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Bäckerei-Alltag: 60h-Woche, wenig Bezahlung, Kündigung bei Krankheit

Bäckerei-Alltag: 60h-Woche, wenig Bezahlung, Kündigung bei Krankheit

Kathrin Glösel Kathrin Glösel
in Arbeit & Freizeit
Lesezeit:4 Minuten
23. Juni 2021
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Bäckereien haben es schwer, lesen wir. Sie finden keine MitarbeiterInnen – dabei müssten doch nach dem Krisenjahr zahlreiche BewerberInnen eintrudeln! Tatsächlich sind dort die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung oft schlecht. Und allzu oft werden Überstunden und Zulagen nicht richtig bezahlt. Viele dieser Fälle landen bei der Arbeiterkammer. Unter ihnen auch Dila, Friederike und Ivica.

Sie war als Teilzeitkraft eingestellt, stand aber 60 Stunden pro Woche hinter der Theke in der Bäcker-Filiale. Alles für weniger als 1.400 Euro brutto im Monat. Denn: Die Überstunden wurden nicht bezahlt. Fälle wie diese kennt man in der Arbeiterkammer Wien leider zur Genüge. Im Bäckerei-Segment haben sich seit letztem Jahr 134 Beschäftigte in Wien Hilfe suchend an die AK gewandt.

Die Geschichten, die Berater und Beraterinnen hören, ähneln einander. Löhne werden nicht bezahlt. Überstunden und Nachtarbeit werden nicht entlohnt. Zeitaufzeichnungen fehlen.

Die Chefin verklagen? Leichter gesagt als getan

Dila M., die bis zu 60 Stunden pro Woche arbeiten musste, bekam pro Monat rund 1.000 Euro zu wenig Lohn. Nach 13 Monaten hat sie ihren Job als Ladnerin in ihrer Bäckerei an den Nagel gehängt. Jetzt streitet sie gemeinsam mit der AK Wien vor Gericht um das entgangene Geld.

Dila ist eine von 19 Bäckerei-Beschäftigten, die sogar den Gerichtsweg eingeschlagen haben. Dieser ist für Betroffene der letzte Ausweg. Er ist zäh und zudem eine psychische Belastung. Auf Konfrontation mit den – meist ehemaligen – ArbeitgeberInnen gehen, braucht gute Nerven und Geduld. Auch Anwaltskosten fallen an. „Geh’ halt klagen, das kannst per Gesetz eh“ ist leichter gesagt als getan.

Bei der Bezahlung fehlen die Überstunden

Ihren Rechtsstreit vor Gericht hat Friederike M. schon hinter sich – und das erfolgreich. Sie hat zwei Jahre lang als Verkäuferin in einer Bäckerei gearbeitet. Für 40 Wochenstunden bekam sie zuletzt rund 1.550 Euro brutto (macht 1.270 Euro netto). Überstunden, die dafür gedacht sind, Arbeitsspitzen abzudecken, musste sie regelmäßig leisten. Bezahlt bekam sie diese nie. Und weil sie diesen Entgang nicht binnen vier Monaten schriftlich eingefordert hat, sind sie allesamt verfallen.

Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen, die ihre Beschäftigten unterentlohnen, profitieren mitunter davon, dass ihre Angestellten ihre Rechte nicht kennen. So verstreichen Fristen und damit Ansprüche, die sie nicht mehr geltend machen können.

Als Friederike überraschend gekündigt wurde, stellte sie auf der Endabrechnung fest, dass nicht bloß ihre Überstunden weg waren, sondern dass man ihr auch noch 500 Euro abgezogen hatte. „Minusstunden“, erklärte die Ex-Chefin. Diese hatte Friederike an Tagen, an denen weniger zu tun war, vorzeitig nach Hause geschickt. Und hatte das vom Lohn abgezogen. Friederike wehrte sich –  bekam Recht und zumindest diese 500 Euro zurück.

Arbeiten in Bäckerei: Krank und plötzlich gekündigt

Ivica S. arbeitete in einer Bäckerei mit angeschlossenem Cafébetrieb als Koch in der Küche. Dafür bekam er monatlich brutto 1.720 Euro (netto knapp über 1.380 Euro). Ivica arbeitete an sechs Tagen pro Woche, oft aber arbeitete er sogar durchgehend. Als er dann einmal krank wurde, kündigt ihn die Bäckerei. Die Überstunden konnten – wie auch bei Friederike – wegen verspäteter Geltendmachung nicht eingeklagt werden. Jetzt kämpft er gemeinsam mit der AK zumindest um die Abgeltung der Ersatzruhe und um nicht nachvollziehbare Lohnabzüge.

bäckerei bezahlung
Vollzeit arbeiten für weniger als 1.300 Euro netto: Realität in Bäckereien. (Foto: Unsplash)

Unterentlohnung wird künftig leichter: keine Mindeststrafen mehr für ArbeitgeberInnen

Mit Strafen, die über die Entschädigung der Beschäftigten hinaus gehen, müssen die ArbeitgeberInnen nicht rechnen, sofern der „Schaden“ zu niedrig ist. Künftig wird Lohndumping sogar noch billiger. ÖVP und Grüne haben sich im Ministerrat vom 16. Juni 2021 darauf geeinigt, das sogenannte Kumulationsprinzip abzuschaffen. Laut diesem Prinzip mussten ArbeitgeberInnen umso mehr Strafe bezahlen, je mehr Beschäftigte sie geschädigt hatten.

Künftig sind nicht einmal mehr Mindeststrafen vorgesehen. Unterentlohnung wird in Österreich zum Bagatelldelikt.

Wenn ArbeitgeberInnen ihre Beschäftigten unterentlohnen, also ihnen nicht jenes Entgelt bezahlen, das ihnen per Kollektivvertrag zusteht, müssen sie künftig 50.000 Euro bezahlen. Maximal. Bei kleineren Betrieben mit maximal neun Beschäftigten wird die Maximalstrafe sogar mit 20.000 Euro festgesetzt. Mindeststrafen wie jetzt gibt es keine mehr.

Zum Vergleich: Noch liegen die Strafen je nach Schweregrad zwischen 1.000 und 10.000 Euro pro geschädigtem Arbeitnehmer. Wenn mehr als 3 ArbeitnehmerInnen betroffen sind, sind es sogar bis zu 20.000 Euro pro ArbeitnehmerIn. Im Wiederholungsfall sogar 50.000 Euro pro ArbeitnehmerIn. 

„Es droht branchenübergreifend die Gefahr, dass manche Arbeitgeber angesichts sinkender Strafen systematische Unterentlohnung gezielt einkalkulieren. Hier hatten die relativ hohen Strafdrohungen bei einigen Arbeitgebern eine wichtige Wirkung“, meint Ludwig Dvořak, Abteilungsleiter für Rechtsschutz in der Arbeiterkammer Wien. Besondere Probleme sieht er bei der Änderung des Lohndumping-Bekämpfungsgesetzes für Branchen mit grenzüberschreitenden Entsendungen: „Dass die Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen nur noch mit Maximalstrafen von € 40.000 geahndet werden sollen, erschwert den Behörden jede sinnvolle Kontrolle und begünstigt Unternehmen, die mit Lohndumping ganze Branchen kaputt machen.“

Auch wenn alles legal ist: Arbeitsbedingungen sind hart und Bezahlung niedrig

Selbst wenn alles rechtens abläuft, in Bäckereien zu arbeiten – ob in der Backstube oder im Verkauf – ist hart. Und mitunter niedrig entlohnt, wie Stellenausschreibungen zeigen:

Das bezahlt die Bäckerei in Wien-Liesing aus dem Ö1-Beitrag konkret, die „händeringend“ Leute sucht: 1400 Euro brutto. Netto: 1169 Euro. Für 40 Stunden, 6-Tage-Woche, teils ab 5 Uhr früh. Es kann sich doch niemand wundern, dass dort bei solchen Bedingungen keine/r hackeln will. pic.twitter.com/1Jm7NhyLrU

— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) June 15, 2021

Bei der Konkurrenz – einer Wiener Bäckerei-Kette – bekommen da sogar die FerialpraktikantInnen mehr für einen Monat Vollzeit-Arbeit. Zweifelsohne ist der Druck in der Branche hoch. Die Margen in dieser Branche sind niedrig. Gerade kleine Bäckereien geben den Wettbewerbsdruck direkt an ihre Beschäftigten weiter, in Form von niedrigen Gehältern. Das ist im Grunde Teil des Geschäftsmodells. Das heißt auch: Ohne Zutun von außen bleiben die Löhne in den Stellenausschreibungen wie sie sind – und reichen oft nicht zum Leben.

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Franz Rössler
Franz Rössler
27. Juni 2021 02:10

Ungerechtigkeit wird immer weit vor dem Gesetzesbruch beginnen, egal wie und welche Gesetze geändert werden oder neu hinzukommen. Es bleibt immer eine ethische Frage, ob Ausbeutung stattfindet oder nicht. Bedingt wird Ausbeutung durch die Wertschöpfungskette, ermöglicht durch Vertragsfreiheit.

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In keinem Land der Eurozone ist Vermögen so ungleich verteilt wie in Österreich. Die reichsten 1 Prozent besitzen 41 Prozent des gesamten Vermögens, während die ärmere Hälfte Österreichs zusammen nur 3 Prozent des Vermögens besitzt. Der Großteil der Superreichen ist nicht durch harte Arbeit oder kluge Geschäftsideen zu Reichtum gekommen, sondern hat sein Vermögen geerbt. Auf diese gigantischen Erbschaften zahlen sie außerdem keinen Cent Steuern. Der Sozialökonom Stephan Pühringer argumentiert, dass diese Ungleichheit Gift für unsere Gesellschaft ist. Immer mehr Geld und Macht sind in der Hand von einigen wenigen konzentriert, während der Rest der Bevölkerung durch eigene Arbeit kaum mehr zu bescheidenem Wohlstand kommt. Zitat: Das Verhältnis zwischen Superreichen und dem Rest der Bevölkerung ist komplett aus dem Lot geraten. Gigantische Vermögen werden ohne jegliche Leistung oder Besteuerung vererbt. Das gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Stephan Pühringer

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