Sie setzen sich für Familien in Geldnot ein, versorgen Kriegsflüchtlinge. Sie mahnen im Regierungsviertel mehr Einsatz für Frieden ein. Sie kämpfen für die Klimarettung und engagieren sich für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Und sie kämpfen für gerechte Löhne und die Umverteilung von Reichtum. Hier sind zehn Menschen – und Organisationen – die das Leben von uns und unseren Mitmenschen besser gemacht haben.
Mehr Rechte für Menschen mit Behinderung: Karin Riebenbauer, Familie Mühlbacher und “andererseits”
Im Jahr 2022 brauchen Menschen mit Behinderungen weder Mitleid, noch Almosen – sie brauchen Rechte, Ressourcen und Inklusion.
“Wahrscheinlich hätte mir geholfen, wenn jemand einfach nur “gratuliere Ihnen zu Ihrem Sohn” gesagt hätte, erinnert sich der Schauspieler Michael Ostrowski in einem Falter-Interview an die ersten Reaktionen auf die Geburt seines Sohnes mit Downsyndrom. So deutlich ausgesprochen haut einen das fast um, wie Menschen mit Behinderungen hier immer noch behandelt werden.
Davon wissen die Familien Riebenbauer und Mühlbacher einiges zu berichten. Die Eltern haben eine Initiative für den Rechtsanspruch auf ein elftes und zwölftes Schuljahr für Kinder mit Behinderungen gegründet – die auch Schauspieler Ostrowksi unterstützt. Denn so unglaublich das klingt: Kinder mit Downsyndrom und anderem “sonderpädagogischen Förderbedarf” fliegen mit 16 Jahren aus der Schule. Obwohl in Österreich eine Ausbildungspflicht bis 18 gilt – Jugendliche mit Behinderungen sind davon aber ausgeschlossen.
Zwar kann man sich einen längeren Schulbesuch von der Bildungsdirektion bewilligen lassen, einen Rechtsanspruch darauf gibt es aber nicht. Und weil die Lehrpläne und Ressourcen fehlen, werden die Anträge oft abgelehnt. Dabei brauchen gerade Kinder mit Behinderung mehr Zeit, um Dinge verstehen zu können. Hinter dem Gesetz steckt auch ein falsches Bild von Menschen mit Behinderungen, sagt Initiatorin Claudia Mühlbacher zum Magazin “andererseits”:
„Als könnten sie nach neun Jahren sowieso nichts mehr lernen”.
Es ist höchste Zeit, dass mit diesem Ausschluss von jungen Menschen mit Behinderungen Schluss ist. Die Initiative “Ich will Schule” ist ein wichtiger Schritt dort hin. 12.5000 Menschen haben die Bürgerinitiative bereits unterschrieben, die Unterstützung ist noch möglich – und ganz einfach.
Dass Menschen mit Behinderungen vor allem Rechte und Inklusion in der Schule, in die Arbeitswelt und in die Politik brauchen – das macht auch das Magazin andersrum deutlich. In einer großen Recherche haben sie dieses Jahr aufgezeigt, wie das ORF-Spendenhighlight “Licht ins Dunkel” Menschen mit Behinderungen zur Schau stellt. Wie man für sich selbst spricht und einsteht und woran es fehlt, das zeigen die Journalist:innen von andererseits ebenso wie die Familien Riebenbauer und Mühlbauer.
Menschen mit Behinderungen brauchen weder Mitleid, noch Almosen – sie brauchen Rechte und Ressourcen. Das sollte im Jahr 2022 möglich sein.
Tanja Maier: Lebensmittel-Gutscheine für ukrainische Flüchtlinge
Tanja Maier macht das, was man sich eigentlich von Regierungen und der öffentlichen Hand erwartet: Sie sorgt mit ihrem freiwilligen Einsatz dafür, dass geflüchtete Ukrainer:innen sich etwas zu essen kaufen können.
Die 46-jährige Mutter von drei Kindern hat am Beginn des Angriffs auf die Ukraine am Wiener Hauptbahnhof als Ehrenamtliche mitgeholfen. Weil sie Russisch spricht, konnte sie sich mit den Familien verständigen. “Ich fing an, bei allem zu helfen, was zu tun war, von der Hilfe bei der Beschaffung von Zugtickets bis hin zum Kauf von Lebensmitteln, Getränken, Windeln, Zigaretten usw. Manchmal habe ich auch beim Organisieren einer Hotelübernachtung geholfen”, erzählt Tanja Maier. Weil sie auf ihrem Blog von ihrem Engagement erzählte, meldeten sich Leser:innen und fragten, ob sie mit Geld helfen könnten. Im April begann sie, Supermarkt-Gutscheine zu verteilen – so konnte sie unbürokratisch helfen.
Gemeinsam mit einem anderen engagierten Helfer aus Graz gründete sie im Mai den Verein Cards for Ukraine. Auf der Website melden sich Ukrainer:innen auch, um Gutscheine zu erhalten.
“Mittlerweile habe ich auch eine Telegram-Gruppe, in der ich mich mit über 2.000 Ukrainern in Österreich austausche”, sagt Maier.
Neben vielen Familien ist ihr ein älteres Ehepaar aus Tschernihiw in Erinnerung geblieben. “Sie standen mitten in Wien am Hauptbahnhof, waren gerade mit ihren Plastik-Sackerln angekommen und fragten mich, was sie tun sollten. Ich schlug Innsbruck vor, half ihnen, Tickets zu kaufen, brachte sie in einem Hotel unter und kam am nächsten Tag zurück, um sie in den Zug zu setzen.” Doch weil das Ehepaar kein Telefon hatte, verloren sie den Kontakt. Über eine Freiwillige in Tirol, die Maier von Twitter kannte, erreichte sie das Ehepaar erneut. “Leider hatten sie keinen einfachen Start, und ich fühlte mich schrecklich, weil ich ihnen empfohlen hatte, Richtung Westen zu fahren, weil ich dachte, es wäre besser als Wien. Das war es auch, anfangs. Aber leider hatten auch sie unter dem “System” zu leiden, und es wurde erst besser, nachdem freundliche lokale Freiwillige eingegriffen hatten.”
Tanja Maier ist stolz, dass sie so viele Nachrichten beantwortet hat und Ratschläge geben konnte. “Ich versuche, immer zuzuhören und Geschichten weiterzuerzählen. Ich habe versucht, jeden, den ich treffe, mit Respekt zu behandeln und eine Schulter zum Anlehnen zu sein.” Doch der Einsatz ist auch ernüchternd und ermüdend. Mit einem 50 Euro-Gutschein kann man gerade mal ein Sackerl Lebensmittel kaufen – das hilft kurz, aber nicht nachhaltig. “Die staatlichen Maßnahmen sind immer noch ineffizient, unzureichend und einfach ein bürokratischer Albtraum”, kritisiert Maier. “Man schafft es nicht einmal, alle ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen. Ich habe keinen Hintergrund in Sozialarbeit, aber was ich in diesem Jahr gesehen und erlebt habe, hat mich schockiert und abgestumpft. Dieses System ist so gemacht, dass man darin scheitert”, resümiert Maier.
Marlene Engelhorn: Eine Überreiche mit Gerechtigkeitssinn
Österreichs Geldadel lehnt Vermögenssteuern selbst in der Krise ab. Die junge Millionenerbin Engelhorn zeigt dagegen, dass auch reiche Menschen Mitgefühl gegenüber Menschen mit weniger Geld aufbringen können und bereit sind, zu teilen. Das sollte Schule machen.
Vermögen ist in Österreich extrem ungleich verteilt: Das reichste ein Prozent besitzt die Hälfte vom gesamten Vermögen – Tendenz steigend -, während die Hälfte der Österreicher:innen nur Zugang zu etwa drei Prozent des Vermögens haben. Genau daran stört sich 30-jährige Millionenerbin Marlene Engelhorn. Sie will 90 Prozent ihres Erbes spenden. Doch nicht nur das: Seit fast zwei Jahren engagiert sie sich für Vermögenssteuern und Verteilungsgerechtigkeit.
„Ich habe für mein Erbe keinen Tag gearbeitet und zahle keinen Cent dafür. Besteuert mich endlich“, fordert sie.
Engelhorn hat die Initiative „Taxmenow“ gegründet, einen Zusammenschluss vermögender Menschen, der sich für Vermögens- und Erbschaftssteuern für die Reichsten einsetzt.
“Überreiche Menschen müssen anerkennen, dass ihre Privilegien aus Prinzip ein Unrecht sind”, schreibt Engelhorn in ihrem 2022 neu erschienenen Buch „Geld“. Darin beschreibt sie ihre Klasse, das reichste Prozent der Gesellschaft, als „eine der schlechtest integrierten Parallelgesellschaften“, die wenig Ahnung vom Leben der restlichen 99% hat. Dennoch bestimmen sie aber deren Lebensbedingungen zu einem wesentlichen Teil, denn das Geld der Reichsten erkauft ihnen nicht nur ein Luxusleben, sondern vor allem Einfluss – in der Wirtschaft, der Politik und in den Medien.
Im Herbst 2022 hat sie darüber hinaus angekündigt, jede Spende an das Momentum-Institut zu vervierfachen – denn dort würde man sich für Steuergerechtigkeit einsetzen, so die Millionenerbin. Engelhorn hebt sich mit ihrem Einsatz für mehr Gerechtigkeit beim Vermögen von ihren Klassenkollegen im reichsten Prozent ab: Als die AK-Präsidentin Renate Anderl den 100 reichsten von ihnen per Brief die Frage stellte, ob sie bereit wären, angesichts der Krise mehr beizutragen, war keiner von ihnen bereit. Drei schrieben zurück, dass sie keine Vermögenssteuern wollen, der Rest antwortete nicht. Engelhorn zeigt dagegen, dass auch Interesse und Mitgefühl an anderen Menschen aufbringen kann, wenn man sehr viel Geld hat.
Marina Sorgo und Hanife Ada: Hilfe für Frauen und Kinder, die Schutz vor Gewalt suchen
Zwei Frauen, die für Frauen einstehen – und ihnen helfen, wenn diese mit Gewalt und Angst leben müssen. Für ihr Engagement hat sie heuer auch die Tageszeitung “Die Presse” ausgezeichnet.
Die Diplomsozialarbeiterin Marina Sorgo arbeitet seit 1984 im Bereich Gewaltschutz von Frauen und Kindern. 1995 gründete sie das erste Gewaltschutzzentrum Österreichs in der Steiermark und ist seither dessen Geschäftsführerin. Fast 3.300 Gewaltopfer haben 2021 im Gewaltschutzzentrum Grazer Granatengasse Hilfe bekommen. Die Zahl der Schutzsuchenden hat sich im Vergleich zum Jahr davor verdreifacht. Für Sorgo steht bei betroffenen Familien bzw. Partnerschaften das Ende der Gewalt im Vordergrund – nicht die Aufrechterhaltung oder Beendigung der Beziehung. Deshalb ist ihr neben der notwendigen Opferhilfe auch die Täterarbeit wichtig.
„Hilf mir, Schwester“, so heißt die Initative, die Hanife Ada vor zehn Jahren ins Leben gerufen hat – oder wie der Name im Original lautet: „Yetis Bacim“. Anders als in Frauenhäusern mit fester Infrastruktur, versucht Hanife Ada über Soziale Medien, Online-Hilfe und Spenden Frauen und ihre Kinder aus gewaltvollen Beziehungen herauszuhelfen. Sie selbst steckte jahrelang in einer solchen gefährlichen Partnerschaft fest, sie und ihre Kinder litten darunter. Jetzt will sie Frauen helfen, auch wenn sie in anderen Ländern leben und Gewalt von ihren Partnern erleiden. Begonnen hat alles als Facebook-Gruppe, mittlerweile managet sie ein Netzwerk von 16.000 Frauen über Ländergrenzen hinweg. Sogar eine Notfallnummer, die 24 Stunden besetzt ist, überantwortet Hanife Ada. Über Flohmärkte und Spendenaufrufe sammelt sie Geld, um Reisetickets, Lebensmittel oder Notunterkünfte zu finanzieren. Über 700 Frauen hat Hanife Ada durch ihr Engagement das Leben gerettet.
Gemeinsam mit Tanja Maier – wurden Marina Sorgo und Hanife Ada heuer von der „Presse“ zu einer der „Österreicher:innen des Jahres 2022“ ernannt und im Bereich „Humanitäres Engagement“ ausgezeichnet.
In Österreich ist jede 3. Frau von körperlicher und/oder sexueller Gewalt innerhalb oder außerhalb von intimen Beziehungen betroffen – das sind nahezu 35% der weiblichen Bevölkerung.
28 Frauen wurden allein in diesem Jahr mutmaßlich von Männern getötet. Viele Betroffene sind oder fühlen sich den gewalttätigen Partnern abhängig und wissen nicht wohin. Frauenhäuser sind eine wichtige Anlaufstelle – sie sind ein Zufluchtsort, wenn gar nichts mehr geht. Doch die Plätze sind begrenzt. Die Stadt Wien hat im Dezember 2022 das fünfte Frauenhaus in der Bundeshauptstadt eröffnet. Damit gibt es über 50 Plätze mehr für Frauen und Kinder, die Schutz suchen.
Andi Babler: In Traiskirchen gibt es keinen Widerspruch des Helfens
Während man von den Regierungsparteien nur hört, was in Sachen Flüchtlingshilfe nicht geht, zeigt der Bürgermeister der Stadtgemeinde Traiskirchen in Niederösterreich, was sehr wohl geht: Mitgefühl und konkrete Hilfe. Und wie man damit als SPÖ-Bürgermeister über 70 Prozent der Stimmen bei den Wahlen gewinnen kann.
Seit 2014 ist Andreas Babler (SPÖ) Stadtchef in Traiskirchen, wo sich das größte Flüchtlingslager Österreichs befindet. Immer wieder muss Babler ausrücken, um auf die schlimme Lage dort aufmerksam zu machen, die sehenden Auges von der Regierung in Kauf genommen wird. Babler organisiert Spendensammlungen – und mahnt eine menschliche Asylpolitik ein, rassistische Töne hört man von ihm nie.
„Das Wesentliche ist, dass man die Frage von Flucht auf das reduziert, was sie ist, nämlich eine menschliche Frage“, erklärte Babler in einem Interview.
Für Babler gibt es keinen “Widerspruch des Helfens”, wie er immer erklärt. Er nutzt seine Spielräume als Bürgermeister, um allen zu helfen, die seine Hilfe brauchen. Während der Corona-Pandemie organisierte er in Traiskirchen Spucktests für Kleinkinder und Luftfilter in allen Kindergarten- und Schulräumen. Er richtete Freiluftklassen ein, damit der Unterricht weiter stattfinden kann. Im „Garten der Begegnung“ bauen Traiskirchne:innen, Schüler:innen und Asylsuchende gemeinsam Obst und Gemüse an – um es dann im „Guten Laden“ gratis jenen zur Verfügung stellen, die wenig Geld zum Leben haben.
Als erste Stadt in Niederösterreich bietet Traiskirchen jetzt ab 2023 gratis Schul- und Kindergarten-Essen für Familien mit wenig Geld an. Auch die Nachmittagsbetreuung im Kindergarten ist für sie kostenlos. Man merkt: Da ist einer, der will, dass die Gesellschaft zusammenhält – und das gelingt Babler selbst unter schwierigen Umständen wirklich gut.
Sarah Bauernhofer: Der Verein “von Mama zu Mama” hilft armutsbetroffenen Familien in der Oststeiermark – ganz unbürokratisch
Es begann als Austausch unter Mamas und endete in einem Verein und 6.000 vernetzten Müttern in der Steiermark – denen es nicht nur ums Plaudern, sondern vor allem ums Helfen geht. “Von Mama zu Mama” unterstützt Familien in der Region, die Schicksalsschläge erlitten und Geldsorgen haben. Und das mit kreativen Aktionen.
Zunächst wollte sich die Steirerin Sarah Bauernhofer (33) mit anderen Mamas vernetzen – vor sieben Jahren, da war sie gerade schwanger und in Karenz. Zuerst war es eine Facebook-Gruppe zum Austauschen mit Müttern aus der Region. Man ging wandern, spazieren, traf sich zum Spielen. Mit kleinen Aktionen sammelten sie Spenden – und gaben das Geld zunächst an die Volkshilfe und andere Organisationen weiter. Dann jedoch hatte Sarah Bauernhofer eine Idee: “Ich wollte etwas Nachhaltiges gestalten und so kam mir die Idee vom “Kochbuch für den guten Zweck”. 100 Mamas aus der Oststeiermark haben Rezepte aus ihren Familien gesammelt und das Buch verkauft. Plötzlich war so viel Geld da, dass Sarah kurzerhand einen Verein gegründet hat, der selbst gemeinnützig ist: “Von Mama zu Mama”.
“Kurze Zeit später hab’ ich schon den ersten Lebensmittelgutschein an eine Familie aus der Region verschickt. Mittlerweile helfen wir fünf bis sieben oststeirischen Familien pro Woche! Wir übernehmen Mieten, Stromrechnungen, Heizkosten, unterstützen ganz oft beim Lebensmitteleinkauf und schauen, dass alle, die Hilfe benötigen auch Hilfe bekommen. Es gab tatsächlich noch keine einzige Anfrage, die wir nicht positiv abschließen konnten. Das ist zu 90% der großen Mompower zu verdanken, die hinter unserer Initiative steckt”, erzählt Bauernhofer stolz. Wer sie reden hört, merkt, wie die Motivation aus ihr heraussprudelt. “Sobald mir eine Mama, ein Papa oder eine Familie von ihrem Problem erzählt, wird es auch zu meinem Problem. Und ich weiß: Für jedes Problem gibt’s eine Lösung.”
Der Verein greift auch Themen auf, die zu kurz kommen und für die es zu wenig öffentliche Angebote gibt, etwa Brustkrebs-Vorsorge und Erste Hilfe für Kleinkinder. Oder auch seelische Unterstützung. Wenn eine Mama meint, sie fühlt sich allein gelassen, wenn es um ihre Fehlgeburt geht, kümmere ich mich mit #vmzm darum, dass sich das ändert. So haben wir bereits dreimal zum “Sternchen Frühstück” geladen, wo sich Mamas, die eine Fehlgeburt hatten, untereinander austauschen konnten”, erzählt Bauernhofer.
Herzstück des Vereins ist die eigene Facebook-Gruppe mit 6.000 Frauen als Mitglieder. Mittlerweile hat der Verein “Von Mama zu Mama” auch ein Lokal in Hartberg – in dem sich Familien zum Essen, Spielen, Plaudern oder auch zu Veranstaltungen treffen können.
“Letzte Generation”: Wir reden wieder über das Klima
Die Klimaaktivist:innen haben sich mit ihren Aktionen bei vielen unbeliebt gemacht, aber sie haben auch etwas verschoben: Die Aufmerksamkeit ein Stück zurück zum Klima und die Sympathien in Richtung der moderateren Teile der Klimabewegung.
In diesem Jahr fand die UN-Klimakonferenz statt, Wissenschafter:innen veröffentlichten schockierende Prognosen zum Klimawandel und Klimaaktivist:innen besetzten mehrere Unis. Die Bedrohung durch den Klimawandel ist existenziell, wie es auch UNO-Generalsekretär António Gutierrez eindringlich formulierte: “Die Klimakrise bringt uns um”. Wirklich heftige Diskussionen löste aber nichts davon aus. Wochenlang diskutierten wir hingegen über die Klimaaktivist:innen von “Letzte Generation”, weil sie sich vor den Autoverkehr kleben oder verglaste Kunstwerke in Museen mit Farbe bespritzten.
“Eine Demonstration vor der OMV schafft es nicht auf die Titelseite, etwas Farbe auf einer Glasscheibe im Museum schon”, so erklären die Klimaaktivisten der Gruppe “Letzte Generation” ihre Aktionen.
Einen Beliebtheitswettbewerb gewinnt man mit solchen Protesten nicht, den Kampf um Aufmerksamkeit eventuell schon. Und genau das will die “Letzte Generation”. Ihre Forderungen sind nicht radikal, es geht um Tempo 100 auf Autobahnen und keine neuen Öl- und Gasbohrungen. Ihre Aktionsformen sind gewaltfrei, aber irritierend. In Österreich sorgte vor allem eine Aktion im Wiener Leopold Museum für Aufsehen: Im November schüttete ein Aktivist eine erdöl-ähnliche Flüssigkeit auf das Schutzglas des Klimt-Gemäldes “Tod und Leben”, ein weiterer klebte seine Hand am Schutzglas fest. Hintergrund war das Sponsoring des Museums durch den österreichischen Öl- und Gaskonzern OMV – dem größten CO2-Emittenten des Landes. Dem Bild ist nichts passiert, die Diskussionen waren aber groß.
Die vorherrschende Meinung: Mit solchen Aktionen bringe man die Leute gegen den Klimaschutz auf, man vergrault Verbündete. Unsere Überlegung: So gut wie jede historische Bewegung hatte einen radikalen Arm, der den Rest der Bewegung in die politische Mitte rücken ließ. Die Arbeiterbewegung, die Frauenbewegung oder die Unabhängkeitsbewegungen – der zivile Ungehorsam einiger Weniger schadete den Vertretern am Verhandlungstisch selten. Im Gegenteil: Die Anliegen der Verhandler wirkten durch die Eskalationen anderswo oft gemäßigter und annehmbarer. Wenn sich jetzt einstige Kritiker nach den freundlich-engagierten Schüler:innen der freitäglichen Klimastreiks zurücksehnen – das geht in die Richtung.
Die Schütt- und Klebeaktivist:innen haben zumindest etwas verschoben: Die Aufmerksamkeit ein Stück zurück zum Klima und die Sympathien in Richtung der moderateren Teile der Klimabewegung.
Und das ist wichtig, denn in Österreich nimmt der CO2 Ausstoß nicht ab und es gibt nach wie vor kein Klimaschutzgesetz.
Omas gegen Rechts werden fünf und sind engagiert wie am ersten Tag
Die jung und laut gebliebenen Frauen sind aus der österreichischen Zivilgesellschaft nicht mehr wegzudenken.
2017 haben sich Frauen – allen voran die einstige Pfarrerin Monika Salzer und die Schriftstellerin Susanne Scholl – zusammengeschlossen, um gegen die Koalition der ÖVP mit der FPÖ zu protestieren. Die Omas gegen Rechts, wie sie sich selbst nennen, engagieren sich seither gegen Rassismus, gegen Antisemitismus und für Menschenrechte. Sie beteiligen sich an zahlreichen Protesten auf der Straße.
Sichtbar sind sie vor allem für die Bundesregierung: Beharrlich fordern sie seit zwei Jahren mit Schildern und Transparenten vor dem Ballhausplatz, Flüchtlingen zu helfen – und Schutzsuchende aus Moria nach Österreich zu holen.
Im Dezember 2022 feiern die Omas gegen Rechts ihren fünften Jahrestag. Dabei bedankte sich auch Bundespräsident Alexander van der Bellen für ihre Arbeit, die dazu beiträgt, mehr Gleichstellung und Miteinander in unserer Gesellschaft zu bewirken.
Clara Gallistl: Rapid bekommt ein Frauenteam
Ab 2024 werden Mädchen und Frauen bei Rapid kicken. Das ist der Verdienst von Gallistl. Nur den Mänern zuschauen, war dem Rapid-Fan nicht genug.
Clara Gallistl (34) ist seit dem 13. Lebensjahr Fußballfan – seit den Stadionbesuchen mit dem Papa als Pasching plötzlich in der Bundesliga spielte. Einmal war Rapid im Stadion und Clara konnte die Augen nicht mehr von der Fankurve abwenden. “Da habe ich mich in Rapid verliebt”, erinnert Clara sich. Mit dem Erwachsenwerden lässt die Leidenschaft jedoch nach, zumindest vorübergehend.
Zum Studieren zieht Clara nach Wien. Über Freunde besucht sie Spiele in Hütteldorf und die Begeisterung für den Fußball entfacht neu. Clara engagiert sich im Verein “Vorwärts Rapid” und macht sich Gedanken über die Zukunft des Klubs.
“Wir haben von Anfang an darüber diskutiert, warum es kein Frauenteam gibt. Immerhin steht Rapid für Offenheit, für Vielfalt und sozialen Zusammenhalt. Da passte es natürlich nicht in das Werteverständnis, dass es nur Männerfußball gibt”, erinnert sich Clara.
Da Rapid als Mitgliederverein funktioniert, bei dem die Fans auch etwas mitzureden haben, konnte Clara die Hauptversammlung 2021 nutzen, um einen Antrag für ein Frauenteam einzubringen. Clara Gallistl schreibt den Text, holt Meinungen ein, sammelt sogar Unterschriften für das Anliegen – auch wenn die gar nicht formal notwendig sind. Sogar ehemalige Präsidiumsmitglieder unterstützen die Forderung.
Dass da jemand mit einem Antrag Rapid reformieren will, blieb auch den Medien nicht verborgen. Es folgten Interviewanfragen und ein Podcast-Auftritt bei 1899FM. Clara Gallistl nimmt sich Zeit, beantwortet Fragen – und entkräftet auch Gegenargumente, die man ihr entgegen schmettert. Ein Frauenteam bei Rapid? Zu teuer, vielleicht sogar unnötig. Und überhaupt, Frauenfußball – das sei doch nur ein Trend, der vergeht. Doch am Ende setzt sich der Fan durch – gemeinsam mit Gleichgesinnten.
Ab 2024 werden Mädchen und Frauen bei Rapid kicken. “Das wird ein Booster für den gesamten Fußball sein”, ist sich Clara Gallistl sicher. “Frauen zu sehen, die sich nicht zurückhalten, sondern mit vollem Körpereinsatz Fußball spielen, mit Teamgeist, das wird auch eine Vorbildwirkung bei Kindern und Jugendlichen haben – und sicher so manches stereotype Geschlechterbild aufbrechen”, sagt der Rapid-Fan.
Doch bis dahin ist noch einiges zu tun: “Die Frauen müssen professionell arbeiten können und das heißt auch: sie müssen ordentlich bezahlt werden und brauchen einen g’scheiten Trainer:innenstab und gute Infrastruktur. Man muss sie in Meisterschaften und auch international spielen lassen”, sagt Gallistl. Erst, wenn das alles stimmt, ist das Ziel der Fans erreicht.
Gewerkschaften: Die Löhne steigen so hoch wie lange nicht mehr
Das Jahr 2022 war geprägt von der höchsten Inflation seit 70 Jahren. Viele wussten nicht mehr, ob sie ihre Wohnung heizen oder das Geld für Lebensmittel ausgeben sollen. Umso wichtiger war es, dass die Löhne und Gehälter steigen.
Die Lohnverhandlungen liefen heuer besonders hart. Im Herbst haben Österreichs Gewerkschaften von den Metallern bis zu den Handelsangestellten darauf bestanden, die Reallohnverluste auszugleichen. Nach Jahren zurückgehaltener Lohnforderungen setzten sie auf Warnstreiks. Die Arbeitgeberseite bot zunächst nur niedrige Erhöhungen und Einmalzahlungen, die bereits nach einem Jahr verpuffen. Das lehnten die Gewerkschaften ab, die Beschäftigten zeigten sich streikbereit. Manche machten ihre Drohung wahr:
So legten etwa die Bierbrauer für 12 Stunden die Arbeit nieder, bei der Bahn standen sogar 24 Stunden lang die Räder still. Es war der größte Bahnstreik seit über 10 Jahren.
Das Ergebnis: Die Löhne stiegen so hoch wie schon lange nicht mehr. In allen Branchen gibt es Lohnabschlüsse über der Teuerung der zurückliegenden 12 Monate. In Niedriglohnbranchen wie der Reinigung (+8,6%) und der Bewachung (+10,3%) liegen die Abschlüsse am höchsten, im Handel ähnlich wie bei den Metallern bei durchschnittlich +7,3 Prozent. In den untersten Lohngruppen steigen die Löhne in allen Branchen über 8 Prozent.
Die Lohnverhandlungen haben gezeigt, wie wichtig es ist, dass Arbeitnehmer sich in Gewerkschaften zusammenschließen. Je mehr Beschäftigte in der Gewerkschaft sind, umso besser können sie ihre Interessen durchsetzen.
In den Streiks wurde sichtbar, wo und von wem in der Wirtschaft der Wert geschaffen wird – nicht in den Vorstandsetagen und bei den Aktionärsversammlungen, sondern dort, wie die Menschen arbeiten. Streiks gelingen vor allem da, wo die Beschäftigten gut organisiert sind – bei der Eisenbahn oder den Metallern. Wenn in gewerkschaftlich starken Branchen Arbeitskämpfe gewonnen werden, steigt der Druck aber auch auf andere Branchen, dort höhere Löhne zu zahlen.
Wäre ein NETTO-STUNDEN LOHN von 17.50 € , dort wo es diesen Lohn noch nicht gibt, die bessere Variante ; um die Armut zu REDUZIEREN UND für mehr FREIZEIT, für die Familien!! Dies wurde von Fr. Dr. Pamela Rendi-Wagner schon , vor längerer Zeit, gefordert! Die Gewerkschaft sollte nur für einen NETTO-STUNDEN-LOHN , mit der WKO, verhandeln. Man lebt doch nur vom NETTO-LOHN!!
Bambule, altes Haus