Trotz eines offiziellen Verbots durch die Regierung von Viktor Orbán fand am 28. Juni 2025 in Budapest eine der größten LGBTQ+-Demonstrationen Europas statt. Rund 200.000 Menschen zogen gemeinsam durch die ungarische Hauptstadt, um gegen die Repression der Regierung Orbán und für Demokratie, Gleichstellung von queeren Menschen und Versammlungsfreiheit zu demonstrieren. Es war die erste Budapest Pride, die explizit verboten worden war – und gleichzeitig die größte ihrer Geschichte.
Die Pride, eine Demonstration, die sich für die Rechte und die Gleichstellung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter* und queeren Menschen (LGBTQI+) einsetzt, wurde in diesem Jahr in Budapest von der Regierung rund um Viktor Orbán verboten. Das Verbot stützt sich auf eine im März 2025 beschlossene Verfassungsänderung, die das „Recht von Kindern auf moralische und spirituelle Entwicklung“ über andere Grundrechte stellt – eine direkte Einschränkung der Versammlungsfreiheit bei LGBTQ+-Themen. Zusätzlich wurden Geldstrafen bis 200.000 Forint (rund 500 €), Gesichtserkennung zur nachträglichen Identifikation und sogar Haftstrafen für Organisator:innen gesetzlich verankert.
Premier Viktor Orbán rechtfertigt diese Maßnahmen mit dem angeblichen Schutz von Kindern und traditionellen Werten. Kritiker – darunter zahlreiche EU-Institutionen und Menschenrechtsorganisationen – sprechen hingegen von gezielter Diskriminierung und einer autoritären Eskalation gegen Minderheitenrechte.

Budapester Stadtregierung trotzt Orbán
Trotz des Verbots entschied sich die Stadtregierung unter Bürgermeister Gergely Karácsony (Grüne) für eine rechtlich kreative Lösung: Die Veranstaltung wurde als kommunal organisierte „Freedom Celebration“ angemeldet – nicht als Demonstration, sondern als kulturelles Stadtfest. Laut Karácsony falle sie damit nicht unter das Versammlungsrecht und benötige keine Genehmigung durch die Polizei. Justizminister Bence Tuzson (Fidesz) reagierte prompt mit einer Drohung: Bis zu einem Jahr Haft für Organisator:innen, darunter möglicherweise auch der Bürgermeister. Auch Premierminister Viktor Orbán warnte in einem Radiointerview, dass die Teilnahme an der trotz Verbot geplanten Pride „klare rechtliche Konsequenzen“ nach sich ziehen könne. Er stellt sich damit hinter die Drohung der Justizministerin und betont, dass Bußgelder für Teilnehmer:innen und bis zu einem Jahr Haft für Organisator:innen geplant sind. Gleichzeitig betonte er aber auch, dass Ungarn ein „zivilisiertes Land“ sei und keine Gewalt anwenden werde.
Doch der Bürgermeister der ungarischen Hauptstadt blieb standhaft: „Budapest wird nicht kapitulieren, wenn Grundrechte verletzt werden.“ Und: „Wenn Gesetze ungerecht sind, ist es unsere Pflicht, sie zu umgehen – friedlich und sichtbar.“
Internationale Solidarität: Europa zeigt Haltung
Die Pride 2025 wurde zur symbolischen Bewährungsprobe für die europäischen Werte – die Reaktion aus Europa war eindeutig. Bereits am 27. Mai veröffentlichten 20 EU-Staaten – darunter Deutschland, Frankreich, Österreich und die Niederlande – eine gemeinsame Erklärung, in der sie Ungarn zur Rücknahme der Pride-Einschränkungen aufforderten.
Über 70 Abgeordnete des Europäischen Parlaments und viele Abgeordnete nationaler Parlamente reisten nach Budapest, darunter viele aus der sozialdemokratischen S&D-Fraktion (Sozialisten & Demokraten), aber auch Grüne und Liberale. Unter dem Motto „We will march – for freedom and equality“ (Wir werden marschieren – für Freiheit und Gleichberechtigung) beteiligten sie sich an der Parade.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen veröffentlichte zwei Tage vor dem Event eine Videobotschaft: „An die queere Community in Ungarn: Ich bin eure Verbündete. Ihr habt jedes Recht, stolz zu sein.“ Sie forderte Orbán offen auf, das Verbot zurückzunehmen – dieser erwiderte nur, dass sich die EU nicht einmischen solle. Verurteilt wurde das Verbot auch von der SPÖ und dessen Abgeordneten und LGBTIQ+-Sprecher Mario Lindner, der dieses Verbot als „Frontalangriff auf die Grundprinzipien der EU“ betitelte und selbst in Budapest mitmarschierte.

Die Pride vor Ort: Zwischen Feierstimmung und politischer Entschlossenheit
Allen Widerstand zum Trotz versammelten sich bis zu 200.000 Menschen in Budapest – damit war es die größte Pride in der Geschichte Ungarns. Vom Rathausplatz über die Elisabeth-Brücke bis zum Parlament bildete sich ein kilometerlanger Demonstrationszug. Unter ihnen: Menschen mit Regenbogen- und Trans*-Fahnen, Schilder mit Slogans wie „None of us are free until everyone is free“ (Niemand von uns ist frei, solange nicht alle frei sind) und „This is our home too“ (Das ist auch unser Zuhause). Die Teilnehmer:innen zeigten nicht nur offen ihre queere Identität, sondern auch ihren politischen Widerstand gegen Repression, Willkür und autoritäre Macht. Viele hielten Schilder oder trugen Kleidung, welche sich gezielt gegen die Regierung und Orbán richteten.
Die Atmosphäre war kraftvoll, kämpferisch – und zeitgleich friedlich. Die Polizei war sichtbar präsent, schützte die Route vor vereinzelten rechtsextremen Gegenprotesten, griff jedoch nicht aktiv gegen die Pride oder dessen Teilnehmenden ein. Bis am Abendwaren insgesamt 36 Personen angehalten und zwei Personen verhaftet worden, aufgrund von Drogenbesitz und Vandalismus. Soweit bekannt wurde bislang niemand wegen der Teilnahme an der Pride mit einer Geldstrafe oder Ähnlichem sanktioniert.
Ein Wendepunkt für Ungarn?
Was die Regierung Orbán verhindern wollte, entwickelte sich zu einem kraftvollen Aufstand der Zivilgesellschaft – nicht nur für LGBTQ+-Rechte, sondern als deutliches Zeichen gegen autoritäre Gesetzgebung. Die diesjährige Pride in Budapest wurde so zum größten queer-politischen Protest, den das Land je erlebt hat.
Die EU-Kommission prüft inzwischen die Ausweitung des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens gegen Ungarn – denn die EU-Kommission sehe hinter Orbán’s Vorgehen einen Verstoß gegen EU-Recht. Gleichzeitig mehren sich Forderungen, EU-Fördergelder künftig stärker an demokratische Standards zu knüpfen. Auch innerhalb Ungarns zieht das Ereignis politische Konsequenzen: Die demokratische Opposition kündigte an, die Rechte von LGBTQ+-Personen zu einem Kernthema im Wahlkampf 2026 zu machen.