Das erste Mal habe ich von SARS-CoV-2 („Coronavirus“) Anfang Jänner im Nachtdienst gehört. Ich bin in der Ambulanz gesessen und eine erfahrene Ambulanzkrankenschwester hielt mir einen Zeitungsartikel unter die Nase. „14 Menschen in China mit unbekanntem Virus infiziert“, oder so ähnlich lautete die Schlagzeile. Die Kollegin sagte mir, dass ein Patient am Schalter der Notaufnahme steht, der vor kurzem in China war. Wir haben den Patienten gemeinsam versorgt und nach Hause geschickt. Fälle außerhalb von Wuhan gab es damals noch nicht und einen Test (RT-PCR) genauso wenig. Seitdem hat sich viel geändert.
Seit Wochen testen wir bereits entsprechend der offiziellen Kriterien. Obwohl diese in den letzten Wochen etwas erweitert wurden, müssen wir heute leider sagen, dass wir in Österreich nur die Spitze des Eisberges kennen. Wir wissen nicht, wo das Virus überall ist. Wir können in China, Südkorea und leider auch Italien sehen, dass wir genau wissen müssen, wer infiziert ist. Erst dann können wir alle Kontaktpersonen isolieren, testen und so Infektionsketten erkennen und unterbrechen. Dazu müssen Testkapazitäten so schnell wie möglich massiv gesteigert werden und entsprechende Einrichtungen für die Isolierung von Infizierten und Kontaktpersonen geschaffen werden. Erst wenn wir wissen, wo das Virus ist, kann der Lockdown gelockert werden, ohne dass unser Gesundheitssystem kollabiert.
Matthias Krainz ist Arzt in einem Wiener Krankenhaus. Er hat Volkswirtschaftslehre und Medizin studiert und ist Vorsitzender des Vereins Solidarität.