagt die Mitarbeiterin:
„In der Ausschreibung steht 1700 brutto. Das ist es aber nicht immer, weil es davon abhängt, wie viele Dienste, Wochenenddienste und Nachtschichten man macht. Das ist nicht die Welt, damit kann man nicht gut leben. Der Betrieb versucht zu kooperieren, aber er versucht auch immer das beste für sich herauszuholen“, ärgert sie sich.
“Ich glaube, Sicherheit ist mehr wert. Und wir machen einen anstrengenden Job. Ich kann Bomben erkennen und verdiene weniger als 10 Euro in der Stunde. Das ist traurig.”
Unterstützung bekommen die Angestellten durch die Gewerkschaft Vida und ihren Betriebsrat, die sich für sie einsetzt und versucht, das beste für die Belegschaft herauszuholen.
Seit Mai 2022 erhalten die Mitarbeiter:innen bis Jahresende durchschnittlich eine monatliche Prämie von 200 Euro, betont der Pressesprecher des Flughafens. Jedoch gab es für 2022 keine Lohnerhöhung, diese tritt in Höhe von +5,6 % erst mit 1.1.2023 in Kraft. Auch derzeit finden Kollektiv-Verhandlungen statt.
Obst, Pendeln und Urlaub wird zum Luxusgut
Die aktuellen Preissteigerungen spürt Katharina sehr stark. Am Monatsanfang merkt sie meistens, dass es mit dem Geld bis zum 15. knapp wird – an dem Tag wird der Lohn für das laufende Monat überwiesen. Gerade die Sprit- und die Lebensmittelpreise sind eine große Belastung.
„Es ist hart. Ich musste umziehen, ich konnte mir den Sprit nicht mehr leisten, um aus ihrem Heimatort in die Arbeit zu pendeln. Ich musste für ein paar Tage im Auto schlafen und hatte vier Dienste hintereinander. Es ist anstrengend. Wenn du weißt, im nächsten Monat kannst du dir das und das nicht leisten. Früher hat man für 80 Euro beim Hofer ein vollgestopftes Einkaufswagerl bekommen. Heute bekommst du dafür nur ein Sackerl und das war’s.“
Sie erzählt, dass es sich dann doch irgendwie ausgeht, wenn man an den richtigen Stellen spart. Sie erstellt monatlich einen Plan, welche Lebensmittel sie sich für welchen Extra-Dienst leisten kann. Meistens gibt es Fertignudeln. Obst hingegen ist für sie Luxusware.
„Man kann nicht einfach in den Supermarkt gehen und kaufen, worauf man Lust hat. Avocados zum Beispiel waren immer schon sehr teuer, davon habe ich immer schon die Finger gelassen. Wenn ich gerne eine Melone essen würde, muss ich die Hälfte noch halbieren, weil ich mir mehr nicht leisten kann. Es ist kein qualitatives Leben.“
Auf die Frage nach Urlaub lacht sie: „Also Urlaub geht sich keiner aus, die letzten Jahre schon nicht. Ich beneide immer die Leute, die auf der VIP- oder Business-Straße stehen und mit den Gucci-Taschen in den Urlaub fahren. Ich denke mir dann immer, ach, Urlaub wäre schon schön.“
Trotz Vollzeitjob ist Familiengründung kaum leistbar
Trotz allem will Katharina in dem Job bleiben und würde dort gerne aufsteigen. Aber dazu müsste sich die Bezahlung ändern: „Ich will nicht irgendwann 50 Jahre alt sein und 60 Stunden die Woche arbeiten müssen, damit ich mir ein schönes Leben leisten kann“, sagt sie. Wenn die finanzielle Situation so bleibt, kann sie sich auch nicht vorstellen, eine Familie zu gründen.
„Ich mache mir oft Gedanken über die Zukunft. Ich will persönlich keine Kinder haben, weil ich weiß, in mindestens 10 Jahren könnten wir uns kein Dach über den Kopf leisten, wenn ich keinen besser bezahlten Job oder einen Partner habe, der gut verdient. Wenn die Preise so steigen, müsste ich mit meinen Kindern wieder zu meiner Mutter zurückziehen. So ein Leben will ich nicht für jemanden anderen haben“, sagt Katharina S.
Regierungsmaßnahmen sind nur ein kleines Zuckerl
Die Entlastungsmaßnahmen der Regierung sind für Katharina nur ein kleines Zuckerl. Aus ihrem eigenen Umfeld weiß sie, dass das Paket für viele nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Ihre Mutter etwa, die ebenfalls Vollzeit arbeitet, konnte sich letztes Jahr schon das Heizen nicht leisten und wird es kommenden Winter wohl auch nicht warm in ihrer Wohnung haben. Auch die finanziell schwierige Situation ihres Nachbars wird sich durch die Einmalzahlungen kaum nachhaltig verbessern, den sie immer wieder unterstützt:
„Mein Nachbar ist 74 Jahre alt, er spricht kein Deutsch und tut sich schwer, einkaufen zu gehen. Ich gehe oft einkaufen für ihn und ich sage ihm dann einen anderen Betrag als auf der Rechnung. So ist ihm geholfen und er fühlt sich nicht schuldig.“
*Name von der Redaktion geändert.
ich kann auch erkennen ob es ziegen oder schweinfleisch esse ,warum weil ich ziegenfleischverkäufer bin