Bereits seit dem 19. Jahrhundert weiß die Menschheit, wie man Sonnenstrahlung in Energie umwandelt. Doch erst seit rund 40 Jahren erzeugen wir Solarenergie in großem Maßstab. Haben wir die 180 Jahre dazwischen geschlafen? Die Geschichte der Solarenergie zeigt: Innovationen allein verändern noch nicht die Welt. Es braucht auch politische Entscheidungen, die die Innovationen umsetzen.
“Ich setze mein Geld auf Sonne und die Solarenergie”, soll der Erfinder Thomas Edison 1931 zu dem Auto-Hersteller Henry Ford gesagt haben. Er war sich sicher, dass der Solarenergie die Zukunft gehört.
“Was für eine Energiequelle! Ich hoffe, dass wir nicht warten müssen, bis Öl und Kohle zur Neige gehen, bevor wir das in Angriff nehmen.”
Zu Edisons Lebenszeit kannte man die Technologie hinter Solar-Paneelen und PV-Anlagen bereits gut. Nur gebaut hat man sie nicht. Stattdessen baute man Ölraffinerien, Gas- und Kohlekraftwerke. Denn fossile Brennstoffe waren für Unternehmen schlicht profitabler. Jahrzehntelang wurde so gut wie kein Geld in die weitere Erforschung der Solar-Technologie investiert, weshalb Strom aus Solarenergie lange Zeit viel teurer war als Strom aus fossilen Energieträgern.
Seit den 1970er Jahren ist der Preis für Solar-Strom um 99 Prozent gesunken
Doch Mitte der 1970er passierte etwas Interessantes: Der Preis für Strom aus Solarenergie beginnt plötzlich rasant zu sinken.
Seit 1975 ist der Preis für Strom aus Solarenergie um sagenhafte 99 Prozent gesunken. Auf einmal war es auch für Privatpersonen leistbar, sich Solarpaneele aufs Dach zu stellen. In den meisten Ländern der Welt ist Solarenergie gemeinsam mit Wind- und Wasserkraft heute die billigste Form der Energiegewinnung. Laut Prognosen soll das bald überall auf der Welt der Fall sein. Doch wie konnte der Preis so schnell sinken? Und wieso sank er nicht schon viel früher? Dazu muss man sich die Geschichte der Solarenergie ansehen, eine Geschichte voller verpasster Chancen, aber auch von engagierten Menschen, die es letztendlich geschafft haben, sich gegen die fossile Industrie durchzusetzen.
Geschichte der Solarenergie: Bereits vor über 180 Jahren hätte man Solaranlagen bauen können
Erfunden wurde die Solarenergie bereits im 19. Jahrhundert. Der französische Physiker Alexandre Edmond Becquerel beschrieb 1839 als erster den photovoltaischen Effekt – und damit das Grundprinzip des Solarpanels. Schon vor mehr als 180 Jahren wusste man also, wie man Lichtteilchen in Energie umwandeln kann. Doch bis das erste Solarpanel gebaut wurde, dauerte es mehr als hundert Jahre.

Erst 1953 gelang es einem Forschungsteam der Bell Labs – der Forschungsabteilung des amerikanischen Telefon-Konzerns AT&T – ein brauchbares Panel herzustellen. Es hatte zwar nur einen Wirkungsgrad von 4-6 Prozent (heutige Panels haben einen Wirkungsgrad von rund 20 Prozent), doch diesmal erkannte die Öffentlichkeit, dass sie es hier mit einem revolutionären Meilenstein zu tun hatte. Die New York Times schrieb damals:
“Die Menschheit könnte bald einen ihrer größten Träume verwirklichen. Die Nutzung der nahezu endlosen Energie der Sonne zum Wohle der Gesellschaft.”
Die Begeisterung war groß. Doch die Politik war untätig. Weder in den USA noch in Europa investierten Staaten in die neue Technologie. Private Energie-Konzerne hätten zwar von sich aus Solaranlagen bauen können, doch weil die Technologie noch in den Kinderschuhen steckte, war ihnen Solarenergie lange Zeit viel zu teuer. So kam es dann doch nicht zum großen Solar-Hype. Hätte Edison sein Geld also lieber woanders investieren sollen?
Während der große Erfinder seiner Zeit voraus war, war die Politik noch gefangen im Denken des 19. Jahrhunderts und den Interessen der Öl-Industrie. Es hätte einen starken Staat gebraucht, der mit großen Investitionen in Forschung und dem Bau von Solaranlagen vorangeht. Doch kein Staat der Welt hat nennenswerte Summen investiert.
“Solarsozialismus” – Für Ronald Reagan waren Investitionen in Solarenergie linke Geldverschwendung
Das änderte sich zeitweise in den 1970er Jahren. Nämlich 1973 mit der ersten Ölkrise: Innerhalb weniger Monate stieg der Ölpreis von drei auf zwölf US-Dollar pro Barrel. Die USA war jetzt gezwungen, sich nach anderen Energiequellen umzusehen und investierte etwas Geld in ein Forschungsprogramm zu Solarenergie. US-Präsident Jimmy Carter installierte in den 1970ern sogar Solarpanels am Dach des Weißen Hauses. Doch sein Nachfolger – der Republikaner Ronald Reagan – ließ sie wieder entfernen. Auch das Forschungsprogramm stellte er ein. Für Reagan war die Erforschung der Solarenergie linke Geldverschwendung. Abschätzig sprach er von “Solarsozialismus”.

Vermutlich wäre die Technologie hinter Solarstrom heute immer noch nicht ausgereift und Solarpaneele immer noch unbezahlbar, wenn in den Folgejahren nicht einige engagierte Wissenschaftler:innen weiter geforscht hätten. Zum Beispiel in Australien: Dort bastelte ein Team unter der Leitung des Professors Martin Green weiter am Solarpanel der Zukunft.
Gleichzeitig erkannten immer mehr Menschen, wie wichtig der Umstieg auf erneuerbare Energiequellen ist, um den Klimawandel einzudämmen. Nicht wenige von ihnen wurden schließlich Politiker:innen: Die 1980er waren die Zeit, in der die Öko-Bewegung in Form grüner Parteien ihren Einzug in die Parlamente feierte. Einer, der sich besonders für Solarenergie begeisterte, war der deutsche Gemeinderat Hans-Josef Fell. Er war überzeugt, dass Strom aus Solarenergie viel billiger werden könnte – wenn nur mehr in die Produktion investiert werden würde.
Um das anzustoßen, führte er die weltweit erste “Solarprämie” in seiner Gemeinde Hammelburg in Bayern ein. Das war nichts anderes als ein Zuschuss für alle, die ein Solarpanel besaßen. Plötzlich gab es einen Anreiz, sich Solarpanels zu kaufen. Finanziert wurde der Zuschuss über die Energierechnungen aller Stromverbraucher – Umverteilung zugunsten der Erneuerbaren sozusagen.

1998 bildeten die deutschen Sozialdemokraten mit den Grünen die erste und bislang einzige rot-grüne Koalition Deutschlands. Fell sah darin eine große Chance: Er verfasste einen Gesetzestext, der massive Subventionen für Solaranlagen vorsah. Und tatsächlich: Im Jahr 2000 brachte die rot-grüne Bundesregierung das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auf den Weg, das erneuerbare Energien bevorzugt behandelt. Damit schaffte die Regierung einen Anreiz für Unternehmen, in Solarenergie zu investieren, was diese dann auch taten: Rund 200 Milliarden Euro investierte die deutsche Energiebranche in den kommenden 15 Jahren in erneuerbare Energieträger.
Die deutschen Milliarden gaben der weltweiten Entwicklung von Solarmodulen einen enormen Schub. Der Weltmarkt verdreißigfachte sich, Energie-Konzerne bauten ihre Produktion aus und stellten Millionen von Solar-Paneelen her. Und schrittweise sank auch der Preis – genau wie Hans-Josef Fell es sich vorgestellt hatte. Thomas Edison scheint mit seiner Vorhersage also doch richtig gelegen zu haben.
China ist heute Weltmarktführer bei erneuerbaren Energien
In der Folge stellte vor allem China viele Solarpaneele her. Denn auch die chinesische Führung erkannte das große Potential und nahm die Solarenergie 2001 in ihren Fünfjahresplan auf. Massive staatliche Investitionen, Förder- und Forschungsprogramme waren die Folge. Ein großer Teil der Solarmodule, die in den frühen 2000er Jahren nach Deutschland verkauft wurden, stammen aus chinesischer Produktion.

Fachleute sind sich einig, dass China bei der Weiterentwicklung und dem Ausbau von Produktionsstätten für Solaranlagen eine historische Rolle gespielt hat. Später sagte der chinesische Unternehmer Shi Zhengrong: “Wir haben in zehn Jahren etwas erreicht, von dem viele dachten, dass es hundert Jahre dauern würde.” Er hatte 2001 das Solar-Unternehmen SunTech Power gegründet, das bis 2012 zum weltweit größten Produzenten für Solaranlagen aufstieg. Auch er trug entscheidend dazu bei, den Weltmarkt für Solarenergie zu vergrößern und damit den Preis für Solarstrom zu senken. Heute ist China der unumstrittene Weltmarktführer im Bereich der Solarenergie. Chinesische Solarpaneele bekommt man schon für unter hundert Euro. Aus diesem Grund steigen mittlerweile auch in ärmeren Ländern immer mehr Menschen auf Solarenergie um – zum Beispiel in Pakistan. Mehr dazu hier.
Sind die Preise zu schnell gesunken?
Dass Solarstrom heute so günstig ist, klingt erstmal gut – und für die Konsument:innen ist es das auch. Doch daraus folgt auch ein Problem, das der Ökonom Brett Christophers in seinem Buch “The Price is Wrong” (dt: Der Preis ist falsch) beschreibt. Ihm zufolge sind die Preise für Solarstrom (ebenso die Preise für Strom aus Windenergie) gewissermaßen “zu schnell” gesunken. Das klingt paradox. Doch er argumentiert, dass es sich wegen den niedrigen Preisen für private Energie-Konzerne jetzt erst recht nicht mehr lohnt, in erneuerbare Energien zu investieren. Im Interview mit dem deutschen Wirtschaftsmagazin Surplus sagt er:
“Die meisten Studien gehen davon aus, dass die durchschnittliche Rendite bei Wind- oder Solarprojekten zwischen 5 und 7 Prozent liegt. Zum Vergleich: Öl- und Gasunternehmen investieren nur dann in neue Öl- und Gasförderprojekte, wenn sie sicher sind, dass die Rendite mindestens doppelt so hoch sein wird. Das Geschäft mit der Öl- und Gasförderung im vorgelagerten Sektor ist sehr profitabel, mit Gewinnspannen von 15 bis oft mehr als 20 Prozent. Es besteht kein Zweifel daran, dass das fossile Geschäft viel profitabler ist als das Geschäft mit erneuerbaren Energien.”
Seine Schlussfolgerung aus diesem Problem ist klar: Auch heute reicht es nicht, sich auf die privaten Energie-Konzerne zu verlassen und zu hoffen, dass die Wirtschaft von alleine auf saubere Energie umsteigt. Er plädiert daher für staatliche Investitionen.
Der Titel seines Buches “The Price is Wrong” ist auch eine Kritik an der CO2-Bepreisung, die in den letzten Jahren in vielen Ländern eingeführt wurde, darunter auch in Österreich. Christophers zufolge reicht es nicht, schmutzige Energie für Konsument:innen teurer und saubere dafür billiger zu machen. Denn im Kapitalismus braucht es auch jemanden, der genug Geld in die Produktion sauberer Energie investiert. Und wenn private Konzerne das nicht tun, weil es für sie nicht profitabel genug ist, muss Christophers zufolge der Staat einspringen.
An der Geschichte, wie an der Gegenwart der Solarenergie, sieht man: Innovationen sind zwar wichtig, aber noch viel wichtiger sind die politischen Entscheidungen. Ohne die Entscheidung von Staaten wie Deutschland oder China, Anfang der 2000er in Solarenergie zu investieren, gäbe es heute weit weniger Solaranlagen. Ebenso braucht es heute staatliche Investitionen, um den Ausbau von Solarenergie voranzutreiben. Sich auf die privaten Konzerne zu verlassen, hat die Menschheit bereits 180 Jahre gekostet.
Dieser Artikel wurde inspiriert von: Rutger Bregman – „Moralische Ambition. Wie man aufhört sein Talent zu vergeuden und etwas schafft, das wirklich zählt“
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