In den USA begeistern Politiker wie Bernie Sanders oder Alexandria Ocasio-Cortez Millionen Menschen – obwohl sie klassische sozialdemokratische Politik vertreten und dabei sogar das Wort “Sozialismus” in den Mund nehmen. Dass die USA mehr sind als Turbokapitalismus und Coca Cola, zeigt auch die starke Zivilgesellschaft, die Menschen für soziale Bewegungen wie Black Lives Matter oder #Metoo organisiert.
In Europa haben wir ein Bild von den USA als das Land des Kapitalismus, in dem die Menschen sich an den verlogenen “American Dream” klammern müssen. An den unrealistischen Traum, dass alle Bürger durch eigene Anstrengung und Leistung zu Erfolg kommen, es vom Tellerwäscher zum Multimillionär schaffen können.
Die USA waren aber nie nur das Land des Kapitalismus und der Superreichen, das Land von Donald Trump, Bill Gates, Jeff Bezos und Marc Zuckerberg. Tatsächlich gab es in der Geschichte der USA schon immer eine starke und auch rebellische Arbeiterbewegung, die das Land stark prägte. Aktuell erleben die US-Sozialisten ein Revival und wollen den Kapitalismus an die Leine nehmen.
Vor 1900: Urzeit des amerikanischen Sozialismus
Der Sozialismus kommt 1848 nach Amerika. Europäische und darunter viele österreichische und deutsche Flüchtlinge brachten ihn mit, als sie aus den Monarchien Europas nach Amerika flohen. Die Auswanderer gaben ihre Ideen von Sozialismus und Arbeiterrechten an die Amerikaner weiter. 1876 entstand dann auch die erste sozialistische Partei in den USA, die „Workingmen’s Party of the United States“. Die Gründung erfolgte sogar noch vor der Gründung vieler europäischer sozialistischer Parteien, wie etwa der SPÖ und der britischen Labour-Partei. Obwohl diese erste Arbeiterpartei nur kurz besteht, ist sie Vorbild für eine Vielzahl an darauffolgenden sozialistischen Parteien in Amerika.
Aber warum gründete sich damals in den USA keine große Arbeiterpartei wie in Europa, wie zum Beispiel die SPD oder SPÖ? Die Antwort liegt im System der Sklaverei. Die amerikanischen Arbeiter waren in zwei Gruppen gespalten: einerseits die armen weißen Arbeiter und anderseits die schwarzen Sklaven, die ohne Lohn zu brutaler Arbeit auf den Baumwollfeldern im Süden der USA gezwungen wurden. Da die schwarzen Sklaven als Besitz betrachtet wurden, durften sie auch keine politischen Forderungen stellen oder sogar streiken.
Bürgerkrieg und das Ende der Sklaverei
1861 wird Abraham Lincoln US-Präsident. Eines seiner Ziele war die Abschaffung der Sklaverei. Die Politiker der Südstaaten, auf deren Baumwollfelder ein Großteil der Sklaven schuftete, weigerten sich und spalteten sich von den USA ab. Um die abtrünnigen Südstaaten, die Konföderierten, wieder unter das rot-weiß-blaue Banner der USA zu bringen und die Sklaven im Süden zu befreien, griff Abraham Lincoln zu den Waffen. Der Amerikanische Bürgerkrieg begann.
Es sollte ein enorm blutiger Bürgerkrieg werden: mehr Amerikaner starben im Bürgerkrieg als in jedem anderen Krieg, an dem sich die USA beteiligte. Im Kampf gegen die Sklaverei standen die Sozialisten der USA unweigerlich auf der Seite Abraham Lincolns. Viele Sozialisten nahmen an Gefechten gegen die Konföderierten teil: einer war zum Beispiel Joseph Weydemeyer, ein sozialistischer Immigrant aus Deutschland und ein Freund von Karl Marx und Friedrich Engels, der ein Artillerie-Regiment gegen die Südstaaten kommandierte.
Nach 4 Jahren Krieg endeten die Gefechte: die Südstaaten waren zwar militärisch besiegt worden. Allerdings konnten die führenden Köpfe der Konföderierten ihren rassistischen Hass auf die schwarze Bevölkerung weiter ausleben. Obwohl die Sklaven befreit wurden, wurden sie systematisch von Wahlen ausgeschlossen. Der Ku-Klux-Klan unterwanderte Polizei und Politik und Mitglieder des Klans töteten unschuldige Schwarze als Rache für den verlorenen Bürgerkrieg. Die Sklaverei war beendet, der Rassismus lebte aber weiter.
Streiks bestimmen die USA
Als sich das Chaos des Bürgerkriegs gelegt hatte, begann in den USA eine Welle an Streiks und Arbeiterprotesten. Die Arbeitstage waren lang, der 8-Stundentag war noch nicht eingeführt und die Arbeitsbedingungen schlecht. Arbeiter schufteten oft dicht aneinander gedrängt in Fabriken, Brandschutzbestimmungen waren nicht existent und Kinderarbeit üblich. Die Methode des Streiks wurde unter den Arbeitern immer beliebter. Sie hörten auf zu arbeiten und verweigerten den Firmenbossen mögliche Gewinne, bis ihre Forderungen nach weniger Arbeitsstunden oder mehr Gehalt erfüllt wurden.
Sozialisten wie der charismatische Redner Eugene V. Debs, der später Chef der Sozialistischen Partei Amerikas werden sollte, organisierten diese Streiks. Für die Firmenbosse war dies eine ungewohnte Situation, denn mehr Arbeiterrechte bedeuteten weniger Profite. Die Polizei, Politiker und bezahlte Privatdetektive arbeiteten im Auftrag der Kapitalisten zusammen, um die Streiks zu stoppen.
Die Geburtsstunde des 1. Mai
Unser Feiertag, der Tag der Arbeit am 1. Mai, hat den Ursprung in einem jener Streis. Am 1. Mai 1886 begann eine mehrtägige Arbeitsniederlegung für den Achtstunden-Tag in Chicago. Am dritten Tag des Streiks tötete die Polizei sechs Streikteilnehmer und am nächsten
Tag eskalierte die Gewalt noch weiter als ein Unbekannter eine Bombe auf eine Gruppe Polizisten warf, die mit Schüssen in die Menge antwortete. Es kam zu internationalen Solidaritätsbekundungen und viele Länder, unter anderem auch Österreich, ernannten später den 1. Mai zum Tag der Arbeit und damit zum Feiertag. Das immer aggressivere Vorgehen der Polizei beendete schließlich die Streikwelle. Der Kriegseintritt der USA in den Ersten Weltkrieg ging einher mit dem Ende der Massenstreiks und der Festnahme des Chefs der Sozialistischen Partei Amerikas, Eugene V. Debs.
Börsencrash und Wirtschaftskrise in den 30ern
Am Schwarzen Donnerstag, im Jahr 1929, brachen die Aktienkurse in der Wall Street in New York ein. Millionäre wurden zu Bettlern, normale Arbeiter in der darauffolgenden Weltwirtschaftskrise zu Arbeitslosen. Armut und Massenarbeitslosigkeit prägten plötzlich die USA und viele Länder der Welt. 25% der Amerikaner, also 15 Millionen Menschen, waren arbeitslos, viele Menschen verfielen dem Alkoholismus. Man spricht von der „Großen Depression“.
In Deutschland und Österreich hatte die Weltwirtschaftskrise noch eine schlimmere Auswirkung: Verzweiflung, Ratlosigkeit und eine fehlerhafte Sparpolitik trieben die Menschen in die Arme des Faschismus. Die Nazis nutzten die Situation aus und schafften 1933 die Machtergreifung. In Deutschland und Österreich herrschte nun die Diktatur.
Wie der „New Deal“ die USA und die Welt rettete
In den USA sorgte man sich um die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und man steuerte gegen die Folgen der Wirtschaftskrise. Der Demokratische US-Präsident Franklin Delano Roosevelt entwickelte, unterstützt von sozialistischen Beratern, den „New Deal“. Der “New Deal” war ein gut durchdachtes Reformpaket, um die Wirtschaftskrise zu überwinden und die sozialen Misstände zu mindern.
Mindestlöhne wurden eingeführt, die Amerikaner bekamen eine Arbeitslosen- und Krankenversicherung und ein progressives Steuersystem: Reiche mussten fortan mehr Steuern zahlen als Arme.
„New Deal“ ist ein Begriff aus dem Kartenspiel, der so viel bedeutet wie das Neumischen der Karten. Und Franklin Delano Roosevelt mischte fortan das Blatt der USA neu: Mindestlöhne wurden eingeführt, die Amerikaner bekamen eine Arbeitslosen- und Krankenversicherung und ein progressives Steuersystem. Reiche mussten fortan mehr Steuern zahlen als Arme. Ein Hauptgrund, warum die Wirtschaftskrise so effektiv bekämpft werden konnte: großangesetzte staatliche Bauprojekte schafften neue Jobs. 11 Milliarden Dollar investierte Franklin Delano Roosevelts Regierung nur in den Bau von Schulen, Krankenhäusern und Straßen.
Roosevelt setzte mit dem „New Deal“ die ersten Grundsteine für ein fortschrittliches Sozialsystem für die USA und die USA bekam mit dem „New Deal“ einen Hauch Sozialdemokratie zu spüren. Die Wirtschaft boomte und die USA konnte als Teil der Alliierten helfen die Nazis im 2. Weltkrieg zu besiegen.
Red Scare: Der Sozialismus wird zur “Roten Gefahr”
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, 1945, stehen sich die USA und die Sowjetunion stehen in Berlin gegenüber. Nazi-Deutschland ist besiegt, Europa liegt in Trümmern. Und ein neuer Konflikt überschattete den Wiederaufbauprozess: der Kalte Krieg. Die USA wollte die Ausweitung des sowjetischen Kommunismus auf alle Fälle verhindern und war auch bereit, verlustreiche Kriege, wie den Koreakrieg 1950-1953, zu führen um die Machtausweitung des ehemaligen Verbündeten Sowjetunion einzudämmen.
Das hatte vor auch Auswirkungen in den USA selbst, es wurde vor allem eine starke nationale Panik vor der sogenannten “Roten Gefahr”, der „Red Scare“, geschürt. Dabei wurden in den USA die Sozialisten jeglicher Ausprägung politisch verfolgt. Hinter jeder Ecke machte man einen „Roten“ oder einen „sowjetischen Agenten“ aus. Echte und vermeintliche Sozialisten wurden öffentlich denunziert und verloren darauffolgend oft ihren Beruf.
Als Sozialisten verfolgt: Charlie Chaplin und Albert Einstein
Auch berühmte Persönlichkeiten wie der Sozialist und Physiker Albert Einstein, der Schriftsteller Thomas Mann („Der Zauberberg“), der Filmemacher Orson Welles („Citizen Kane“) und der Folk-Sänger Pete Seeger waren Opfer des Red Scare. Einflussreiche rechte Politiker verbannten etwa auch den Schauspieler Charlie Chaplin, bekannt durch Filme wie „Der große Diktator“, aufgrund angeblicher „kommunistischer Sympathien“. Charlie Chaplin lebte fortan in der Schweiz. Die Kommunistische Partei der USA sollte eine Zeitlang sogar verboten werden.
1957 war die Massenpanik des „Red Scare“ zu Ende. Der Architekt des „Red Scare”, Senator Joseph McCarthy, hatte hohe Militärs beschuldigt Kommunisten zu sein. Den Angriff auf das in den USA beliebte Militär nahmen die Amerikaner ihm übel und offenbarte wie wenig Wahrheit die Anschuldigen überhaupt hatten. Langsam ebbte der „Red scare” ab, der Zeitgeist änderte sich. Die Paranoia war verschwunden, aber der „Red Scare“ hatte die Öffentlichkeit trotzdem stark beeinflusst. Alles was nun mit Sozialismus zu tun hatte, war als “das Böse” abgestempelt. Die Demokraten wurden konservativer und näherten sich den Republikaner an. Sozialistische Ideen überlebten allerdings auf den Universitäten, in Gewerkschaften und in der Bürgerrechtsbewegung.
Mc Carthy-Ära: “Red Scare”-Exzess in den USA
Martin Luther King und der Kampf für Bürgerrechte
1963 hält Martin Luther King seine berühmteste Rede – „I have a dream“. Mehrere tausende Menschen lauschen vor dem Lincoln Memorial in Washington Kings Traum von einem gerechten Amerika. Damals herrschte in den USA noch die Rassentrennung: die Nutzung von Toiletten und Wasserspendern war strikt nach Hautfarbe getrennt. Schwarze mussten im hinteren, stickigen Teil der Busse fahren, weil die Sitze vorne für Weiße reserviert waren. Rassismus beeinflusste tagtäglich das Leben der schwarzen Bevölkerung. Dagegen kämpfte die Bürgerrechtsbewegung.
Viele der Anführer der Bürgerrechtsbewegung waren Sozialisten. Der schwarze Bürgerrechtler Malcolm X war Sozialist. Die Feministin Dorothy Day war Sozialistin. Die Black-Panther-Party bestand aus Sozialisten. Auch Martin Luther King war Sozialist. Die Bürgerrechtsbewegung forderte nicht nur eine Ende des Rassismus sondern auch mehr Unterstützung für Arbeitslose und einen Mindestlohn von umgerechnet 14 Euro pro Stunde nach heutiger Rechnung.
Im Vergleich: in Österreich beträgt der Mindestlohn momentan 10 Euro pro Stunde, in den heutigen USA beträgt er umgerechnet 6 Euro. Ein Jahr nach Kings „I have a dream“-Rede, 1964, wurde die Rassentrennung verboten. Aber Martin Luther Kings Traum von einem Ende des Rassismus in den USA ging bis heute nicht in Erfüllung.
Der Neoliberalismus triumphiert
Trotz der Bürgerrechtsbewegung verschiebt sich das politische System der USA während des Kalten Krieges immer weiter nach rechts. Der Neoliberalismus wird populär in den USA. Neoliberalismus bedeutet, dass Firmen besonders viel Spielraum am Markt haben sollen und staatliche Eingriffe möglichst vermieden werden. Besonders die Republikaner pushen diese neue unternehmensfreundliche Wirtschaftsform.
Praktisch bedeutete dies:
- das Sozialsystem wurde privatisiert
- Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte mussten sich die Amerikaner nun selbst bezahlen
- Steuern für Reiche und Firmen fielen drastisch
- Deregulierung, also der Abbau staatlicher Regeln, sind angesagt
Die Deregulierungen des Finanzsektors führten zu einer Wirtschaftskrise nach der anderen: die US-Sparkassenkrise, das Platzen der Dotcom-Blase und die Große Rezession waren die Folge. Der kleine Mann profitierte von dieser Welle an Privatisierungen und Deregulierungen kaum, das Leben des Durchschnittsamerikaners wurde dadurch schwieriger. Ein gebrochener Fuß konnte nun hohe Schulden für den Krankenhausaufenthalt bedeuten. Hohe Studiumskosten führen dazu, dass sich Studenten teilweise bis auf ihr Lebensende verschulden. Die Erfolge des „New Deals“ wurden ausgelöscht.
Mit dem Amtsantritt des Republikaners Ronald Reagan 1981 als US-Präsident kam auf die Amerikaner eine weitere Welle der Privatisierungen zu. Aber nicht nur die Republikaner trieben diese zerstörerische Politik voran, auch die Demokraten beteiligten sich: unter Präsident Bill Clinton, einen Demokraten, gab es weitere Kürzungen im Sozialsystem der USA.
Die Sozialisten sahen sich zwischen den Fronten. Was sollten sie tun, wenn beide Parteien der USA, die Republikaner und die Demokraten, sich gegen eine soziale Politik stellten? Während des „New Deals“ hatten Sozialisten mit den Demokraten zusammengearbeitet, um die Weltwirtschaftskrise in den USA zu besiegen. Danach drifteten die Demokraten allerdings so weit nach rechts ab, dass es innerhalb der Democrats (der Demokratischen Partei) keinen Platz mehr für sozialistische Ideen gab.
Als die Wall Street besetzt wurde
2011 geschah etwas ,was die Sozialisten Amerikas aus ihrem Winterschlaf aufwecken sollte: Occupy Wall Street. Wie aus dem Nichts formierte sich eine riesige Protestwelle – die Wall Street, Zentrum des Börsenhandles, in New York wurde besetzt. Grund für die wochenlangen Proteste war die immer größere Schere zwischen Arm und Reich: Reiche wurden immer reicher, Arme immer ärmer.
Die Menschen hatten gesehen, wie der Staat im Zuge der Weltfinanzkrise von 2008 die Banken mit riesigen Geldsummen gerettet hatte, aber die von der Finanzkrise arbeitslos gewordenen Menschen bekamen nichts. Mehrere Wochen lang besetzten Demonstranten den Zuccotti Park in New York. Die Protestierenden riefen nach mehr Chancengleichheit und nach dem Ende der unregulierten Finanzspekulationen in der Börse Wall Streets, die ihnen so viele Krisen eingebrockt hatten.
Occupy Wall Street belebte die US-Linke wieder: Sozialisten wie David Graeber, standen ganz vorne bei den Protesten. Der Ruf nach einem Ende des uneingeschränkten Kapitalismus wurde laut. Für manche zu laut. Nach über einem Monat von Protesten kam das Ende von Occupy Wall Street in Form von Pfefferspray und Polizeigewalt. Polizisten räumten den Zuccotti Park. Die Forderung von Occupy Wall Street nach mehr Hilfe für arme Amerikaner wurde trotzdem mehr und mehr zum politischen Mainstream und bereitete den Weg für den Erfolg eines bis dahin eher unbekannten Senators aus dem Bundesstaat Vermont.
Bernie Sanders verändert alles
Dieser unbekannte Senator aus Vermont ist Bernie Sanders. Der demokratische Sozialist Bernie Sanders kandidiert 2016 als möglicher Präsidentschaftskandidat der Demokraten im Vorwahlkampf. Bernie Sanders Forderungen sind simpel und werden zunhmenend populärer:
- Ein staatliches Gesundheitssystem für alle
- Mehr Kontrolle über mächtigen Firmen und ihre Lobbys
- Stärkere Besteuerung der Reichen
- Senkung der astronomischen Militärausgaben
Bernie Sanders will einen neuen „New Deal“ für die USA. Hinter ihm versammelt sich in kürzester Zeit eine beeindruckende Massenbewegung von Durchschnittsamerikanern. Die Menschen eint vor allem die Unzufriedenheit mit den drängendsten Problemen der USA: Armut und Rassismus. Durch das Fehlen eines nationalen Gesundheitssystems müssen sich die Amerikaner ihre Krankenhausaufenthalte selber bezahlen; geringe Gehälter und hohe Ausgaben stürzen viele Amerikaner in den finanziellen Ruin. Viele müssen mehrere Jobs gleichzeitig arbeiten um sich über dem Wasser zu halten. Die Amerikaner müssen sich die Ausbildung auf den Universitäten aus privater Hand zahlen, als Folge verschulden sich Studentinnen und Studenten oft lebenslang, um ihr Studium zu finanzieren.
Sanders selbst ist ein Urgestein des amerikanischen Sozialismus: er war Mitglied in der Sozialistischen Partei Amerikas, nahm an Demos der Bürgerrechtsbewegung teil, unter anderem auch der Marsch auf Washington, wo Martin Luther King seine berühmte „I have a dream“-Rede hielt. Er wurde Bürgermeister von Burlington und die Amerikaner wählten ihn als Parteilosen ins Repräsentantenhaus und in den US-Senat.
2016 und 2020 musste er aber Niederlagen einstecken: seine Versuche zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten zu werden, scheiterten. Er wurde von Hillary Clinton (2016) und Joe Biden (2020) besiegt. Bernie Sanders Niederlagen gegen Joe Biden und Hillary Clinton hatten einen Grund: er kämpfte auf “feindlichen” Boden. Da viele Demokraten seit dem „New Deal“ stark nach rechts abgedriftet waren, ist die Partei nun gespalten in einen neoliberalen und einen sozialen Flügel.
Im Vorwahlkampf 2016 stach Hillary Clinton Bernie Sanders aus. Clinton hatte die Unterstützung von großen Teilen des Establishments der Demokratischen Partei und das Geld und die Hilfe von mächtigen Unterstützern aus der Wirtschaft. Während Bernie Sanders auf den Schultern von tausenden Unterstützern stand, baute Hillary Clinton ihre Kampagne auf der Unterstützung des Establishments der Demokratischen Partei auf. In den Vorwahlen für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten stimmten besonders die Superdelegierten, deren Stimme ein besonders hohes Entscheidungsgewicht haben und die oft aus dem Establishment der Demokraten stammen, gegen Bernie Sanders und verhalfen so Hillary Clinton zum Sieg. Die farblose Clinton verlor daraufhin allerdings kläglich gegen den begabten Rechtspopulisten Donald Trump.
Sozialistischer Superstar: Alexandra Ocasio-Cortez
Trotz den Niederlagen konnte die Bewegung rund um Bernie Sanders mehrere demokratische Sozialisten, wie etwa Alexandria Ocasio-Cortez (“AOC”) und Ilhan Omar, in das Repräsentantenhaus bringen. Die Kampagnen von Alexandria Ocasio-Cortez beeinflussen inzwischen die US-Politik. Plötzlich wird über einen Spitzensteuersatz von 70 Prozent für Millionäre diskutiert, der Green New Deal wird zum Thema und Amazon siedelt sich doch nicht in New York an.
Bernie Sanders zeigte vor, dass man sich das für das Wort “Sozialismus” nicht schämen braucht und dann man mit sozialer, sozialistischer Politik durchaus populär werden kann. Sanders begeisterte viele Junge für die Politik, 62% der Amerikaner zwischen 18 und 34 sehen Sanders positiv, und beförderte so die neue soziale Bewegung innerhalb und außerhalb der Demokratischen Partei.
Black Lives Matter
Die nächste soziale Welle an Verändung in den USA setzte mit dem 25. Mai 2020 ein. Der Afro-Amerikaner George Floyd wird von einem Polizisten ermordet, weil ihm vorgeworfen wurde, einen gefälschten Geldschein benutzt zu haben. Die hoch militarisierte Polizei hatte schon seit Jahren immer wieder Afro-Amerikaner getötet. Der Slogan „Black Lives Matter“ entstand schon 2013, als ein Polizist den Teenager Trayvon Martin ermordete.
Für viele Afro-Amerikaner ist Polizeigewalt eine tägliche Gefahr; die Wahrscheinlichkeit für einen Afro-Amerikaner von der Polizei getötet zu werden, ist 3-mal so hoch wie für einen Weißen. Die Mörder kommen meist ohne Strafe davon: nur 1% der Polizisten, die eine Person getötet haben, werden angeklagt. Das Video von der Ermordung George Floyds geht viral. Tausender Menschen strömten auf die Straßen und riefen nach einem Ende von Polizeigewalt und Rassismus in den USA.
Anstatt die Polizei mit immer mehr Militärequipment zu versorgen, sollten Krankenhäuser, Schulen und der soziale Wohnbau finanziert werden. Wie so oft in der Geschichte der USA antwortete die Polizei mit Gewalt auf die Proteste. Präsident Trump nannte die Demonstranten Verbrecher und Terroristen und ließ die Nationalgarde aufmarschieren. Aber die Proteste gingen weiter. Und sie dehnten sich auf die ganze Welt aus. Auch in Österreich demonstrierten tausende Menschen gegen Polizeigewalt und Rassismus. Obwohl man in den Medien immer weniger über die Black-lives-matter-Proteste in den USA hört, gehen sie noch immer weiter. Viele Amerikaner haben genug von Armut, Rassismus und Polizeigewalt. Sie wollen die USA, wie wir sie kennen, verändern.
Und es hat sich nichts geändert?
Echte Amerikaner haben immer ihr bestes getan?