Zum ersten Mal in der Geschichte wurde eine Frau zur Bürgermeisterin von Mexikos Hauptstadt gewählt. Die 56jährige Wissenschafterin ist für die neue progressive Bewegung “Morena” aktiv. Es ist eine Sternstunde für die mexikanische Linke, denn am gleichen Tag gewann Morena mit dem Kandidaten López Obrador auch die Präsidentschaftswahlen.
Nach 71 Jahren paternalistischer PRI-Regierung, 12 Jahre konservativer PAN, danach wieder sechs Jahre PRI, wählt Mexiko zum ersten Mal einen linken Präsidenten ins Amt. Und das gegen massive Widerstände der konservativen Medienlandschaft und Konzernchefs, die eine verleumderische Negativ-Kampagne gegen Obrador inszeniert hatten. Es ist ein großer Sieg für die Wähler der neuen Bewegung, die eine grundlegende Erneuerung des mexikanischen Staates verlangen. Nun konnte die Partei Morena nicht nur das Amt des Präsidenten gewinnen, sondern auch die Hauptstadt und wahrscheinlich weitere lokale Wahlen, deren Ergebnisse noch nicht alle feststehen.
Den Rassismus gegen die eigene Bevölkerung überwinden
Morena steht für “Movimiento Regeneración Nacional”, was so viel bedeutet wie “Bewegung der nationalen Regeneration”. Der Name ist aber auch eine Anspielung auf die Hautfarbe der Mehrheit der Mexikaner – morena, braun. Die soziale Lage in der mexikanischen Gesellschaft ist nämlich charakterisiert durch eine extreme Aufspaltung zwischen Arm und Reich, die gleichzeitig eine Aufspaltung zwischen weißer Oberschicht und hauptsächlich farbiger Restbevölkerung ist. Die herrschende weiße Oberschicht stammt mehrheitlich aus dem Norden des Landes, zu ihr gehören etwa 9 Prozent der Bevölkerung. Ungefähr 60 % der Mexikaner sind Mestizen, 30 % Indigene, die sich auch selbst als Morenos bezeichnen. Daneben gibt es im Süden des Landes noch schwarze Gemeinschaften, die in der Sklavenzeit entstanden sind.
Im mexikanischen Fernsehen, egal ob Nachrichtensendung oder Werbeeinspielung sind fast ausschließlich weiße Menschen zu sehen. Von den Plakatwänden lachen fast nur Weiße – jegliche Realität des Landes ignorierend. Selbstredend besteht die Wirtschaftselite des Landes fast ausschließlich aus Weißen. Diese erhalten auch die besten Jobs und entsprechend ungleich ist der Reichtum im Land verteilt. Kurz gesagt: Mexiko leidet im 21. Jahrhundert noch immer an den Folgen des spanischen Kolonialismus.
Eine Frau gewinnt die Hauptstadt
Claudia Sheinbaum Pardo ist angesehene Wissenschafterin im Bereich der Genetik, Schriftstellerin und inzwischen auch politische Aktivistin. Sie wurde 1962 geboren und hat jüdische Wurzeln, die Großeltern sind Emigranten aus Litauen und Bulgarien. Zwischen 2.000 und 2.005 war sie unter Bürgermeister López Obrador für das Umweltresort der Hauptstadt zuständig. 2015 wurde sie Verwaltungschefin des südlichen Teils der Hauptstadt und nahm sich dort der gravierndsten Probleme an: Fehlendes Trinkwasser und Mängel im öffentlichen Transportwesen. Die Bewohner der Hauptstadt haben der Wissenschafterin nun das Vertrauen geschenkt, die Probleme der Stadt ernsthaft anzugehen.
AMLO – Der “Arbeiter” ist der neue Präsident
Der künftige Präsident des größten zentralamerikanischen Staates heißt Andrés Manuel López Obrador. Der 64-jährige Kandidat, von seinen Anhängern liebevoll AMLO genannt, hat die Wahlen mit etwa 53 % der Stimmen gewonnen. Seine Gegner, der PAN-Kandidat Ricardo Anaya, kam auf 22 %, José Antonio Meade von der amtierenden Regierungspartei PRI erreichte lediglich 16 %.
Obrador heißt zu Deutsch ‚Arbeiter‘. Und Obrador ist ein Arbeiter. 2006 trat er zum ersten Mal an und verlor unter fragwürdigen Umständen denkbar knapp. Sein Gegner Felipe Calderón hatte lediglich einen Vorsprung von 0,56 Prozentpunkten. Die Linke sprach von Wahlbetrug, die Bundeswahlbehörde IFE lehnte eine Neuauszählung jedoch ab. 2012 trat Obrador erneut an und verlor die Wahl abermals. Obrador und seine damalige Partei PRD warfen dem mexikanischen Staat massiven Wahlbetrug vor.
Tatsächlich sind Stimmenkauf, Betrug und unfaire Wahlkampf-Finanzierung in Mexiko bekannte Probleme. Während des Wahlkampfs im Jahr 2000 wurden 55 Millionen Euro an Gewerkschaftsgeldern in den Wahlkampf der PRI umgeleitet. Die Zeitung Jornada veröffentlichte in der Vergangenheit mehrfach Listen, in denen die Preise pro Stimme und Region bekannt gemacht wurden. Nicht unüberraschend kosten Stimmen in ärmeren Gegenden nur einen Bruchteil von dem, was Stimmen in den besseren Provinzen kosten.
Bekämpfung der Korruption und Ende der Gewalt als Ziele
Wichtigste Ziele der zukünftigen Regierung sind die Verbesserung der sozialen Lage der verarmten Massen, die Bekämpfung der Korruption und das Eindämmen der Gewalt. Es herrscht in dem mittelamerikanischen Land nicht nur eine starke Kluft zwischen Arm und Reich, es wurden 2017 mehr als 25.000 Menschen ermordet. Noch mehr Tote in einem Land gab es im gleichen Jahr nur im syrischen Bürgerkrieg. Weiterhin hoch sind auch die Zahlen der ermordeten Frauen. Seit 2006 sind 8.880 Frauen verschwunden, 2016 waren es nach einem Bericht der UNO 2746, das sind mehr als sieben täglich.