Unabhängig von den Vielen – wie die Denkfabrik für das reichste Prozent der Bevölkerung Politik und öffentliche Meinung formt. Ein Beitrag von Autor Michael Mazohl in seiner Kolumne “Klassenkampf von oben”.
Kaum dreht man den Fernseher auf, erklärt ein besorgter Ökonom der Agenda Austria, warum es schlecht stehe um den Sozialstaat. Und genau dafür wurde die Agenda Austria gegründet: Das Institut im wissenschaftlichen Mäntelchen ist ein Werkzeug der reichsten und einflussreichsten Personen und ihrer Unternehmen, das gezielt öffentliche Diskurse prägen soll. Seit ihrer Gründung 2013 verfolgt die Agenda Austria eine klare neoliberale Agenda: weniger Staat, mehr Markt, und Privatisierungen in zentralen Bereichen wie Gesundheit und Pensionen. Ihre Selbstbeschreibung als „lösungsorientiert, wissenschaftlich und unbestechlich“ entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als PR-Strategie – ihre eigentlichen Interessen liegen anderswo.
Wer zahlt, schafft an
Finanziert wird die Agenda Austria von Unternehmern, Privatstiftungen und Konzernen. Namen wie die Erste Bank, Raiffeisen, REWE, Mondi und Privatpersonen wie Hand Michael Piech (Volkswagen) lassen sich die Arbeit der Agenda Austria 1,7 bis 2 Millionen Euro im Jahr kosten. Diese Geldgeber:innen haben kein Interesse daran, gesellschaftliche Ungleichheit zu bekämpfen, sondern sehen sie als notwendiges Übel – oder gar als Tugend, um Effizienz und Wachstum zu fördern.
Was Unabhängigkeit wirklich bedeutet
Die Agenda Austria betont immer wieder ihre „Unabhängigkeit“ – besonders gegenüber staatlicher Einflussnahme. Doch diese Unabhängigkeit ist bestenfalls einseitig. Während traditionelle Institute wie das WIFO oder das IHS durch öffentliche Gelder finanziert werden, um gerade keine privaten Interessen vertreten zu müssen, verlässt sich die Agenda Austria ausschließlich auf privatwirtschaftliche Mittel. Ihre Geldgeber wissen, wofür sie zahlen: Die Agenda Austria liefert Studien, Analysen und Argumente, die ihren marktwirtschaftlichen Vorstellungen entsprechen. Die Politikwissenschaftler Matthias Schlögl und Dieter Plehwe bringen es auf den Punkt: „In einem Think Tank wie Agenda Austria ist eine direkte Einflussnahme der Geldgeber gar nicht nötig – die zahlungskräftige Kundschaft weiß genau, was sie bekommt.“
Die Struktur der Finanzierung – laut Eigenangaben zahlt niemand mehr als 7 % des Budgets – verschleiert diese Einflussnahme geschickt. Doch die Zusammensetzung des Förderkreises zeigt, dass die wirtschaftlichen Interessen der Geldgeber und die politische Agenda des Think Tanks perfekt aufeinander abgestimmt sind. Die Agenda Austria muss gar nicht explizit gesteuert werden, denn ihre ideologische Grundausrichtung – neoliberal, marktfundamentalistisch und sozialstaatskritisch – entspricht genau den Wünschen derjenigen, die sie finanzieren.
Ein globales Netzwerk
Die Agenda Austria ist als Teil eines internationalen Netzwerks neoliberaler Organisationen einzuordnen, wie der Mont Pèlerin Society und dem Atlas Network. Diese Institutionen eint das Ziel, den Sozialstaat zu schwächen und marktliberale Ideologien zu fördern. Ihr Einfluss reicht bis in höchste politische Kreise, was zeigt: Hier geht es nicht nur um Debatten, sondern um Macht und Gestaltung gesellschaftlicher Realitäten.
Diskurssteuerung statt Forschung
Die Wirkung der Agenda Austria entfaltet sich weniger durch wissenschaftliche Forschung, sondern durch eine gezielte Beeinflussung des öffentlichen Diskurses: mit einfachen Botschaften, professioneller Medienarbeit und starken Kontakten zu Tageszeitungen und Fernsehsendern wie Die Presse oder ServusTV platziert die Denkfabrik ihre Argumente geschickt. Diese drehen sich stets um dieselben Kernthesen: Der Markt löse Probleme besser als der Staat, soziale Sicherheit sei ineffizient, und wirtschaftliche Freiheit übertrumpfe stets Solidarität.
Klassenkampf von oben
Die Agenda Austria ist ein zentraler Akteur im „Klassenkampf von oben“. Sie repräsentiert nicht die Interessen der breiten Bevölkerung, sondern eines kleinen und wirtschaftlich mächtigen Förderkreises, der seinen Einfluss auf Kosten des gesellschaftlichen Zusammenhalts ausweitet. Während Organisationen wie Gewerkschaften oder das Momentum-Institut offen für die Interessen der Vielen eintreten, tarnt sich die Agenda Austria als unpolitischer Problemlöser.
Das nächste Mal, wenn die Agenda Austria wieder vom „schlanken Staat“ spricht, sollte klar sein, wer dabei wirklich gewinnt – und wer verliert. Denn hinter den schicken Grafiken und eloquenten Kolumnen steckt ein Ziel: Die öffentliche Meinung zugunsten der oberen 1 % zu beeinflussen. Ihre „Unabhängigkeit“ ist dabei kein Zeichen von Neutralität, sondern ein clever inszenierter Vorwand, um sich gezielt den Wünschen und Interessen ihrer finanziellen Gönner anzupassen.
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