Wahlleute, Swing-States und der erste Dienstag im November – die Präsidentschaftswahlen in den USA haben so einige Eigenheiten. Diese werden mit darüber entscheiden, ob mit Kamala Harris erstmals eine Frau im Oval Office Platz nimmt, oder Donald Trump sein Comeback feiert. Hier ein Überblick, wie die Wahlen in den USA ablaufen:
Warum findet die Wahl im November statt?
Viele Eigenheiten des US-amerikanischen Wahlsystems stammen oft noch aus dem 19. Jahrhundert und wirken heute veraltet. Ein Beispiel dafür ist der Wahltermin: Dieser ist nämlich immer für den ersten Dienstag nach dem ersten Montag im November angesetzt. Das heißt, dass der Wahltag auf den 2. bis 8. November fallen kann. Klingt kompliziert, ist es auch:
Diese Regelung stammt aus dem Jahr 1845. Damals war noch ein Großteil der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Im November war nämlich die Erntezeit vorbei und der Winter hat noch nicht wirklich begonnen. Reisen zu den Wahllokalen waren also witterungsbedingt noch leichter möglich. Der Dienstag als Wahltag kam mehr oder weniger durch ein Ausschlussverfahren zustande. Denn am Samstag wurden meistens die Wochenmärkte abgehalten. Der Sonntag schied wegen des wöchentlichen Kirchgangs aus. Auch der 01. November kam als kirchlicher Feiertag nicht infrage. Außerdem musste noch ein Tag zur Anreise und Abreise eingeplant werden – damit schied der Montag aus. Am Donnerstag wählten damals die nach dem Unabhängigkeitskrieg ungeliebten Briten. Übrig blieben also nur der Dienstag und Mittwoch. Die Wahl fiel schließlich auf den Dienstag – eine Tradition, die bis heute beibehalten wurde.
WER darf wählen?
Grundsätzlich sind in den USA alle Bürger:innen, die mindestens 18 Jahre alt sind, wahlberechtigt. Ausgenommen sind Menschen, die in Außengebieten wie Puerto Rico, Guam oder den Amerikanischen Jungferninseln leben. Die Außengebiete sind ein koloniales „Erbe“ der USA und durch Kriege oder Verträge erworben worden. Weil diese Gebiete formal keine US-Bundesstaaten sind, dürfen die Menschen dort auch nicht wählen.
Eine große Hürde für viele US-Bürger:innen ist die Registrierungspflicht. Da es in den USA keine Einwohnermeldebehörde gibt, muss man sich als Wähler:in registrieren lassen, um überhaupt wählen zu können. Diese Registrierungshürde betrifft oft ärmere Bevölkerungsschichten und ist ein Grund für die relativ geringe Wahlbeteiligung in den USA. Zum Beispiel gibt es oft strenge Ausweispflichten für die Registrierung, etwa mittels Führerschein oder anderen Ausweisdokumenten, die gerade Schwarze weniger häufig besitzen. Im Schnitt liegt die Wahlbeteiligung etwas über 50 Prozent, also deutlich unter dem europäischen Durchschnitt bei vergleichbaren Wahlen. Auch das Wahlgesetz unterscheidet sich von Bundesstaat zu Bundesstaat erheblich, was die Stimmabgabe zusätzlich kompliziert macht.
Wer kann sich zum/zur Präsident:in wählen lassen?
Seit einer Gesetzesänderung von 1951 kann ein Präsident oder eine Präsidentin zweimal für vier Jahre gewählt werden. Entweder direkt nacheinander oder mit einer Pause dazwischen. Vorher waren auch mehr Amtszeiten möglich. Franklin D. Roosevelt war von 1933 bis 1945 US-Präsident und damit der einzige mit mehr als zwei Amtszeiten. Wer sich zum US-Präsident oder Präsidentin wählen lassen darf, ist dann noch etwas komplizierter. Die Person muss mindestens 35 Jahre alt und in den USA geboren –also Staatsbürger:in – sein. Außerdem muss sie seit 14 Jahren ohne Unterbrechung in den USA leben.
Wer für das Weiße Haus und die Präsidentschaft kandidieren will, muss sich zuerst parteiinternen Vorwahlen – den Primaries – stellen und gegen eine Reihe anderer Kandidat:innen antreten, um überhaupt erst von seiner Partei für die Präsidentschaftswahl nominiert zu werden. Die Primaries dürfen in manchen Bundesstaaten alle Wahlberechtigten wählen, in anderen nur registrierte Parteimitglieder. In manchen Staaten wird auch bei Versammlungen von Parteimitgliedern offen darüber abgestimmt, wer um die Präsidentschaft ins Rennen geht. Auch bei diesen Vorwahlen werden die Bewerber:innen nicht direkt gewählt, sondern bekommen Delegierte zugeteilt, die an das Wahlergebnis gebunden – mit Ausnahme der Superdelegierten – und dann am Parteitag ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten nominieren. Am Parteitag wird dann auch der sogenannte Running Mate, also der Kandidat für die Vizepräsidentschaft bestimmt. Er oder sie ist Stellvertreter des Präsidenten und übernimmt dessen Aufgaben, falls dieser ausfällt. Außerdem leitet der Vizepräsident den Senat und hat die entscheidende Stimme, wenn es dort zu einem Unentschieden kommt.
Für die kommende Wahl gab es bei den Demokraten keine parteiinternen Vorwahlen. Weil der amtierende Präsident Joe Biden seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit kurzfristig zurückgezogen hat und sich anschließend viele einflussreiche Demokraten für Vizepräsidentin Kamala Harris als Kandidatin ausgesprochenen haben, wurde diese direkt am Parteitag nominiert.
Wer sind die Wahlleute und warum sind sie wichtig?
In den USA werden die Präsidentschaftskandidat:innen nicht direkt gewählt, sondern vom sogenannten Electoral College – dem Wahlleutekollegium. Jeder der 50 US-Bundesstaaten hat je nach Größe der Bevölkerung mehr oder weniger Wahlleute zu vergeben. So hat Kalifornien mit den meisten Einwohnern auch 54 Wahlleute zu vergeben, Wyoming als bevölkerungsschwächster Bundesstaat nur drei. Trotzdem ist eine Stimme in einem bevölkerungsschwachen Bundesstaat mehr wert. In Wyoming repräsentiert nämlich eine Wahlperson rund 195.000 Einwohner:innen, während in Kalifornien eine Wahlperson für rund 720.000 Einwohner:innen steht. Insgesamt braucht man 270 der 538 Wahlleute, um Präsident:in zu werden.
Auch das Electoral College ist ein Überbleibsel aus der Entstehungszeit der Verfassung und ist durchaus problematisch. Es kann nämlich passieren, dass ein Kandidat landesweit die meisten Stimmen, aber nicht die meisten Wahlleute bekommt. Denn im US-amerikanischen Wahlsystem gilt in fast allen Bundesstaaten: the winner takes it all. Also egal, ob ein Bundesstaat mit 1 oder 1 Million Stimmen mehr gewonnen wird, in fast allen Bundesstaaten bekommt der Gewinner auch alle Wahlleute. Die einzigen Ausnahmen sind Maine und Nebraska. Hier werden die Wahlleute nach dem Stimmenverhältnis aufgeteilt.
Im Jahr 2000 erhielt zum Beispiel der demokratische Kandidat Al Gore eine halbe Million mehr Stimmen als der Republikaner George W. Bush, dieser konnte aber aufgrund des Wahlsystems mehr Wahlleute gewinnen. Zwischen Hillary Clinton und Donald Trump war der Abstand sogar noch größer. Clinton erhielt fast 3 Millionen Stimmen mehr als Trump, trotzdem konnte Trump mehr Wahlleute in den entscheidenden Swing States gewinnen und wurde Präsident.
Wer die meisten Swing States gewinnt, gewinnt auch die Wahl
Im Grunde sind die USA sehr klar in blaue oder rote, also demokratisch oder republikanisch geprägt Bundesstaaten aufgeteilt. Während die Bundesstaaten der städtisch geprägten Ost- und Westküste traditionell eher demokratisch wählen, gewinnen im ländlichen Zentrum und im Süden der USA meistens republikanische Kandidat:innen.
Deshalb ist es, um Präsident:in zu werden, wichtig, möglichst viele der sogenannten Swing States zu gewinnen. Das sind Bundesstaaten, die viele Wahlleute zu vergeben haben und je nachdem einmal demokratisch oder republikanisch wählen. Aktuell gehören dazu Staaten wie Arizona, Pennsylvania oder Georgia. 2016 war in diesen Swing States Donald Trump erfolgreich, 2020 konnte dort Joe Biden gewinnen.
Besonders umkämpft sind auch die Bundesstaaten im „mittleren Westen“ wie Michigan oder Ohio. Diese Staaten gehören zum sogenannten „Rust Belt“, einer ehemals riesigen Industrieregion in den USA, die früher eher demokratisch geprägt war. Seit dem Niedergang der Stahlindustrie in den frühen 1980er-Jahren und der damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Probleme wählen vor allem weiße Arbeiter:innen dieser Region zunehmend republikanisch. Gerade Trumps Versprechen, die Industrie-Produktion wieder “nach Amerika zurückzuholen” überzeugte viele Wähler:innen in diesen Regionen der USA. Bei der Wahl 2020 konnte Joe Biden zumindest in Michigan wieder gewinnen.
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Das Ergebnis der Wahl könnte am Dienstag allerdings noch nicht feststehen. Da vor allem in den Swing States ein knappes Rennen erwartet wird und Donald Trump immer wieder die Rechtmäßigkeit von Wahlen hinterfragt hat, dürfte es auch diesmal länger dauern, bis es ein Endergebnis gibt.
Steht die Siegerin oder der Sieger schließlich fest, kommen die Wahlleute in der Hauptstadt ihres jeweiligen Bundesstaats zusammen und geben dann dort ihre Stimme ab – dieses Mal ist das am 17. Dezember. Der Amtsantritt der neu gewählten US-Präsidentin oder des neu gewählten US-Präsidenten und Vizepräsidenten findet dann am 20. Jänner auf den Stufen des Kapitols mit dem Amtseid statt.
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