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Radikale Christen und Rechte führen einen systematischen Kampf gegen Frauen in Europa

Die Petition „fairändern“ hat in Österreich 60.000 Unterschriften gegen Spätabbrüche von Schwangerschaften gesammelt – die Initiative wird auch von den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ unterstützt. Dahinter steht ein internationales Netzwerk radikaler Christen: In einer gemeinsamen Strategie greifen sie die Rechte von Frauen und Homosexuellen in Europa an. Dafür stehen Millionen zur Verfügung und Österreich steht im Zentrum.

Sie wollen Scheidung, Abtreibung und Verhütung verbieten, die Rechte von Homosexuellen sind ihnen ein Dorn im Auge – das christlich-fundamentalistische Netzwerk hat sich international organisiert und Geld für Kampagnen gesammelt. Begonnen hat alles 2013 in Österreich: Die ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler hat die Gründung einer Lobby-Organisation angestoßen, um sexuelle Freiheit und Selbstbestimmung zurückzudrängen – im Namen der Religion.

Agenda Europe: Koordinierte Angriffe auf Frauenrechte in Europa

Herausgekommen ist Agenda Europe – eine verstecktes Netzwerk aus rund 300 Einzelpersonen und Organisationen aus über 30 Ländern. Religiös-konservative Kräfte arbeiten dort in gemeinsamen Treffen an einer Strategie, um Frauenrechte in den einzelnen Ländern zurückzudrängen. Journalisten sind nicht zugelassen, Teilnehmer verpflichten sich zur Verschwiegenheit.

Ihr Programm ist klar: Sex dient der Fortpflanzung – jede Form von sexueller Freiheit, aber auch Verhütung, Abtreibung oder Scheidungen sollen verboten werden. Alte religiöse Ideen werden dabei neu verpackt und populär gemacht. Wer das Recht auf Verhütungsmittel oder Abtreibung verteidigt, wird als Feind von Familie und Leben attackiert. Mit dem Kampfbegriff Gender-Ideologie werten sie alle Meinungen ab, die Liebe und Sexualität nicht allein in den Dienst der Fortpflanzung stellen wollen.

Gezielte Kampagnen in mehr als einem dutzend Länder

Und das Netzwerk ist äußert aktiv: In mehr als ein dutzend europäischen Ländern werden gezielt politische Kampagnen gefahren: Etwa die Initiativen gegen Abtreibung in Spanien 2014 und in Polen 2016, der aktuelle Versuch Scheidungen in Italien zu erschweren und auch die Petition gegen Spätabtreibungen in Österreich  – all das kommt von Akteuren aus der Agenda Europe.

Die österreichische Petition #fairändern hat 60.000 Unterschriften gesammelt und wird im Parlament in Ausschüssen verhandelt. Unterstützung bekommt sie dabei von den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ. Ziel ist es, die Entscheidungsfreiheit von Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen einschränken. Konkret soll die späte Abtreibung im Fall einer schweren Behinderung verboten werden –  die sogenannte „embryopathische Indikation“.

“Was hier in Österreich passiert, ist auch in vielen anderen Ländern Europas passiert: Direktdemkratische Instrumente werden genützt, um Frauenrechte abzubauen. Ähnliche Initiativen gabe es in Polen und in Finland gegen das Recht auf Abtreibung oder in Kroatien, Slowenien, Rumänien und der Slowakei gegen Homosexuellen-Rechte”, erklärt Neil Datta, Geschäftsführer des Europäischen Parlamentarischen Forums für Bevölkerung und Entwicklung (EPF).

Katholiken, Protestanten, Russisch-Orthodoxe und die extreme Rechte vereint gegen Frauenrechte

Datta hat sich intensiv mit dem Wirken von Agenda Europe beschäftig und einen ausführlichen Bericht darüber verfasst.

Sollten die Mitglieder von Agenda Europe ihre Ziele erreichen, würden sie jahrzehntelange Fortschritte sexueller und reproduktiver Rechte zunichtemachen”, sagt er.

Die ultra-konservative Lobby-Ogranisation eint Kräfte, die bislang wenig miteinander zu tun hatten: Europäische Katholiken, US-Protestanten und russisch-orthodoxe Oligarchen. Sie alle haben sich geeinigt: Die sogenannte Gender-Ideologie ist der Hauptgegener und muss bekämpft werden.

50 Mio. flossen aus den USA an Europas radikale Christen

Professionelle Kampagnen und der internationale Austausch kosten Geld: Laut einer Recherche von openDemocracy sollen in den letzten zehn Jahren zumindest 50 Millionen Dollar von rechts-fundamentalistischen US-Organisationen aus dem Umfeld von US-Präsident Donald Trump und Vize-Präsident Mike Pence nach Europa geflossen sein. Das Ziel: Der Kampf gegen sexuelle Bildung, Abtreibung, den freien Zugang zu Verhütungsmitteln und gegen die Rechte von Homosexuellen.

Mit dem Geld werden Lobbyisten in Brüssel bezahlt, Kampagnen gegen Homosexuellen-Rechte finanziert und Bürgerinitiativen gegen Abtreibung unterstützt. Auch sonst tummeln sich reiche Unterstützer und konservative Aristokraten um Agenda Europe und deren Ziele: Etwa Nikolaus von Liechtenstein, Gloria von Thurn und Taxis, Eduard von Habsburg oder der rechte Investor August von Finck, wie EPF-Generalsekretär Datta in seinen Recherchen herausgefunden hat. Wer aber tatsächlich zahlt, ist unbekannt.

Die religiösen Kräfte haben sich mittlerweile auch erfolgreich mit Populisten und der extremen Rechten verbündet. So war etwa die französische Rechtsextreme Marine Le Pen jahrelang weder gegen Abtreibung noch gegen Homosexuellen-Rechte aktiv – durch die Tätigkeit von Agenda Europe und rechte Treffen wie den Weltkongress der Familien ändert sich das langsam.

Rechtsextreme in Italien wollen Scheidung erschweren

Das gewagteste Experiment der christlichen Fundamentalisten findet derzeit in Italien statt: Dort will der rechte Lega-Senator Simone Pillon Scheidungen erschweren und den Unterhalt für Kinder geschiedener Mütter abschaffen. „Italien ist Experiment, um zu sehen, wie weit man gehen kann. Wie weit man die Möglichkeiten in einem Land ausreizen kann“, sagt Datta.

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10 Kommentare
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Alex
Alex
1. Mai 2020 18:10

Sagt amal, schämt Ihr Euch nicht die Wehrlosesten der Wehrlosesten einfach so zu meucheln und das auch noch als Recht hinzustellen? Wie verkommen seid Ihr eigentlich!

RW
RW
20. Juni 2019 13:24

Spannende Frage aus diesem Thread und verlinkten Quellen: (Wann) ist es legitim, jemanden als extremistisch zu bezeichnen? Die Pro-Life Bewegung und die nach eigenem Ermessen hier diffamierte Gudrun Kugler argumentieren, dass die Bezeichnung “extremistisch” fälschlicher und in verleumdender Weise Gewaltbereitschaft unterstellt und dass sie mit ihrer Agenda lediglich ihre Religionsfreiheit ausleben.
Da nun andere hier in den Kommentaren bereits das Bedürfnis hatten, den Islam zum Vergleich heranzuziehen, werde ich hier mal das gleiche tun: Würden wir eine muslimische Vereinigung, die sich politisch engagiert um die Burkapflicht in Deutschland einzuführen als extremistisch bezeichnen? Jene, die hier den Islam als Gegenkeule hinzugezogen haben vermutlich schon. Andere vielleicht nicht. Wären wir uns überwiegend einig, dass das darunterliegende religiös geprägte Moralverständnis – auch, wenn wir ihnen das Recht auf dieses im Privaten auf Grund der Religionsfreiheit zusprechen würden – als politische Agenda einen grenzüberschreitenden Eingriff in das Leben deutscher Frauen zum Ziel hat, und dass die entsprechende politische Aktivität als solche beunruhigend und nicht hinnehmenbar ist? Ziemlich sicher ja.

Mit dem Bestreben Abtreibungen zu verbieten hat es eine ähnliche Dynamik. Ist es legitim, dass Menschen nicht abtreiben wollen und das niemals tun würden? Na klar. Ist es legitim für diese Menschen danach zu streben, aus ihrer eigenen religiös geprägten moralischen Überzeugung die Gesetzgebung dahingehend zu gestalten, dass die Freiheit anderer Leute, ihr eigenes eventuell nicht religiös (sondern beispielsweise humanistisch) geprägtes Moralverständnis im Bezug auf ihr eigenes Leben beschnitten wird? Liegt das im Rahmen ihrer eigenen, privaten Religionsfreiheit? Klares nein. Ist es beunruhigend, dass Menschen mit dieser religiös geprägten Agenda sich politisch organisieren? Auf jeden Fall. Ist es hinnehmbar? Nur wenn wir unterschiedliche Standards für unterschiedliche Religionen anlegen.

Um dann noch auf den Punkt mit den schweren Entscheidungen und dem Moralverständnis einzugehen, dass in den Kommentaren auch schon aufgetaucht ist: Es ist ein religiös geprägtes Moralverständnis, das Leben als Selbstzweck als höchstes Gut zu betrachten. Es ist ein humanistisches Moralverständnis, die menschliche Erfahrung als höchstes Gut zu betrachten. Beide sind nützlich, um eine friedliche Gesellschaft zu strukturieren (unser Staat begründet sich übrigens im humanistischen Weltbild) und damit in einer pluralistischen Gesellschaft erstmal unproblematisch. Aus einem religiösen Weltbild heraus kennt die Frage nach Abtreibung in den meisten Fällen nur eine Antwort und ist damit gar nicht so schwierig. Im humanistischen Weltbild stellen sich aber Fragen wie: Bin ich emotional reif genug um eine gute Mutter zu sein? Wäre ich in der Lage, gut für das Kind zu sorgen? Wäre ich fähig , die emotionalen Bedürfnisse dieses Kindes zu befriedigen? Könnte ich als Mutter glücklich sein? Das sind schwierige Fragen, und manchmal lautet die Antwort nein. Und während bereits geborene Menschen Empfindung und Bewusstsein haben, um die Konsequenzen solcher Entscheidungen zu tragen und ggf. zu erleiden, hat ein Fötus keins von beidem. Womit die moralische Entscheidung aus einem humanistischen und empathiegeprägten Weltbild nun einmal manchmal ein Schwangerschaftsabbruch ist.

Und nur um das mal klarzustellen: Niemand aus dem liberalen Lager organisiert sich politisch, um emotional unreifen Eltern gesetzlich eine Abtreibung aufzuzwingen, auch wenn das aus ihrer humanistisch geprägten Moralvorstellung heraus vielleicht das beste für alle Beteiligten wäre. Man respektiert die Freiheit anderer Menschen, andere Entscheidungen für ihr eigenes Leben zu treffen. Und genau diesen Respekt dafür, dass andere Menschen in ihrem eigenem Ermessen ihr Privatleben gestalten, dürfen und müssen wir auch vom religiösen Lager einfordern. Wer diese persönliche Freiheit nicht respektiert und abzuschaffen versucht, überschreitet die Grenzen des hinnehmbaren – gewaltbereit oder nicht.

Martin Mair
Martin Mair
13. Juni 2019 12:00

“Radikale Christen” würden im Sinne der christlichen Nächstenliebe NIEMANDEN bevormunden und eine egalitäre Gesellschaft vorleben (“Urchristentum”: “Sie waren ein Herz und eine Seele und teilten alles miteinander” irgendwo in der Apostelgeschichte). Radikal christliche Männer würden Frauen achten und nicht schwängern, wenn nicht gemeinsam die Verantwortung übernommen wird.

Diese Extremisten sind definitiv keine Christen!

Sigrun
Sigrun
15. Mai 2019 15:14

“Die österreichische Petition #fairändern hat 60.000 Unterschriften gesammelt und wird im Parlament in Ausschüssen verhandelt. Unterstützung bekommt sie dabei von den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ.” – Hier stellt sich mir die Frage: Wie genau sieht denn diese “Unterstützung von den Regierungsparteien” aus? Kommt sie von einzelnen Parteimitgliedern oder generell von den beiden Parteien? Dieser Artikel scheint den Eindruck erwecken zu wollen, dass ÖVP und FPÖ gegen Abtreibung wären. Das hätte ich gerne etwas präziser, um den gesamten Artikel richtig einordnen zu können. Denn allein die Tatsache, dass es auch in Europa eine Organisation gibt, die sich gegen Abtreibung einsetzt, überrascht mich nicht und regt mich nicht einmal auf. Auch wenn ich diese Einstellung nicht teile, dürfen andere sie sehr wohl vertreten.

Weiters hat mich interessiert, was denn die hier als religiöse Extremistin dargestellte Gudrun Kugler zu diesen Vorwürfen zu sagen hat, und habe das hier gefunden: http://gudrunkugler.at/neue-verschwoerungstheorien-klarstellung/
Ich halte es für wichtig immer beide Seiten zu einem Thema zu Wort kommen zu lassen. Alles andere ist journalistisch unredlich und daher klar als Manipulation einzustufen.

Michi
Michi
29. April 2019 12:46

Radikale Islamisten terrorisieren jedoch die ganze WELT!

Hieronymus Bernd
Hieronymus Bernd
29. April 2019 08:22

Klar. Die bösen Christen und die ganzen bösen Rechten sind gegen “Frauenrechte”. Der gute Islam wird alle Frauen befreien. Und jetzt zieh deine Burka an!

Schön gegen die Weißen und gegen Christen vorgehen. Die Autorin ist geistig behindert.

Wenn
Wenn
27. April 2019 11:59

man ein radikaler Mensch ist weil man gegen die Ermordung von menschlichem Leben ist, dann bin ich stolz darauf ein radikaler Mensch zu sein

Karl
Karl
26. April 2019 15:15

Niemand glaubt, dass die Entscheidung für eine Abtreibung eine einfache Entscheidung für eine Frau ist, sogar Abtreibungsbefürworter glauben das nicht.
Warum ist das keine einfache Entscheidung?
Weil es bei dieser Entscheidung um den Tod des (noch dazu eigenen) Kindes geht.
Wenn das nun so ist, wie kann dann je ein Mensch Abtreibung befürworten?

Jetzt gerade im ORF:
Jetzt gerade im ORF:
25. April 2019 10:28

Joy Pamela Rendi-Wagners’ Rede: Bisher die einzige mit Hirn. Gratulation!

Martin Mair
Martin Mair
Reply to  Jetzt gerade im ORF:
13. Juni 2019 12:04

Sag das einmal all den Männern, die Frauen zwar gerne ficken aber in Stich lassen, wenn die Frauen schwanger werden. Alleinerziehende sind meist weiblich. Ein Armutszeugnis für Männer!

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