Sie kochen und backen, putzen, decken den Tisch für ihre Ehemänner – und Millionen Menschen schauen ihnen dabei zu. Tradwives – traditionelle Ehefrauen – haben in den letzten Jahren die sozialen Medien erobert. Die Botschaft ist klar: Nichts erfüllt eine Frau mehr als eine Hausfrau zu sein und sich um Mann und Kind zu sorgen. Die Tradwife-Bewegung wirkt wie ein nostalgischer Lebensstil, der das Bild einer Hausfrauenidylle aus den 50er-Jahren zelebriert. Doch was passiert, wenn sich rechte Parteien diesen Trend zunutze machen?
Es duftet nach Vanille. In einem pastellfarbenen Landhausstil-Kleid rührt eine junge Frau mit sorgsam frisiertem Haar in einer Teigschüssel. Die Küche ist makellos. Im Hintergrund läuft leise Musik, ihr Baby schläft, und ihr Mann – so erzählt sie später – komme bald nach Hause, müde von der Arbeit. Dann werde sie ihm ein warmes Essen servieren und sich freuen, ihn verwöhnen zu dürfen.
Diese Szene stammt nicht aus einem Werbespot der 1950er-Jahre. Sondern von Instagram. Millionen Menschen folgen solchen Videos, Bildern und Kommentaren. Die Protagonistinnen nennen sich selbst Tradwives – traditionelle Ehefrauen (traditional wives). Auf TikTok, Instagram und YouTube sind sie zum Trend geworden.
Die perfekte Hausfrau ist zurück
Backen, putzen, dekorieren, Kinder erziehen, sich schminken – für den Ehemann, versteht sich. Die Inhalte der Tradwives erinnern an eine Zeit, in der das Wort „Selbstverwirklichung“ noch kaum jemand kannte. Und genau das ist der Reiz. Sie inszenieren sich als glückliche Hausfrauen, die der Karriere freiwillig abgeschworen haben. Stattdessen leben sie für ihre Familie – und vor allem für ihren Mann.
In einer Welt, die von Unsicherheit, Leistungsdruck und Überforderung geprägt ist, wirkt ihr Alltag wie Balsam: strukturiert, liebevoll, überschaubar. Doch hinter der Fassade der „heilen Welt“ steckt mehr als nostalgisches Flair. Die Bewegung hat ihre Wurzeln in der US-amerikanischen Alt-Right-Szene – einem Milieu, in dem konservative Werte und rechtsextreme Ideologien oft Hand in Hand gehen.
Tradwives zwischen Lippenstift und Weltanschauung
Nicht alle Tradwives sehen sich als politisch. Manche, wie die Influencerin Malischka, betonen sogar, Feministinnen zu sein. Sie wolle Frauen sichtbar machen, sagt sie im Interview mit der Tagesschau: „Ich bekomme unheimlich viel Zuspruch von Hausfrauen, die sagen: Endlich werden wir mal gesehen.“ Auch andere Bloggerinnen feiern ihre Rolle – etwa als Ehefrau, die dem Mann „den Rücken freihält“.
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Doch die Grenzen zwischen Lifestyle und Ideologie sind fließend. Judith Götz, Forscherin an der Universität Innsbruck, warnt: „Tradwives bringen die Ideologie der Rechten an die breite Bevölkerung, ohne als politische Akteure wahrgenommen zu werden.“ Es gehe dabei nicht nur um Kuchenrezepte, sondern um eine klare Geschlechterordnung.
„Tradwives vertreten ein gesellschaftliches Bild, das auch von Rechtsextremen und christlich-konservativen, christlich-fundamentalistischen Spektren vertreten wird. Insofern ist es für Rechtsextreme attraktiv, dass die Influencerinnen diese Ideologie mainstreamen“, so Götz.
Auch die FPÖ sehnt sich nach den 50er-Jahren
Die Sehnsucht nach traditionellen Rollenbildern ist kein reines Internetphänomen. Auch in der Politik erleben sie ein Comeback. In Österreich etwa fordert die FPÖ eine sogenannte „Herdprämie“ für Eltern, die ihre Kinder Zuhause betreuen – ein Modell, das in Oberösterreich seit 2004 existiert. Auf den ersten Blick familienfreundlich, entpuppt sich die Prämie bei genauerem Hinsehen als Stolperfalle für Frauen: Sie erschwert den Wiedereinstieg ins Berufsleben, wirkt sich negativ auf Pensionen aus und verfestigt alte Rollenbilder.
Parteien wie die FPÖ oder die deutsche AfD propagieren das traditionelle Familienmodell als „Keimzelle einer funktionierenden Gesellschaft“. Frauen sollen sich um Haushalt und Kinder kümmern, Männer verdienen das Geld. Dass viele Tradwives genau dieses Bild leben – und millionenfach verbreiten –, macht sie zu attraktiven Multiplikatorinnen.
Antifeminismus als zentrale Rolle im Rechtsextremismus
Laut einer Ipsos-Studie findet mehr als ein Drittel der Millennials (die Generation, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurde), dass ein Mann, der sich Zuhause um Kinder kümmert, „kein richtiger Mann“ ist. Solche Haltungen liefern fruchtbaren Boden für antifeministische Propaganda – geschickt verpackt in ästhetische Bilder von Apfelkuchen, perfekt gefalteter Wäsche und strahlenden Ehefrauen.
Laut der Bundeszentrale für politische Bildung spielt besonders der sogenannte Antifeminismus im Rechtsextremismus eine zentrale Rolle. Antifeminismus ist eine Ideologie, die sich aktiv gegen feministische Positionen richtet. Dabei basiert diese Weltanschauung auf einem stark traditionellen Geschlechterbild: Während der Mann sich als stark, kämpferisch und Versorger der Familie gibt, werden Frauen als unpolitisch und fürsorglich dargestellt. Außerdem sieht das rechtsextreme Weltbild die Frau grundsätzlich dem Mann untergeordnet. Videos der sogenannten Tradwives repräsentieren meistens genau dieses Bild und wollen es innerhalb einer jungen Zielgruppe verbreiten.
Antifeminismus, betont Götz, ist ein zentrales Element rechtsextremer Ideologien. Frauen werden darin als unpolitisch und fürsorglich inszeniert – als Gegensatz zur emanzipierten Frau, die sich aus eigener Kraft behauptet. Die Tradwife-Bewegung bedient genau dieses Bild. Und so wird sie, ohne es auszusprechen, zum trojanischen Pferd in der politischen Debatte.
Heile-Welt-Bilder mit neurechter Ideologie
Besonders deutlich wird der Schulterschluss zwischen Tradwives und rechter Ideologie beim deutschen Frauennetzwerk Lukreta. Offiziell setzen sie sich für „Frauenrechte“ ein – feiern aber auf Instagram den „Stolzmonat“ mit Frauen in Deutschlandfahnen. Ein gezielter Gegenentwurf zum queeren Pride Month, der Hass auf queere Menschen schürt, inszeniert von rechtskonservativen und rechtsextremen Akteuren. Bei Lukreta vermischen sich Heile-Welt-Bilder mit neurechter Ideologie – auch direkte Verbindungen zur deutschen AfD werden gepflegt.
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Kommunikationsberaterin Anna Moors betont gegenüber dem Spiegel: Innerhalb der AfD würden gezielt junge Frauen als „Ankerfiguren“ aufgebaut – um sich an die Tradwife-Szene „anzuschmiegen“. Die Strategie dahinter: Statt aggressiver Rhetorik sollen emotionale Bilder und weibliche Nähe das rechte Gedankengut gesellschaftsfähig machen.
Die Tradwife vermarktet sich: Marken, Medien und Millionengeschäfte
Während klassische Hausfrauen für ihre Arbeit keinen Cent bekommen, verdienen Tradwives teils ein kleines Vermögen. Manche bauen ganze Unternehmen um ihre Marke. Ein Beispiel ist die „Ballerina Farm“: Hannah Neeleman, achtfache Mutter mit 10,1 Millionen Followern, verkauft über ihren Account nicht nur Lebensgefühl, sondern auch Produkte. Was aussieht wie eine spontane Szene am Herd, ist in Wahrheit durchinszenierter Content – mit Kamerateam, Marketingstrategie und Shop.
Das zeigt: Hinter der vermeintlich einfachen Lebensweise steckt nicht selten ein ausgeklügeltes Geschäftsmodell. Die Rolle der Hausfrau wird professionalisiert – und gleichzeitig idealisiert.
Die Schattenseite der Inszenierung von Tradwives
So harmonisch die Bilder auch wirken – das Leben als Tradwife birgt Risiken. Die emotionale und finanzielle Abhängigkeit vom Ehemann kann gefährlich werden. Wer keine eigene Erwerbstätigkeit hat, hat im Ernstfall wenig Spielraum – vor allem, wenn die Beziehung toxisch oder gewalttätig wird.
„Wenn man von einem Familienernährer abhängig ist und selbst keiner Lohnarbeit nachgeht, dann bedeutet das, dass man sich beispielsweise in Gewaltbeziehungen nicht so leicht trennen kann“, warnt Judith Götz, Forscherin im Bereich Antifeminismus und Rechtextremismus.
Gleichzeitig machen Tradwives unbezahlte Sorgearbeit in den sozialen Medien plötzlich glamourös – ohne die schwierigen Aspekte zu zeigen. Es ist ein romantisiertes Bild der Weiblichkeit, das realitätsfern bleibt.
Am Ende ist die Tradwife-Bewegung mehr als ein Social-Media-Trend. Sie ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Strömung, die sich nach Orientierung und Einfachheit sehnt – und dabei leicht zur Projektionsfläche für rechte Ideologien wird. Was mit einem liebevoll gedeckten Tisch beginnt, kann schnell zu einer politischen Bühne werden. Und während Millionen Likes gesammelt werden, rücken alte Rollenmuster wieder ein Stück näher in die Mitte der Gesellschaft.
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Sehnsucht nach den 1950er Jahren mit dem Faschismus gleich zu setzten ist skurril, gefährlich und zeigt wenig von Geschichtsverständnis.
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Die Nachkriegsjahre war geprägt von einer Aufbruchstimmung, Boing baute die 747, in New York entstanden die WTC, PanAm eroberte die Lüfte Europa war geprägt von den TEE Zügen. Von all dem gibt es heute nichts mehr.
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Die Wirtschaftswunderjahre waren geprägt durch die Gastarbeiter, heute alle samt österreichische Staatsbürger, bestens integriert und in der Gesellschaft angesehen.
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Ein Auto konnten sich die wenigsten leisten, die Mobilität geprägt durch den öffentlichen Verkehr. Wäre heute mehr als wünschenswert.
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Was die Zeit auch prägte, die Nachhaltigkeit, Waschmaschinen ein Luxus die für die Ewigkeit gebaut wurden, Fernseher der Luxus der Arbeiterschaft. Die heutige Wegwerfmentalität führt uns an den Rand des Kollapses.
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Vergessen sollte auch nicht werden, LGBTIQ ist ein Kind dieser Zeit, die heutige Gender-Apartheit und Homophobie ist eine Antithese zu dieser Retro-Kultur.
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Der ganze Bruch hat angefangen mit der Hexenjagd auf Tabak, das war meines Erachtens der fatalste Fehler die zu den heutigen gesellschaftlichen Verwerfungen führte. Mit der tragischen Ironie das es gesundheitlich nicht nur nichts brachte, sondern das Gegenteil bewirkt. Die heutige Jugend in den USA hat ein geringer Lebenserwartung als die Eltern.
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Das der aktuellen Zustand nur mehr die wenigsten befriedigt ist unbestritten, das Rad der Zeit zurückzudrehen, das funktioniert nicht als Antwort darauf.