Energie

Energiepreise: Gemeinden können sich Bäder und Fußballplätze bald nicht mehr leisten

Energiepreise verzehnfachen sich: Was die hohen Energiekosten derzeit ganz konkret bedeuten, das schildert der Niederösterreichische Bürgermeister Andreas Kollross. Viele Gemeinden geraten finanziell ins Straucheln und wissen nicht, wie sie in Zukunft ihre Strom- und Gasrechnungen bezahlen sollen: Schwimmbäder und Fußballplätze sind in Gefahr, die Straßenbeleuchtung auch. Kollross fordert dringend finanzielle Hilfen für Gemeinden, aber auch Eingriffe in den Energiemarkt – sonst bleibt alles nur Symptombekämpfung. 

Was bedeutet die Verzehnfachung der Energiepreise für die Gemeinden?

„Wenn ein Hallenbad statt 30.000 Euro jetzt über 300.000 Euro kostetet, dann ist das für viele Gemeinden nicht mehr finanzierbar“.

Andreas Kollross: Für Gemeinden, Städte, aber auch für Vereine im ländlichen Raum bedeutet es, dass Kosten entstehen, die für viele nicht mehr zu tragen sind. Wenn die Straßenbeleuchtung statt 100.000 Euro plötzlich eine Million Euro kostet, wird sich jede Gemeinde die Frage stellen: Wo bekommen wir das Geld her? Die Regierung hat bisher keine Antwort darauf. Wenn sie glaubt, das mit Einmalzahlungen erledigen zu können, ist das reine Symptombekämpfung. Wir brauchen einen Eingriff in den Markt, wir müssen schauen, dass wir die Energiepreise dauerhaft wieder runterkriegen. Strom- und Gaspreis müssen entkoppelt werden und wir brauchen einen Gaspreisdeckel, damit die Energiepreise endlich wieder sinken.

Uns treffen aber nicht nur die Energiepreise, sondern auch die Baukostenpreise. Ich weiß von Gemeinden, die einen Kindergarten mit 1,5 Mio. Euro budgetiert haben und jetzt liegen die Kosten plötzlich bei 2,5 Mio.

Über die Gemeinden entwickelt sich eine wirtschaftliche Spirale nach unten, weil die eine der größten öffentlichen Auftraggeber sind. Wenn die Gemeinden kein Geld mehr haben, um in der regionalen Wirtschaft Akzente zu setzen, bedeutet das auch mehr Arbeitslosigkeit. Wer gibt dem Elektriker, dem Tischler und dem Installateur dann große Aufträge – wenn nicht die Gemeinden?

Droht öffentlichen Einrichtungen wie Hallenbädern, Eislaufplätzen und Fußballplätzen diesen Herbst und Winter die Schließung?

Kollross: Ich weiß von einer Stadt in Salzburg, die hat bisher für das Hallenbad 30.000 Euro gezahlt und werden jetzt Kosten über 300.000 Euro haben. Das ist bald für viele Gemeinden nicht mehr finanzierbar. Und das bedeutet schlicht und einfach einen Verlust der sozialen Infrastruktur in Österreich.

Gerade wenn man sich die letzten zweieinhalb Corona-Jahre in Erinnerung ruft und was das für Familien und Kinder bedeutet hat, ist es das falsche Signal, den Kindern zu sagen: Jetzt seid ihr über zwei Jahre zuhause im Homeschooling gesessen und als Draufgabe dürft ihr jetzt nicht ins Hallenbad, nicht auf den Eislaufplatz und nicht mehr Fußball spielen. Beim Fußball – wie beim gesamten Breitensport – kommt noch dazu: In ein paar Wochen ist es um 17.00 finster. Das Training findet am Nachmittag statt, das heißt in der Dämmerung. Das kann ohne Licht gar nicht stattfinden.

Wir können nicht auf der einen Seite sagen: „Unsere Kinder und Jugendlichen sind so unbeweglich und sitzen nur noch vor dem Handy“ – und auf der anderen Seite können sich Gemeinden den Betrieb des Breitensports aufgrund der Energiekosten gar nicht mehr leisten.

Man kann die Teuerung also nicht durch Energiesparen ausgleichen? 

Kollross: Ich kann der grünen Philosophie der Individualisierung des Problems nur bedingt etwas abgewinnen. Wenn wir uns die Preisentwicklung anschauen – bei den Gemeinden, in den Haushalten oder bei den Betrieben – sieht man: So viel Energie können die gar nicht einsparen, um nur ansatzweise wieder auf die Kosten von vor einem Jahr zu kommen.

Stichwort Straßenbeleuchtung: Wenn die Beleuchtung einer Gemeinde bisher 30.000 Euro gekostet hat, jetzt aber 300.0000 Euro kostet und ich spare 10 Prozent ein, dann muss die Gemeinde immer noch 270.000 Euro zahlen. Vorher hat sie aber nur 30.000 gezahlt.

Es ist eine Illusion zu glauben, dass man die Preisentwicklung mit Energiesparen ausgleichen kann. Das ist naiv und ein Verleugnen der Problematik. Ich bin für Energiesparmaßnahmen, aber damit wird man die Preisentwicklung nicht in den Griff bekommen.

Welche Hilfe brauchen die Gemeinden?

Trumauer Bürgermeister Kollross: „Es ist eine Illusion zu glauben, dass man die Preisentwicklung mit Energiesparen ausgleichen kann.“

Kollross: Jetzt brauchen die Gemeinden kurzfristige Hilfen. Die Regierung muss ein Hilfspaket für die Gemeinden schnüren, damit wir die Strompreise irgendwie bewältigen können und die soziale Infrastruktur aufrechterhalten können. Aber ich halte nichts davon, dass man alle Jahre Zuschüsse macht und mit Steuergeld die Energiekonzerne subventioniert. Wir müssen mit den Preisen runter und in den Markt eingreifen. Letztlich wird es nicht anders gehen, weil die Regierung seit einem Jahr die Entwicklung verschläft. Wir haben als SPÖ im Herbst des vorigen Jahres schon auf die Teuerung hingewiesen. Da sind noch lange keine Bomben in der Ukraine gefallen, sind schon die ersten Signale der Teuerung da gewesen – vor allem was die Baustoffpreise betrifft. Der Ukraine-Krieg mag das alles verschlimmert haben, aber die Teuerung hat schon vorher stattgefunden und da hätte man beginnen müssen gegenzusteuern.

Und wie geht’s der regionalen Wirtschaft? Dem Bäcker, dem Friseursalon, der Putzerei – deren Energierechnungen sind auch viel teurer. Müssen da viele zusperren, wenn sich nichts ändert?

Kollross: Wenn nicht schnell Maßnahmen kommen, wird es leider einige treffen. Ein Greißler zum Beispiel hat viele Kühlgeräte, ein Fleischhauer auch – die werden sie nicht mehr betreiben können, weil sie diese hohen Kosten auch nicht auf die Lebensmittel umlegen können. Aber das alleine ist nur die halbe Wahrheit: Wenn die Gemeinden ihr ganzes Geld künftig für Strom und Gas ausgeben müssen, dann haben sie keinen Spielraum mehr für Investitionen. Das bedeutet: Die Schule wird nicht saniert, der Kindergarten nicht neu gebaut, der Gehweg nicht erweitert. Wenn das alles nicht stattfindet, kommt auch das Baugewerbe ins Straucheln. Wir müssen mit den Energiekosten runter, damit die Gemeinden wieder Spielraum für öffentliche Investitionen haben – das ist ein wesentliches Element der örtlichen und regionalen Wirtschaft.

Zur Person

Seit 2013 ist Andreas Kollross Bürgermeister in seiner Heimatgemeinde Trumau und seit 2017 SPÖ-Nationalratsabgeordneter. Im November 2021 wurde er außerdem zum Vorsitzenden des Sozialdemokratischen GemeindevertreterInnenverbands Österreich (GVV) gewählt.

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accurate_pineapple
accurate_pineapple
15. September 2022 12:34

Alles nach den Plänen der schwarzen korrupten Brut. Die werden alles daran setzen, dass die Übergewinne weiter mit Steuergeld subventioniert werden.
Widerliche, gierige Kreaturen.

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