Laut Insidern wusste ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner schon seit Monaten, dass Österreichs Defizit 2024 die 3-Prozent-Marke überschreiten wird. Trotzdem hat er das öffentlich immer wieder bestritten. Erst wenige Tage nach der Nationalratswahl gestand Brunner ein höheres Defizit ein. Die ÖVP hinterlässt damit ein Milliardenloch im Haushalt. Jetzt drohen Sparmaßnahmen.
Den ganzen NR-Wahlkampf hindurch behauptete ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner, dass Österreichs Defizit – also die jährliche Verschuldung – 2,9 Prozent, und damit im grünen Bereich liegen wird. Damit lag er ziemlich daneben. Die EU-Kommission rechnet in ihrer Prognose von Mitte November mit einem Defizit von 3,6 Prozent. Das entspricht einem Minus im Staatshaushalt von mehreren Milliarden Euro. Expert:innen vom Fiskalrat, dem WIFO und dem IHS gingen schon seit dem Frühjahr von einem Defizit in dieser Größenordnung aus.
Trotzdem versicherte Brunner immer wieder, dass die Verschuldung laut Berechnungen des Finanzministeriums lediglich bei 2,9 Prozent liegen wird.
Finanzministerium hat Budgetloch offenbar “kleingerechnet”
Jetzt zeigt sich: Das ÖVP-geführte Finanzministerium hat das Budgetloch offenbar absichtlich kleingerechnet. Denn wie die Tageszeitung “Der Standard” berichtet, schickte das Finanzministerium schon im Frühjahr eine Meldung nach Brüssel, in der man von einem Defizit von 3,1 Prozent ausging – allerdings nur für den Bundessektor.
Nach den EU-Regeln sind daneben aber auch die Finanzen der Bundesländer, Gemeinden und Versicherungsträger relevant. Für die Bundesländer und Sozialversicherungen erwartete das Finanzministerium einen Überschuss. Dort sollte mehr eingenommen als ausgegeben werden. Der Finanzminister ging also davon aus, dass die Überschüsse der Länder und Sozialversicherungsträger das hohe Defizit im Bund ausgleichen oder zumindest verringern würden.
Rechnung des Finanzministeriums für Fiskalrats-Chef “unplausibel”
Wie das Finanzministerium darauf kommt, kann allerdings niemand nachvollziehen. „Der Überschuss ist uns immer unplausibel vorgekommen“, sagt etwa Fiskalratschef Christoph Badelt. „Das sagt Ihnen jeder Landeshauptmann. Ganz zu schweigen von den vielen Gemeinden, die Defizite erwirtschaften.“
Tatsächlich hat sich der Schuldenstand der meisten Bundesländer 2024 vergrößert und nicht verringert: Niederösterreich erwartete schon 2023 – vor der Hochwasserkatastrophe – ein Minus von 480 Millionen Euro. Oberösterreich rechnet dieses Jahr mit einem Minus von 252 Millionen. Dort droht jetzt sogar ein Sparpaket. In den meisten anderen Bundesländern sieht es nicht besser aus. Von Überschüssen kann also keine Rede sein.
Und auch die österreichischen Krankenversicherungen rechnen bis 2028 durchgehend mit roten Zahlen. Der Dachverband der Sozialversicherungsträger geht allein für dieses Jahr von einem Minus von 264,7 Millionen Euro aus. Bei der ÖGK erwartet man ein Defizit von bis zu 800 Millionen Euro.
Finanzministerium versuchte das Budget zu „verschönern“
Bund, Länder, Sozialversicherungen. Überall sieht es also nach Defiziten aus. Und das nicht erst seit gestern. Wieso aber behauptete der Finanzminister dann immer wieder das Gegenteil? Laut der Tageszeitung “Der Standard” soll das Finanzministerium schon bei der Budgeterstellung 2023 von der Gefahr eines hohen Defizits gewusst haben. Insidern zufolge hat das Ministerium deshalb bewusst nach Wegen gesucht, das Budget zu „verschönern“. Man hat also einfach behauptet, dass Länder und Sozialversicherungen Überschüsse machen werden – obwohl nichts darauf hindeutete.
Woher kommt das hohe Defizit in Österreich 2024?
Dabei ist vor allem die ÖVP für das große Minus im Staatshaushalt verantwortlich. Denn seit 2020 hat sie in den Regierungen Türkis-Blau und Türkis-Grün mehrere Steuersenkungen für Arbeitgeber und große Konzerne beschlossen. Zum Beispiel hat man seit 2019 schrittweise die Lohnnebenkosten gesenkt, die von den Arbeitgebern gezahlt werden.
Anfang 2022 senkte die ÖVP-Grünen-Regierung außerdem die Körperschaftssteuer (Köst) – also die Gewinnsteuer für Konzerne – von 25 auf 23 Prozent. Das klingt wenig, war aber in Wahrheit ein Milliarden-Geschenk an große Konzerne – bezahlt von der Bevölkerung. Jeden einzelnen Tag entgehen dem Staat durch die Köst-Senkung 2,7 Millionen Euro. Wieviel Steuergeld bisher insgesamt verloren ging, kann man hier nachschauen.
Daneben haben auch die Abschaffung der kalten Progression, der Familienbonus und die Anpassung von Sozialleistungen an die Inflation ein Loch in den Haushalt gerissen. Hinzu kommen noch die vielen Einmalzahlungen – vom Teuerungsbonus bis zum Energiekostenzuschuss –, die die Regierung während der Teuerungskrise verteilt hat, weil sie nicht in die Preise eingreifen wollte.
Nicht zuletzt haben auch die Corona-Förderungen für Unternehmen dem Staat Milliarden gekostet. Einige Konzerne bekamen sogar noch 2024 Corona-Hilfen ausbezahlt.
Keine Gegenfinanzierung
Zu den von der ÖVP beschlossenen Steuergeschenken, Einmalzahlungen und Unternehmenshilfen sagt Fiskalratschef Christoph Badelt in der Presse am 5. November:
„Die seit Anfang 2020 verabschiedeten wirtschaftspolitischen Maßnahmen wurden ausschließlich ohne Gegenfinanzierung verabschiedet.“
Die ÖVP hat also nicht einmal einen Plan vorgelegt, wie man das Loch im Haushalt wieder füllen könnte. Und das, obwohl gerade die ÖVP für strenge Schuldenregeln eintritt und all jene als “Schuldenmacher” kritisiert, die mehr Investitionen in Gesundheit, Bildung und öffentlichen Verkehr fordern. Wenn es aber um Förderungen und Steuersenkungen für Konzerne geht, ist die ÖVP offensichtlich nicht so streng.
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