Im Bundeskanzleramt, in der ÖVP-Zentrale und im Finanzministerium fanden am Mittwoch Razzien statt. Sebastian Kurz soll die “öffentliche Meinung” mit gefälschten Studien zu seinen Gunsten manipuliert und die Berichterstattung dazu in Boulevardmedien gekauft haben. Mit Steuergeldern aus dem Finanzministerium, getarnt mit Scheinrechnungen. Gegen ihn und seine Vertrauten wird wegen Bestechung, Beihilfe zur Bestechung und Untreue ermittelt. So lautet der schwere Verdacht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Sebastian Kurz bestreitet die Vorwürfe. Kontrast hat den Akt gelesen und zusammengefasst.
Zum ersten Mal in der Geschichte der zweiten Republik fanden Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt statt. Die Vorwürfe der Korruptionsermittler sind schwer: In einer mehr als hundert Seiten langen Durchsuchungsanordnung, die Zackzack veröffentlichte, geht es um Untreue, Bestechlichkeit und Beihilfe zur Bestechlichkeit. Im Zentrum der Ermittlungen steht dabei Kanzler Kurz.
„Sebastian Kurz ist die zentrale Person: sämtliche Tathandlungen werden primär in seinem Interesse begangen. (…) Alle an der Planung und Umsetzung beteiligten Personen mussten sich dem übergeordneten Ziel – ihn zur Position des Parteiobmanns und in weiterer Folge des Bundeskanzlers zu führen (…) unterordnen. Aus den (…) ausgewerteten Chatnachrichten ist ersichtlich, dass er in allen wichtigen Belangen die Grundsatzentscheidungen trifft (…).“
(Aus der Durchsuchungsanordnung)
Vorwurf: Fast 2 Mio. Steuergeld für Kurz-Wahlkampf missbraucht
Kurz soll die öffentliche Meinung zu seinen Gunsten mit gefälschten Studien manipuliert und die Berichterstattung dazu im Boulevard-Medium Österreich gekauft haben. Das Geld dazu soll aber nicht aus der ÖVP geflossen sein, sondern aus dem Finanzministerium – über Scheinrechnungen und überteuerte Inserate. Kurz soll sich also mit Steuergeldern zum Parteivorsitzenden und späteren Bundeskanzler “hochschreiben” und “frisieren” haben lassen – auch gegen seinen damaligen Parteichef Reinhold Mitterlehner. So sollen fast zwei Millionen Euro Steuergeld aus dem Finanzministerium für den Wahlkampf von Sebastian Kurz missbraucht worden sein, so der Vorwurf der Korruptionsermittler.
Die Ermittler schreiben von „missbräuchliche Zahlungen aus Amtsgeldern“, die ausschließlich „im Interesse von Sebastian Kurz“ waren. Um einen “unlauteren Wettbewerbsvorteils bei Wahlen (Umfragen, die keine Kosten der Partei verursachen)” zu haben und “die öffentliche Meinung – teilweise durch „frisierte“ und somit gefälschte Inhalte” zu manipulieren. Ausgerechnet Sebastian Kurz, der angetreten ist, um “im System zu sparen”, soll von Anfang an Millionen aus dem System missbräuchlich für seine Machtübernahme verwendet haben.
Inseraten-Affäre wird das Ibiza der ÖVP
Die Inserate-Causa ist das Ibiza der ÖVP. Heinz Christian Strache prahlte in Ibiza, dass Journalisten käuflich seien (“die größten Huren auf dem Planeten“). Die ÖVP soll sich tatsächlich Berichterstattung gekauft haben. Der berüchtigte Thomas Schmid aus dem Finanzministerium freut sich mit Kurz-Pressesprecher Frischmann beim Schauen von oe24:
“Propaganda” “Genial ;-))” “Unsere!!”. Und meint ganz überzeugt: “Objektivität im Journalismus gibt es nicht”.
Für Kurz geht es jetzt nicht mehr “nur” um Falschaussagen im U-Ausschuss, sondern um Korruption in großem Stil. Für die Beteiligten droht eine Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Die Anfänge: Kurz will Mitterlehner loswerden
2016 hatte der damalige Außenminister Kurz ein Ziel: Er wollte die Macht in der ÖVP übernehmen und Kanzler werden. Er und sein Umfeld arbeiteten das “Projekt Ballhausplatz” aus. Listen von potenziellen Spendern wurden geschrieben und Strategien zur Machtübernahme erarbeitet. In diesem “Projekt Ballhausplatz” findet sich auch der Punkt: „Umfragen in Auftrag geben“. Darunter wird auch schon das Ergebnis der Umfrage „Mit Sebastian Kurz alles besser“ vorweggenommen. Dazu findet sich der Vermerk „Inserate in Auftrag geben“ – wie Umfragen und Inserate in Zusammenhang stehen, erfährt man jetzt in den öffentlich gewordenen Chats zwischen Kurz und seinen Vertrauten.
2016 waren der Parteivorstand der ÖVP und die mächtigen Landeshauptleute gegen vorgezogene Neuwahlen. Sie wollten Kurz nicht zum Obmann machen und die Regierung Kern-Mitterlehner weiterarbeiten lassen. Um die eigene Partei unter Druck zu setzen, brauchte Kurz Umfragen, die die Parteigranden nervös machen sollten. Doch das Netzwerk des heutigen Kanzlers hatte ein Problem: Sie saßen noch nicht an den Schalthebeln der ÖVP und konnten Umfragen nicht mit Parteigeld bezahlen. So griff man kurzerhand in die Kasse des Finanzministeriums und entwickelten das „B.-Österreich-Tool“ (Wortschöpfung von Thomas Schmid), wie die Korruptionsermittler vermuten.
Das “B.-Österreich-Tool”: Bestellte Umfragen
Das System funktionierte so: Kurz und seine Vertrauten bestellten bei der langjährigen Geschäftspartnerin der damaligen Familienministerin Sophie Karmasin, Sabine B. Umfragen. B., die sich kurz zuvor erst selbstständig machte, erhielt vom Finanzministerium Aufträge – etwa Umfragen zu „Betrugsbekämpfung“. Die Kosten für die Kurz-Aufträge wurden dann einfach bei den Rechnungen an das Finanzministerium “eingepreist”. Hinweise dafür sieht die WKStA in Chats zwischen B. und Schmid. Sebastian Kurz selbst soll Karmasin laut Chats überredet haben, sich am Umfrage-Inserate-System zu beteiligen:
Kurz wollte ÖVP-Chef und Kanzler Reinhold Mitterlehner in diesem Umfragen abwerten. Ein Umfrageergebnis von B., bei dem die ÖVP bei nur 18 Prozent lag, gefiel Kurz gut. Bei Österreich soll gleich eine Berichterstattung darüber vereinbart worden sein. Das Ergebnis entsprach ganz den Wünschen des Kurz-Netzwerks, die Botschaft war: Die ÖVP unter Mitterlehner ist verloren.
“Man muss beim Rechnen aufpassen, sonst wird es unglaubwürdig”
Als Nächstes musste Kurz seine eigenen Werte auffrisieren, er muss sich als natürlicher Retter der ÖVP ins Spiel bringen. Später wurden dann Umfragen gefälscht und über Österreich an die Öffentlichkeit gespielt, die den politischen Mitbewerber und da vor allem den Kanzler Christian Kern (SPÖ) schlecht dastehen lassen sollten. So gab es etwa Umfragen zum Thema „Kern als Pizzabote“, bezahlt vom Finanzministerium. Einmal tauschte Kurz’ Pressesprecher Frischmann laut Chats bei einer Umfrage die Werte der SPÖ einfach mit denen der ÖVP. Manchmal mussten seine eigenen Mitarbeiter Kurz bremsen: “Man muss beim Rechnen aufpassen, sonst wird es unglaubwürdig”, warnt Schmid den unzufriedenen Kanzler.
Manchmal berichteten auch andere Medien außer Österreich über diese Umfragen, wie aus einer Chatnachricht von Thomas Schmid über den Presse-Chef Rainer Nowak hervorgeht: “Rund um Parteitag spielen wir die Umfragen groß. Macht er [Rainer Nowak, Chefredakteur der “Presse” Anm.] uns”.
Manchmal waren aber die Umfragen so offensichtlich “frisiert”, dass die meisten Medien sie nicht verwenden konnten. Da wird dann das „B.-Österreich-Tool“ besonders relevant:
Pressesprecher im Finanzministerium, Jim Lefebre, am 24. Februar 2018: „Die Umfrage nimmt doch keiner. Schaltet doch gleich ein Inserat“.
Schmid: „Eben daher haben wir das B.-ÖSTERREICH Tool entwickelt. Erfolgreich!“
Lefebre: „Verstehe!“
Die WKStA nimmt an, dass Wolfgang und Helmuth Fellner mit insgesamt 1,1 Millionen Euro an Inseraten aus dem Finanzministerium bestochen worden sind, damit sie die von Kurz und seinem Umfeld bestellten Umfragedaten veröffentlichen. Wie viel Einfluss das Netzwerk des späteren ÖVP-Chefs auf die Berichterstattung der Zeitung Österreich hatte, zeigt ein Chat zwischen Thomas Schmid und Wolfgang Fellner, in dem Thomas Schmid den Medienmanager zurechtweist, weil dieser nicht wie versprochen berichtete.
Völlig ungeniert schwadroniert Sebastian Kurz vor ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner, dass sein persönlicher Aufstieg „jahrelang Thema für die Menschen“ war. Der Wunsch nach einer ÖVP-Übernahme habe sich in der Berichterstattung und „sogar“ Umfragen gezeigt. Dass Kurz und sein Netzwerk damals die Berichterstattung gekauft und Umfragen sogar gefälscht hatten, erfuhr die Öffentlichkeit erst 4 Jahre später.
Dass dieses System alles andere als legal war, dürfte laut Chats auch Schmid bewusst gewesen sein. Er schriebt an Kurz‘ Pressesprecher, dass er noch nie “so weit gegangen” ist.
Später soll das “B.-System” noch verbessert worden sein: B. rechnet nicht mehr mit dem Finanzministerium direkt ab, sondern mit der Tageszeitung Österreich. Der sollen die Mehrkosten mit überteuerten Inseraten aus dem Finanzministerium ausgeglichen worden sein.
Beispielloser Kriminalfall in der Zweiten Republik
Bei den neuen Erkenntnissen handelt es sich um einen beispiellosen Kriminalfall in der Zweiten Republik. Noch nie gab es so ernsthafte und verdichtete Verdachtsmomente gegen einen Bundeskanzler. Womöglich ist der Moment gekommen, den Kurz‘ Pressesprecher Frischmann in seinen Chats mit Schmid schon voraussah. Als sich dieser bei Schmid für eine hohe Prämie im Finanzministerium bedankte, schrieb er: „Meine Augen haben heute gestrahlt als der Lohnzettel gekommen ist. DANKE!“ Als Schmid ihm antwortet, dass Loyalität eben belohnt werde, antwortet Frischmann: “Ich bleibe loyal. Ich zähle zum kleinen Orchester auf der Titanic, das bis kurz vor dem Untergang gespielt hat.“ Es könnte gut sein, dass der letzte Tanz des Sebastian Kurz begonnen hat. Der spricht jedenfalls davon, dass es sich um “konstruierte Vorwürfe” handle.
Herr Kurz, sie hätten doch Kaplan werden sollen, dann könnten sie jetzt ihren Familienmitgliedern die Beichte abnehmen und lossprechen.
Jetzt tuts halt der Staatsanwalt und dessen auferlegte Busse wird schmerzen!
Warum LÜGEN die POLITIKER, vom BK – zu den BV, nur um Ihren WILLE durchzusetzen,oder?
Das sieht man jetzt bei der ” Schwarz/Türkisen Regirungabteilung” und bei den geplanten Kurzparkpickerln in Wien für die Bezirksrändern, wo keine Öffis sind! Hier gilt: “ABZOCKE” PUR!!
Nichts auf der Welt ist für immer garantiert: weder Demokratie noch Rechtsstaat noch innerer Frieden. Die Zivilgesellschaft muß verdammt wachsam sein. Gut, dass der Rechtsstaat noch funktioniert.
Fake-Umfragen bedeuten das Umfragen in Auftrag gegeben wurden die es so eigentlich gar nicht gab da sie manipuliert wurden. Und für diese Umfragen wurden Scheinrechnungen erstellt. Es dreht sich einem der Magen um. Kurz hat es für sich wirklich so ausgelegt wie er es brauchte. Jetzt ist Schluss.
alles warum der Strache gehen musste , war nicht die FPÖ sondern die ÖVP und der Regierungsputsch unter dem Vorhang des Bundespräsidenten
Strache war nicht besser als Kurz, aber genauso korrupt. Strache war nur eine Konkurrenz und damit eine Gefahr für Kurz und nur deshalb musste er den Hut werfen. Die Grünen sind handlicher und naiver als Koalitionspartner und daher leichter zu beeinflussen und besser für das Image der Türkisen.