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Kontrast
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Ein Pfleger erzählt: Ein glückliches Leben im Alter müsste in unserer Welt drin sein

Sarah Hammerschmid Sarah Hammerschmid
in Gesundheit, Interview
Lesezeit:7 Minuten
13. März 2024
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Immer mehr Menschen sind im Alter auf professionelle Pflege angewiesen. Doch während der Bedarf steigt, wachsen auch die Belastungen für das Pflegepersonal. Kontrast hat den oberösterreichischen Pfleger Thomas P. zum Interview getroffen. Er erzählt, was sich ändern muss, damit er bis zur Pension im Pflegeberuf bleibt, wie sich die Arbeitszeiten mit einer jungen Familie vereinbaren lassen – und was sich die Bewohner:innen wirklich wünschen.

Inhalt
Personalmangel in der Pflege führt zu großer psychischer Belastung
Essen, Trinken, Medikamente und Hygiene sind die Grundbedürfnisse – aber was wünschen sich die Menschen?
Pflegeberuf und Familienleben: entweder lange Dienste oder knappes Gehalt
Es braucht Maßnahmen gegen den Personalmangel in der Pflege, bessere Bezahlung und die Einstufung als Schwerarbeit
Pflege als Schwerarbeit anerkannt: Frühere Pension für Pflegekräfte
Ein schöner Moment in der Pflege: demenzkranke Menschen singen, tanzen und erzählen

Kontrast: Du arbeitest seit einem Jahr als Pflegeassistent in einer Langzeiteinrichtung. Warum hast du dich für diesen Beruf entschieden und was gefällt dir am besten daran?

Thomas P.: Ich bin grundsätzlich ein sehr sozialer Mensch, war aber die letzten 15 Jahre in der Technik. Ich habe den Zugang über meine Oma gefunden, als sie pflegebedürftig wurde. Da kam die mobile Betreuung zu ihr und dadurch habe ich kennengelernt, wie Pflege funktioniert. Ich habe dann auch reingeschnuppert. Mir hat diese Arbeit gefallen und mittlerweile hat es sich auch bestätigt, dass ich irrsinnig gern und gut mit Menschen arbeiten kann.

In meinem Beruf ist es mir besonders wichtig, den Menschen zu helfen und ihr Leben besser zu machen. Ich freue mich, wenn ich sehen kann, dass meine Arbeit nicht nur darum geht, alltägliche Aufgaben zu erfüllen, sondern den Menschen auch Freude und ein gutes Gefühl zu geben.

Kontrast: Wie ist die Situation in deinem Pflegeheim, wie viel Betreuungspersonal und wie viele Bewohner:innen gibt es?

Thomas P.: Die Einrichtung ist in einer Vorstadt in Oberösterreich und hat etwa 80 Bewohner:innen. Das teilt sich auf vier Ebenen auf. Der Personalschlüssel, also das Betreuungspersonal, wechselt natürlich immer, aber so grob geschätzt ist etwa eine halbe Pflegeperson pro Bewohner:in. Also im Schnitt sind das 40 bis 60 Pflegepersonen für 80 Bewohner:innen.

Personalmangel in der Pflege führt zu großer psychischer Belastung

Kontrast: Was wäre das ideale Betreuungsverhältnis zwischen Bewohner:in und Pfleger:in?

Thomas P.: Meiner Meinung nach sind die Bewohner:innen grundsätzlich gut versorgt, also bedarfsorientiert. Es gibt Tage, da passt das Verhältnis so, wie es ist. Da kann ich mir die Zeit nehmen, die ich brauche, um in eine Person zu investieren. Und dann gibt es wieder manche andere Tage, wo es nicht passt.

Kontrast: Es klingt eigentlich gar nicht so wenig, 40-60 Pflegepersonen…

Thomas P.: Das mit den 40-60 Pflegepersonen wirkt mehr, als es eigentlich ist. Du kannst zwar bedarfsorientierte Pflege machen: Die Leute sind versorgt, sind sauber und ihre Grundbedürfnisse erfüllt. Wenn ich aber jetzt an die Bedürfnisse denke, die darüber hinausgehen, dann ist das eine ganz andere Geschichte. Das ist eigentlich die größte Herausforderung und das kommt von zu wenig Finanzierung, Personalmangel und so weiter. Das führt dann zu großer psychischer Belastung.

Wegen des Personalmangels in der Pflege bleibt oft die gemeinsame Zeit mit den Klient:innen auf der Strecke. (Foto: SPÖ)

Essen, Trinken, Medikamente und Hygiene sind die Grundbedürfnisse – aber was wünschen sich die Menschen?

Kontrast: Welche Bedürfnisse sind das, für die nicht genügend Zeit bleibt?

Thomas P.: Damit sind eigentlich Wünsche gemeint, die jede Person hat, von jung bis alt. Wenn du zum Beispiel den Wunsch hast, heute ein bisschen an die frische Luft oder auf einen Kaffee zu gehen, dann machst du das als fitte Person schnell mal. Ein Mensch, der eine Beeinträchtigung hat oder gewisse Sachen einfach nicht mehr schafft, der braucht dann natürlich Hilfe bei diesen Dingen.

Es gibt so eine Bedarfserhebung in Österreich. Das sind die Pflegestufen, die grob einschätzen, wie viele Stunden Pflege im Monat der Mensch braucht. Es werden dann entsprechend diese Stunden zur Verfügung gestellt, für die es dann eine Auszahlung gibt. Aber da wird nicht einberechnet, was der Mensch braucht, um glücklich zu sein. Das ist ja ein großer psychischer Faktor, denke ich. Dass man fit bleibt im Kopf, dass man Freunde treffen und ausgehen kann.

Wir leben in einer Gesellschaft, wo wir eigentlich einen hohen Wohlstand haben. Da möchte man das Leben so weiterleben, wie man es vorher gelebt hat und nicht ab einem gewissen Punkt, wo man pflegebedürftig und auf andere Menschen angewiesen ist, totale Abstriche machen müssen. Das Alter hat immer mit Verlust zu tun, das ist ja okay. Man hat Einschränkungen, aber man kann zumindest den Menschen ganzheitlich sehen. Nicht nur die grundlegendsten Sachen, die er braucht, dass er heute überlebt.

Kontrast: Was würden sich die Bewohner:innen wünschen?

Thomas P.: Ich bin mir sicher, wenn ich jetzt durch das Heim gehe und die einzelnen Bewohner:innen frage: “Was würdest du gerne machen?” – Dann sind die meisten Sachen gar nicht aufwendig. Dann kommt vielleicht: „Ich will mal wieder heimfahren zu meinem Bauernhof, weil den habe ich aufgebaut, dort war ich mein ganzes Leben lang und habe gearbeitet und jetzt schaffe ich es nicht mehr alleine dorthin“. Dann wird eine schöne Geschichte erzählt und du hörst es dir an und es interessiert dich, aber du kannst den Wunsch nicht erfüllen. Du kannst nicht einfach sagen, passt, ich nehme dich mit, wir fahren dort zwei Stunden hin, ich unterstütze dich dabei und wir kommen dann wieder ins Heim zurück.

Das ist nicht möglich, dafür fehlt das Personal, aber das müsste ja drin sein in dieser Welt.

Es gibt nur die Unterstützung für den grundlegenden Bedarf, die Grundelemente, dass der Mensch versorgt ist und lebt. Aber es wäre super, wenn man diese Bedürfnisse und Wünsche der Menschen mit in die Bedarfserhebung hinein nimmt.

Kontrast: Das ist extrem schade, weil ich mir vorstellen kann, dass sehr viele Personen viel zu erzählen hätten und das gern auch würden, es aber dann oft auf der Strecke bleibt.

Thomas P.: Wenn du den ganzen Tag beschäftigt bist mit Positionieren, Essen und Trinken verabreichen, Körperpflege usw., dann fällt eben genau das weg, wo du dir einfach mal Zeit nimmst, hier sitzt und mit der Person eine Stunde lang über ihre Vergangenheit oder andere Sachen redest. Das ist eben genau das, was dann nur unter extrem viel Energie- und Zeitaufwand zustande kommt. Manchmal geht es sich aus – aber meistens leider nicht.

Das ist genau das fehlende Personal, das man braucht. Wenn jetzt eine Pflegeperson mehr in meinem Dienst wäre, dann wäre das schon möglich. Das wäre wirklich gut.

Knapp 275.000 Menschen werden in Österreich im Rahmen von unterschiedlichen Pflegeleistungen betreut.

Pflegeberuf und Familienleben: entweder lange Dienste oder knappes Gehalt

Kontrast: Du bist ja auch vor Kurzem Vater geworden. Wie lassen sich die Arbeitszeiten in der Pflege mit einer jungen Familie vereinbaren?

Thomas P.: Dadurch, dass ich nebenbei eine Ausbildung mache, arbeite ich jetzt nur zehn Stunden pro Woche, das muss ich dazu sagen. Aber von außen betrachtet wird es mit einer 40-Stunden-Woche schon sehr schwer.

Du arbeitest ja nicht nur 40 Stunden, sondern hin und wieder kommt dann im Monat ein fünfter Dienst am Wochenende dazu. Nach zehn Stunden kommst du heim und du hast nicht mehr viel Energie. Du bist leer.

Darum sind für mich eher 30 Stunden zukunftsweisend – obwohl es finanziell wahrscheinlich schwierig wird. Aber wenn man das langfristig betreiben will und so, wie es jetzt ist, wären 30 Stunden besser. Aber ja, da muss man schauen, wie sich das alles ausgeht, dass man genügend Geld hat und trotzdem Zeit für die Familie bleibt.

Kontrast: Kannst du dir vorstellen, bis zur Pension in der Pflege zu bleiben bzw. langfristig Stunden aufzustocken?

Thomas P.: Also wenn ich mir das so anschaue, wie es jetzt ist und weil wir ein Kind bekommen haben, glaube ich nicht, dass ich das bis zur Pension machen werde. Ich mache das gern, aber ich würde gewisse Rahmenbedingungen dann für mich selbst ändern – wenn sich die Rahmenbedingungen in einer Einrichtung nicht ändern. Andererseits habe ich das Gefühl, dass sich trotzdem was dreht und sich vielleicht was ändert.

Personalmangel in der Pflege: Zahlen & Fakten

Folgende Daten beruhen auf der „Pflegepersonalbedarfsprognose 2030“. Die Erhebung wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durchgeführt.

Wie viele Menschen nehmen Pflege in Anspruch?

Insgesamt werden 269.800 Personen österreichweit betreut, etwas mehr als die Hälfte davon von mobilen Diensten, also zuhause.

Wie viele Pflegekräfte gibt es?

Von insgesamt 139.100 Pflegekräften arbeiten 69.400 in Krankenhäusern, 48.000 in stationären Einrichtungen und 21.700 in der mobilen Pflege.

Wie viele Pflegekräfte fehlen? 

Bis 2030 fehlen ca. 51.000 Pflegekräfte, bis 2040 rund 119.900 und bis 2050 dann 196.400. Das ist laut Studie, das absolute Minimum. Nur so kann das aktuelle Angebot aufrecht erhalten werden. D.h. das Pflegesystem mit all seinen Mängeln. Für den notwendigen Ausbau werden weitaus mehr Pfleger:innen benötigt.

Es braucht Maßnahmen gegen den Personalmangel in der Pflege, bessere Bezahlung und die Einstufung als Schwerarbeit

Kontrast: Eine ernsthaft gemeinte Pflegereform würde schon in der Ausbildung viele Dinge zum Positiven verändern. Etwa dass Pflegekräfte, genauso wie Polizeischüler:innen, 2.300 Euro brutto monatlich bekommen. Wie siehst du das?

Thomas P.: Als ich die Ausbildung begonnen habe, habe ich mir irrsinnig schwer getan, das Fachkräftestipendium zu bekommen. Ich habe eigentlich die Grundlagen dazu gehabt. Aber es war ein extremer organisatorischer Aufwand.

Jetzt ist es anscheinend ein bisschen besser und man bekommt 1.400 Euro im Monat. Aber ich könnte mir damit mein Leben fast nicht mehr leisten. Das ist schon ein Wahnsinn.

Kontrast: Siehst du die Pflege als Schwerarbeit? Wenn man jetzt mehrmals am Tag Personen, die rund 80 Kilo haben, in die Badewanne und wieder hinaus hebt, dann ist das ja eine enorme körperliche Belastung.

Thomas P.: Pflege ist definitiv körperlich anstrengend und ich würde es auch als Schwerarbeit bezeichnen. Auch wenn es viele Geräte gibt, die helfen, Menschen zu heben, gibt es genug Situationen, wo diese nicht mehr benutzt werden können. Ich kann da natürlich nur für mich sprechen, aber das ist etwas, was ich in meiner Arbeit beobachtet habe.

Es ist nicht nur das Heben, das anstrengend ist – Pflegekräfte bewegen sich viel im Laufe des Tages und müssen geistig stets aufmerksam sein, um richtig auf verschiedene Situationen reagieren zu können. Das führt dazu, dass man am Ende des Tages an die Grenzen seiner Energie gelangt.

Pflege als Schwerarbeit anerkannt: Frühere Pension für Pflegekräfte

Schon länger werden Forderungen von Gewerkschaften, Pflegepersonal und Betroffenen laut, Pflege als Schwerarbeit einzustufen. Das wird jetzt von der Regierung umgesetzt: Pflegekräfte werden in die Schwerarbeitsverordnung aufgenommen und dürfen früher in Pension gehen – und das mit weniger Abschlägen. Die neue Regelung soll ab 1. Jänner 2026 in Kraft treten.

Kontrast: Welche Veränderungen würden deinen Pflegealltag erleichtern?

Thomas P.: Wahrscheinlich zunächst mal viel kleinere Einrichtungen. Wobei ich auch dazu sagen muss, dass die Einrichtung, wo ich jetzt arbeite, grundsätzlich gut beschaffen ist. Wie gesagt – ein Drittel mehr Personal würde ich mir wünschen. Ein Dienstauto wäre auch gut, mit dem man beeinträchtigte Personen transportieren kann. Wenn mehr Budget da wäre für solche Sachen, wäre schon sehr viel erreicht.

Ein schöner Moment in der Pflege: demenzkranke Menschen singen, tanzen und erzählen

Kontrast: Zum Schluss würde ich gern noch einen positiven Ausblick geben – gibt es einen Moment, den du in der Pflege erlebt hast, der besonders schön war und den du teilen möchtest?

Thomas P.: Ja, ich habe gerade mein Abschlussprojekt gemacht bei den Bewohnern mit Schwerpunkt Demenz. Ich habe gemeinsam mit ihnen gesungen und sie mit der Gitarre begleitet. Ich war irrsinnig nervös, aber ich bin reingegangen, habe angefangen zu spielen. Sie haben mir dann einfach meine komplette Nervosität genommen, weil sie so herzlich reagiert haben. Sie sind total aus sich herausgekommen und haben zum Tanzen angefangen und gelacht.

Zwischen den Liedern haben sie über ihre Erinnerungen von früher geredet. Das sind dann die Momente, wo man einfach heimkommt und sagt: Heute war so ein schöner Moment und jetzt weiß ich, warum ich das mache. Genau das sind diese Momente – wenn sie dir was erzählen und dabei ein Lächeln auf dem Gesicht haben.

Dieser Artikel wurde am 13. März 2024 veröffentlicht und am 15. Dezember 2025 aktualisiert. 

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Als Moderator der ORF-Sendung „Klingendes Österreich“ war Sepp Forcher österreichweit bekannt und beliebt. Zwischen 1986 und 2020 hat er genau 200 Sendungen moderiert. Er wurde mit zahlreichen Preisen für seine langjährige Moderationstätigkeit ausgezeichnet - unter anderem im Jahr 1993 mit der Goldenen Romy als beliebtester Nachrichtenmoderator. Zitat: Ich glaube, dass die Paarung von Reichtum und Macht nie zu einem vernünftigen Ende kommen kann. Sepp Forcher
Als Moderator der ORF-Sendung „Klingendes Österreich“ war Sepp Forcher österreichweit bekannt und beliebt. Zwischen 1986 und 2020 hat er genau 200 Sendungen moderiert. Er wurde mit zahlreichen Preisen für seine langjährige Moderationstätigkeit ausgezeichnet - unter anderem im Jahr 1993 mit der Goldenen Romy als beliebtester Nachrichtenmoderator. Zitat: Ich glaube, dass die Paarung von Reichtum und Macht nie zu einem vernünftigen Ende kommen kann. Sepp Forcher

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