In Städten wie London, Paris und München können sich Beschäftigte und Familien das Wohnen nicht mehr leisten. Viele Wohnungen und Häuser stehen leer, gleichzeitig steigen die Preise. Grund dafür ist, dass Wohnraum zur Wertanlage der Reichen geworden ist. Die Spekulation am Wohnungsmarkt lässt Europas Mieten so explodieren. Wir zeigen, wie Städte und Länder dagegen vorgehen können.
Wer in Wien, Salzburg oder Bregenz eine Mietwohnung sucht, kennt das Problem: Es ist eng am Wohnungsmarkt. Früher meinte leistbares Wohnen, wenn man 25 Prozent des Einkommens für Wohnen ausgegeben hat. Mittlerweile wurde der Messwert auf 30 bis 40 Prozent angehoben.
Die Quadratmeterpreise einer Mietwohnung in Salzburg, Graz und Wien haben sich in 10 Jahren um etwa ein Drittel erhöht.
Während im österreichischen Schnitt im Vorjahr die Preise sogar minimal sanken, ziehen sie vor allem in den Städten massiv an. Es ist eine weltweite Entwicklung.
Spekulation bringt Preisexplosion
Die Mieten steigen viel schneller als die Inflation. Dass es sich dabei nicht um eine natürliche Entwicklung handelt, zeigt ein Blick auf die Betriebskosten, die nur moderat zur Inflation steigen. Das ist einerseits der erhöhten Nachfrage in Städten und dem Umland geschuldet. Aber dass es in den letzten Jahren zu einer regelrechten Kostenexplosion kam, liegt vor allem daran, dass Wohnraum zum Spekulations- und Investitionsobjekt wurde. Weil es auf der Bank kaum noch Zinsen für Geldeinlagen gibt, suchen Anleger neue Investitionsmöglichkeiten mit hohen Renditen. Sie kaufen Immobilien als Anlagen, vermieten diese aber kaum.
Vor allem sind es aber Fonds und ausländische Investoren auf der Jagd nach Rendite, die den Wohnungsmarkt unter Druck setzt. Und die hoffen auf weitere Preissteigerungen.
In München, wo die Preise sich in wenigen Jahren vervierfachten, ist die Situation so weit, dass Neubau-Projekte nicht fertig gestellt werden. Genehmigte Projekte bleiben Jahre liegen, weil die Investoren auf noch weiter steigende Preise setzen. Diskutiert wird daher eine Baupflicht und eine Bodenwert-Zuwachssteuer für private Investoren.
Alte Mieter raus. Große, teure Wohnungen rein
Immer mehr Menschen ziehen in die Städte und deren Umland. Denn dort sind die Arbeitsbedingungen besser und es gibt mehr Kinderbetreuung und Gesundheitseinrichtungen. Doch anstatt den Bedarf an günstigen Wohnungen zu decken, treiben Bauunternehmer und Vermieter die Preise durch Zusammenlegungen und Renovierungen in die Höhe. Dafür werden alteingesessene Mieter gerne mal hinausgedrängelt.
So passierte es bei einem medienwirksamen Fall in Wien: 2011 kaufte eine Immobilienfirma ein Haus im zweiten Bezirk. Die Firma ließ das Haus zunehmend verfallen. 17 der ursprünglich 20 Parteien zogen aus – nachdem sie sich beschwerten. Sie warfen dem neuen Eigentümer Mobbing vor. Um die übrigen drei Mieter loszuwerden, siedelte die Immo-Firma bewusst Mieter an, die für die alteingesessenen Bewohner ein unangenehmes Klima verbreiten sollten. Ende 2011 luden sie eine Gruppe Punks ins Haus – zu besten Konditionen: Sie zahlten eine symbolische Monatsmiete über einen Euro. Der Plan ging nach hinten los: Die Punks, die man sich ins Haus geholt hatte, solidarisierten sich mit den Mietern und zogen nach Ablauf des Vertrags nicht aus. Sie besetzten das Wohnhaus – die alten Mieter blieben samt neuen Nachbarn. Das Haus wurde schließlich polizeilich geräumt.
Sind die ursprünglichen Mieter mit altem, niedrigen Mietzins erstmal durch Schikane aus dem Haus getrieben, starten kostspielige Renovierungen. Ergebnis sind dann vor allem große, teure Wohnungen mit Mietpreisen ab 1.000 Euro netto.
“Auch in Dachgeschoßen, die derzeit gerne ausgebaut werden, müssten kleine Wohnungen geschaffen werden. Große Wohnungen, die in der Vergangenheit durch Zusammenlegungen entstanden sind, müssen wieder geteilt werden”, fordert sogar WKO-Immobilien-Experte Michael Pisecky.
Leerstand als Investment
Ein weiteres Problem, das mit der Spekulation einhergeht und Mieten in Ballungszentren nach oben treibt, ist der Leerstand. Um einen möglichst hohen Preis zu erzielen, werden Wohnungen vom Markt zurückgehalten. Zahlen zu den Leerständen gibt es derweil keine. In Wien wird Anzahl der leerstehenden Wohnungen zwischen 30.000 und 100.000 geschätzt. Die Stadt Wien schätzte 2015 25.000 Wohnungen, die maximal zweieinhalb Jahre keine Wohnsitzmeldung aufwiesen, und 10.000 Wohnungen, die länger als zweieinhalb Jahre leer standen.
Die Leerstandsquote zu ermitteln, ist schwierig. Der Neuköllner Bezirksstadtrat Jochen Biedermann beschäftigt sich mit dieser Frage. In Berlin ist der Wohnraum knapp, währenddessen verfallen dutzende Wohnhäuser.
“Es ist sehr kompliziert, diesen Fällen nachzugehen. Es ist ein langwieriges Verwaltungshandeln, wo dann erstmal rausgefunden wird: Um welche Wohnung geht es genau, wem gehört die Wohnung? Dann wird der Eigentümer angeschrieben, kann sich dazu äußern. Dann bringt der im Zweifelsfall irgendwelche Argumente, wieso gerade nicht, dann muss man die werten und prüfen, das zieht sich schon eine Weile”, so Biedermann.
Spekulanten gut geschützt
Initiativen wie der Leerstandsmelder, wo Nutzer Leerstände melden sollen, versuchen, Abhilfe zu schaffen. Ein Grund für die Schwierigkeit bei der Nachverfolgung von spekulativem Leerstand ist, dass es sich bei den neuen Besitzern oft um ausländische Fonds-Gesellschaften handelt. Deren Handeln lässt sich kaum nachverfolgen, Heere an Anwälten halten ihnen den Rücken frei. Das Ausmaß an der Spekulation mit dem Wohnraum lässt sich anhand der Verkaufszahlen abschätzen: 2017 flossen 59,4 Milliarden Euro beim Kauf von deutschen Immobilien – 2010 waren es noch 20,5 Milliarden. 30,2 Milliarden Euro, also die Hälfte dieser Summe, kam von Käufern aus dem Ausland.
Für Parteien wie die Neos in Österreich sind offenbar die Mieter und Mieterinnen am Leerstand schuld – Parteichefin Meinl-Reisinger stellt Mieterinnen und Mieter gar unter Generalverdacht, Mieten nicht zu bezahlen. Deswegen hätten Wohnungsbesitzer Angst, ihre Immobilien zu vermieten.
Problem mit vielen Ursachen
Leerstand hat viele Gesichter. Im Bregenzerwald zum Beispiel stehen alte Bauernhäuser leer. Kinder, die längst in Ballungszentren leben, erben die Häuser ihrer Eltern oder Großeltern. Eine Renovierung ist unleistbar, ein Verkauf aus sozialem Druck aus der Familie oft nicht möglich. So verfallen die Häuser, während die Preise im nahe gelegenen Leiblachthal weiter steigen.
Die Wohnungslage am sozialen Wohnungsmarkt ist auch knapp, weil viele Eltern die Wohnungen für ihre Kinder aufbewahren, statt sie der städtischen Verwaltung zur Neuvergabe zurückzugeben und dann neu zu beantragen, wenn ihre Kinder eine Wohnung brauchen.
Viele fordern eine Leerstandsabgabe. Sie Stadt Wien hatte eine solche in den achtziger Jahren, bis sie 1985 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde. 2016 prüfte die Stadt Wien eine erneute Einführung.
Berlin: Bestraft wird, wer Wohnraum nicht zum Wohnen verwendet
Das Berliner Zweckentfremdungsverbotsgesetz soll dafür sorgen, dass Wohnungen für das verwendet werden, was ihr Zweck ist: wohnen. Es besagt unter anderem, dass Wohnungen nicht kurzzeitig, also als Ferienwohnung, vermietetet werden dürfen. Und dass Leerstände ab vier Monte gemeldet und von der Behörde genehmigt werden müssen. So soll Wohnraum vor gewerblicher Nutzung und Leerstand geschützt werden. Das Gesetz zeigt Wirkung: Seit Inkrafttreten 2014 sind 9300 Wohnungen, die nicht als permanenter Wohnraum genutzt wurden, dank der Regelung wieder am regulären Mietmarkt. Es bleibt aber noch Luft nach oben. Die Bußgelder bei Zweckentfremdung sind zu niedrig, um den internationalen Investment-Mogulen etwas anzuhaben. Man ist weiterhin auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen – denn die Besitzer zeigen sich wenig kooperativ, wenn es um ihre Geschäfte geht.
Barcelona: Airbnb und Co. als Preistreiber einbremsen
Auch in Europa ergreift die Politik vermehrt Maßnahmen gegen das Mietpreise-Eldorado. In Städten wie Barcelona, Paris und Berlin steigen die Preise zusätzlich, weil Wohnungen zunehmend privat als Ferienwohnungen vermietet werden. In Barcelona wurden Mieten in den vergangenen drei Jahren um 33 Prozent teurer. Deswegen hat Ada Colau, die linke Bürgermeistern, der illegalen gewerblichen Vermietung von Wohnraum via Airbnb und Co. den Kampf angesagt.
In Barcelona kommen auf jeden Einwohner pro Jahr fast fünf Touristen. 18 Prozent von ihnen buchen ihre Unterkunft über Airbnb. Dabei sind es längst nicht mehr Privatpersonen, die ihre eigene Wohnung vermieten, wenn sie selbst mal verreist sind:
60 Prozent der auf Airbnb-Wohnungen wurden von Nutzern angeboten, die mehr als eine Wohnung über die Plattform vermieten.
Online-Portale sind nun verpflichtet, kurzzeitig vermietete Wohnungen behördlich zu registrieren. Portale, die nicht-registrierte Wohnungen anbieten, müssen Strafen bezahlen. Allein 2016 hat die Stadt über Airbnb eine Strafe über 600.000 Euro verhängt. Die Anzahl der angebotenen Wohnungen pro User hat Airbnb nun selbst beschränkt. 5.000 Angebote gingen offline, weitere 1.000 illegal vermietete Wohnungen fand die Behörde.
Wien: Sozialer Wohnbau als Preisbremse
Fast die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher lebt im Eigenheim. Von den Mietern wohnt mehr als die Hälfte in sozial geförderten Wohnungen oder Häusern. Geht es nach der Stadt Wien, sollen das noch mehr werden. Um leistbares Wohnen für möglichst viele Menschen zu ermöglichen, müssen in Zukunft Zweidrittel der neu als Bauland gewidmeten Flächen geförderter Wohnbau ausmachen. In den letzten Jahren ging der Anteil vom geförderten Neubau von Zweidrittel auf ein Drittel zurück. Dank der Novelle soll künftig wieder mindestens die Hälfte der neu errichteten Wohnungen gefördert und damit leistbar sein.
Die Mieten im kommunalen und geförderten Wohnbau sind mit Obergrenzen geregelt, es gibt keine Befristungen, auch keine Maklerprovisionen, Kautionen oder Zuschläge, wie sie im privaten Bereich üblich sind. Doch gefördertes Wohnen bedeutet nicht nur für Gemeindebau-Mieter niedrigere Preise. Ein großes Angebot an leistbarem Wohnraum zeigt auch am privaten Wohnungsmarkt Wirkung.
Wien fällt mit durchschnittlich 9,60 Euro pro gemietetem Quadratmeter im europäischen Vergleich geradezu günstig aus.
15,50 Euro bezahlt man in Madrid für einen Quadratmeter, 13,40 Euro in Rom. Spitzenreiter sind London und Paris. Hier verlangen Vermieter 26 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche.
Neuseeland: Spekulation gestoppt
In Neuseeland spekulieren schon seit Jahren Reiche aus der ganzen Welt mit Immobilien. Die Folgen: Die Preise wurden in die Höhe getrieben. Die Mietpreise sind national um 60 Prozent gestiegen. Nur ein Viertel der Erwachsenen sind Eigentümer von Haus oder Wohnung. Zum Vergleich: Anfang der 1990er-Jahre waren es die Hälfte. In der größten Stadt Neuseelands, Auckland, haben sich innerhalb von 10 Jahren die Preise fast verdoppelt.
Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern ging dagegen vor. Ein neues Gesetz gibt Einheimischen Vorrang beim Erwerb von Wohnimmobilien. Ausländische Investoren können nur noch in Ausnahmesituationen Wohnimmobilien kaufen. Personen mit einem Daueraufenthaltsvisum dürfen aber weiter Immobilien erwerben.
Dänemark: Leerstände verhindern
Dänemark ist das einzige EU-Land, das eine ähnliche Regelung wie Norwegen vorweisen kann. Das Land im Norden hat sich beim EU-Beitritt zusichern lassen, dass es keinen freien Finanzverkehr bei Immobilien gibt. Die Angst, Deutsche könnten Ferienhäuser kaufen und diese dann leerstehen lassen, war zu groß. Berlin, wo der Spekulations-Leerstand die Preise in die Höhe schnellen lässt, überlegt nun ähnliche Regelungen.