Andrea Maria Dusl - Comandantina

Glück ist Geschäft

Foto: Andrea Maria Dusl

Glück entsteht im Zusammenspiel von Gehirn und Hormonen. Die Molekularbiologie hat längst entschlüsselt, wie Sex, Sport und Spiel, ja sogar harmlose Substanzen wie Schokolade Glücksgefühle auslösen. Auch der Sitz des menschlichen Glücks ist inzwischen bekannt: Eine Hirnregion namens „Mandelkern“. Die Amygdala, so der medizinische Name, ist eine paarig angelegte Struktur tief drinnen im Hirn – auf computertomographischen Aufnahmen sehen die beiden Mandelkerne aus wie zwei innere Augen.

GLÜCK IST ANGEBOREN

Die Sprachwissenschaft sieht die Sache prosaisch. Für sie kommt „Glück“ vom Verb „gelingen“, das sich vom Wort „leicht“ ableitet. Glück und das sprachlich verwandte englische „luck“ bezeichnen ursprünglich das Gelungene, das leicht Erreichte oder den günstige Ausgang eines Ereignisses. Kein Wunder, kommt doch der Ausdruck „Glück“ aus dem Glücksspiel. Dazu später einige Gedanken.

Psychophysiologen wiederum orten das Glücksgefühl bei den primären oder unwillkürlichen Emotionen des Menschen: Freude, Trauer, Furcht, Wut, Überraschung und Ekel. Diese angeborene Muster, so die Erkenntnisse der Anthropologie, sind allen Kulturen bekannt.

Etwa tausend chemische Botenstoffe, so schätzen die Hirnforscher, steuern das breite Spektrum menschlicher Gefühlsregungen. Als Glücksboten gelten vor allem die Neurotransmitter Serotonin und Dopamin. Zusammen mit Adrenalin und Noradrenalin sind sie daran beteiligt, für gute Stimmung zu sorgen. Das Schokolade Glück bringt, ist für die Molekularbiologen übrigens kein großes Geheimnis: Über Umwege im Körper löst es die es Enstehung von Serotonin und damit Antidepression aus.

SUCHTGIFT GLÜCK

Neben den angesprochenen Molekülen wird auch den Endorphinen eine maßgebliche Rolle für das Empfinden von Freude und Glück zugeschrieben. Ihr Name leitet sich von der Bezeichnung „endogenes morphiumähnliches Molekül“ ab. Es handelt sich um körpereigene – endogene – Morphine, die an die gleichen Bindungsstellen andocken wie die als Schmerz- und euphorisierende Suchtmittel bekannten Opiate. Zwischen dem natürlichen Glückstaumel von Extremsportlern und Glücksspielern und den drogentechnisch herbeigeführten Rauschzuständen Heroinabhängiger finden wir in den westliche Hochleistungsgesellschaften weniger Unterschiede als uns lieb sein sollte.

DIE GLÜCKSZENTRALE

Das Glückszentrum selbst sitzt, wie schon erwähnt, im limbische System, in den beiden paarig angelegten, mandelkerngrossen Hirnregionend der Amygdala. Hier findet sich besonders häufig der Botenstoff Oxytozin, ein Nerveneiweiß, das in der Evolution erst mit der Entwicklung der Säugetiere auftritt. Aber auch beim Sex bildet die Hypophyse verstärkt Oxytozin. Manche Forscher machen es für das intensive Glücksempfinden im Orgasmus verantwortlich.

1996 veröffentlichten die amerikanischen Psychologen David Lykken und Auke Tellegen von der Universität in Minnesota ihre Forschungsergebnisse über den genetisch festgelegten individuellen „Set-Point of Happiness“, der von Mensch zu Mensch verschieden ist. Die  – bislang ergebnislose – Suche nach einem Gen fürs Glücklichsein ist für den US- Wissenschaftler Dean Hamer nur eine Frage der Zeit. Der Top-Kandidat des Forschers, der schon das „Gottes-Gen“, die neurobiologischen Voraussetzungen für religiöse Gefühle beschrieben hat: Das Gen, das für die Konstruktion der Bindungsstelle auf den Hirnnerven zuständig ist, die den Glücksboten Dopamin aufnehmen.

AUBEUTUNG IM BERGWERK GLÜCK

Die menschliche Fähigkeit Glück zu empfinden, zählt also zur Grundausstattung. Es darf uns nicht wundern, dass die hormonelle Disposition des Menschen längst industriell ausgebeutet wird. Die Unterhaltungsindustrie inklusive ihrer ins dunkle und düstere ausufernden Randgebiete Porno und Drogen darf in Summe wahrscheinlich als wirkmächtigster und umsatzstärkster Wirtschaftssektor gelten.

Wer auch immer zur Erkenntnis gelangt, das Abhängigmachen von Menschen durch Verkauf, Vertrieb und Bewerbung suchterzeugender Substanzen sei kriminell, wird die Augen nicht davor verschließen können, dass die gleichen Wirkmechanismen auch mit der künstlichen Erzeugung von Glück verbunden sind. Die Glücksspiel-Industrie, traditionell an der Grenze moralischer und legaler Felder operierend, fördert zudem ihre Milliarden-Umsätze aus einem Bergwerk, das ihr nicht einmal gehört:

Unseren Gehirnen. Es ist längst Zeit, die Schürfrechte an der Goldader Amygdala in Frage zu stellen.

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