„Vergessen Sie Ihre Karriere. Heute zählt nur eine Erbschaft“ – damit wird das internationale Wirtschaftsmagazin The Economist deutlich. Immer mehr Menschen werden durch das Erbe oder eine Heirat reich – das wirkt sich schlecht auf die Wirtschaft aus. Auch aktuelle Zahlen aus Österreich zeigen: Die reichsten 5 Prozent der Bevölkerung besitzen rund 53 Prozent des Gesamtvermögens. Genau dieses Vermögen bleibt aber auch in den Händen der Reichsten. Es wird nach ihrem Ableben an Angehörige vererbt – und das steuerfrei und leistungslos. Um der Entwicklung entgegenzuwirken, fordert The Economist eine Erbschaftssteuer.
Das wirtschaftsliberale Magazin The Economist schlägt Alarm: Die Bedeutung des vererbten Vermögens gewinnt international immer mehr an Bedeutung – das führt zu Problemen. Eine Entwicklung, die sich besonders schlecht auf die Wirtschaft auswirken kann. Daher spricht sich The Economist klar für eine Erbschaftssteuer aus:
“Diese Zeitung argumentiert schon seit langem, dass Erbschaftssteuern das fairste Mittel sind, um mit der ‚Herrschaft der Erben‘ umzugehen.”
Bedeutung des Erbes steigt weltweit
Prinzipiell gibt es zu Erbschaften nur wenig Daten. Denn statistische Ämter veröffentlichen weltweit fast keine Daten dazu, das gilt auch für Österreich. The Economist hat deshalb für einige Länder wissenschaftliche Schätzungen zum jährlichen „Erbschaftsfluss“ zusammengefasst. Das entspricht dem Wert, der Erben in Form von Bargeld, Immobilien, Kunst, usw. hinterlassen wird. Das Ergebnis: Die Bedeutung des vererbten Vermögens weltweit steigt – das führt laut dem Wirtschaftsmagazin zu Problemen.
Ein Blick in die Vergangenheit: Im Jahr 1900 trugen Erbschaften in einigen Ländern zu über 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bei. Grund dafür: Große Vermögen wie Aktien und Immobilien wurden vererbt. Während der Wert von diesen Erbschaften im 20. Jahrhundert aber sank, stieg er in den letzten Jahren wieder deutlich an. Ende der 2010er Jahre machten Erbschaften schließlich durchschnittlich wieder 10 Prozent des BIP aus. Allein in diesem Jahr werden die Menschen in den Industrieländern rund 6 Billionen US-Dollar erben.

Dadurch steigt in vielen Ländern auch der Anteil des Vermögens, der aus Erbschaften stammt. Die Schweizer Bank UBS nimmt an, dass im Jahr 2023 53 Menschen durch Erbschaften zu Milliardären wurden. Zum Vergleich: Ohne Erben erreichten das etwa 84 Menschen. Gemessen an der nationalen Produktion haben sich die jährlichen Erbschaften in Frankreich seit den 60er Jahren verdoppelt. In Deutschland haben sie sich seit den 70ern sogar fast verdreifacht.
Erbschaften schwächen die wirtschaftliche Innovationskraft
The Economist sieht diesbezüglich einige Herausforderungen. Denn die wachsende Bedeutung von Erbschaften könnte die wirtschaftliche Dynamik beeinflussen, da es zunehmend attraktiver wird, durch Erbschaften oder Heiraten reich zu werden, anstatt durch Arbeit oder Unternehmertum. Schon heute verdienen die reichsten Erben in Frankreich mehr als die reichsten Arbeitnehmer. Langfristig könnte das die Innovationskraft schwächen. Gleichzeitig vergrößert der Erbschaftsboom die soziale Ungleichheit, da wohlhabendere Familien deutlich mehr Vermögen weitergeben als weniger wohlhabende. Um dem entgegenzuwirken, setzt sich The Economist für eine Erbschaftssteuer ein.
Besonders auf den Immobilienmarkt hat der Erbschaftsboom weitreichende Auswirkungen. Junge Menschen mit finanzieller Unterstützung durch ihre Eltern haben wesentlich bessere Chancen, Eigentum zu erwerben, während jene ohne familiäre Hilfe kaum mithalten können. Ob sich ein junger Mensch also ein Haus leisten kann, hängt fast ebenso stark vom ererbten Vermögen ab wie von seinem eigenen beruflichen Erfolg.
„Diese Verschiebung hat alarmierende wirtschaftliche und soziale Folgen, denn sie gefährdet nicht nur das meritokratische Ideal, sondern den Kapitalismus selbst”, meint The Economist.
Auch andere Daten zeigen die wachsende Bedeutung von Erbschaften. In Großbritannien wird erwartet, dass jeder sechste in den 1960er Jahren Geborene ein Erbe erhält, das dem durchschnittlichen 10-Jahreseinkommen dieser Generation entspricht. Bei den in den 1980er Jahren Geborenen dürfte bereits jeder Dritte von einer solch hohen Erbschaft profitieren.

Die „Herrschaft der Erben“: Wie vererbter Reichtum die Ungleichheit verstärkt
The Economist spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „Herrschaft der Erben“ (Inheritocracy) – also ein politisches System, in dem Macht gemeinsam mit großen Besitztümern und Geldsummen vererbt wird.
Der Aufstieg der „Herrschaft der Erben“ hängt laut The Economist mit drei Faktoren zusammen: zunehmender Wohlstand, veränderte Demografie und langsameres Wirtschaftswachstum. Besonders im Hinblick auf die Demografie wird das Ungleichgewicht deutlich: Die über 65-jährigen Deutschen, die ein Fünftel der Bevölkerung ausmachen, besitzen ein Drittel des Vermögens des gesamten Landes. Besonders diese Generation, die sogenannten Babyboomer, konnten Vermögen aufbauen, da sie in einer Phase der stark steigenden Immobilienpreise und Aktienmärkte volljährig wurden. Mehr Reichtum bedeutet mehr Erbe. Mit dem demografischen Wandel beginnt die Generation der Babyboomer nun, große Vermögenswerte an ihre Erben zu übergeben. Da Reichtum weitaus ungleicher verteilt ist als Einkommen, entsteht somit eine zunehmendes Ungleichgewicht.
Wenn es ums Erbe geht, spielt auch die durchschnittliche Familiengröße, die in den letzten Jahren gesunken ist, eine wesentliche Rolle. Das Erbe wird daher auf weniger Personen aufgeteilt. Anhand britischer Daten schätzt The Economist, dass die sinkenden Geburtenraten in den letzten Jahrzehnten dazu geführt haben, dass sich der Betrag, der einem durchschnittlichen Erben zusteht, um etwa 75.000 US-Dollar oder 24 Prozent erhöht hat.
Doch auch ein langsameres Wirtschaftswachstum spiele eine relevante Rolle. Eine Studie von Thomas Piketty und Gabriel Zucman aus dem Jahr 2014 zeigt, dass langsam wachsende Länder im Verhältnis zum Volkseinkommen mehr Vermögen anhäufen als dynamische Volkswirtschaften. Der Grund: Die Menschen sparen in einem gleichbleibenden Tempo, doch das BIP steigt langsamer – ein Effekt, der besonders in Ländern wie Deutschland und Italien sichtbar ist.
Von 21 auf 41 Milliarden Euro: Erbvolumen verdoppelt sich bis 2050 nahezu
Eine Studie von 2024 zeigt auch in Österreich die ungleiche Verteilung der Erbschaften. Die durchschnittliche Erbschaft liegt bei rund 20.000 Euro im Jahr 2025 und steigt bis 2050 auf etwa 33.000 Euro an. Im Vergleich dazu: Das durchschnittliche Erbe des reichsten 1 Prozent liegt 2025 bei etwa 3,4 Millionen Euro und steigt bis 2050 auf 4,2 Millionen Euro. Diese enorme Kluft verdeutlicht die Ungleichheit zwischen den Erbschaften der breiten Bevölkerung und der vermögenden Elite. Außerdem wird geschätzt, dass sich das jährliche Erbvolumen – also die Summe aller Erbschaften – zwischen 2025 und 2050 von rund 21 auf 41 Milliarden Euro nahezu verdoppeln wird. Somit wird immer mehr Geld von Generation zu Generation weitergegeben – und das unversteuert und ohne Erbringung einer Leistung des Erben.

Laut The Economist erhöht sinkende Erbschaftssteuer Erbanteile
Sinkende Erbschaftssteuern sind auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich Erbanteile erhöhen. Anfang des 20. Jahrhunderts machten die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer in den USA und Großbritannien einen enormen Anteil der gesamten Steuereinnahmen aus. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wandte sich die Politik aber immer mehr von der Steuer ab.
Global gesehen hat die Erbschaftssteuer heute eine geringere Bedeutung. In den meisten Ländern liegt sie unter einem Prozent der Staatseinnahmen. Dennoch hält man in den meisten westeuropäischen Staaten an diesem Modell fest. Österreich ist die Ausnahme, denn seit 2008 gibt es eine solche Steuer hierzulande nicht mehr. Aber auch Länder wie Australien, Kanada, Indien und Russland haben sie vollständig abgeschafft.
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