Türkis-Grün

Gastro-Paket: Schaumweinsteuer abschaffen, Spesen erhöhen – „Welchen Betrieben nutzt denn das?“

Es steht schlecht um die Gastronomie des Landes: Seit Monaten müssen Lokale geschlossen halten. Die wenigen, die sich mit Lieferdiensten oder Gassenverkäufen über Wasser halten, klagen über bescheidene Umsätze. Und es ist kein Licht am Ende des Tunnels in Sicht: Ab 15. Mai dürfen Beisl und Haubenlokal zwar wieder Gäste bewirten, doch aufgrund der Bestimmungen rechnet man mit Umsatz-Einbußen von bis zu zwei Dritteln. Immer mehr kündigen an, nicht wieder aufsperren zu können.

Hotellerie und Gastronomie stecke so tief in der Krise wie sonst kaum eine Branche: 40 Prozent der kleinen Betriebe wirtschaften auch in guten Zeiten zumindest zeitweise im Minus. Sie sind es, die zuerst zusperren werden müssen. „Marktbereinigung“ nannte das Notenbank-Chef Robert Holzmann (FPÖ) zynisch zu Beginn der Krise.

Die großen Betriebe überstehen die Krise vor allem durch Kurzarbeit und Überbrückungskredite – das gilt in erster Linie für die Hotellerie. Gerade Restaurants, Eisdielen und Kaffeehäuser haben oft geringfügig Beschäftigte. Für sie gab es keine Lösung. Hier hagelte es Entlassungen.

500 Mio. Euro-Paket

Am Montag stellte die Regierung ihren neuesten Coup für Österreichs Wirtinnen und Hotelbetreiber vor: Man stellt 500 Mio. Euro in Aussicht. Dabei handelt es sich allerdings nicht um „frisches Geld“: Es ist Teil des Hilfspakets von 38. Mrd. Euro. Konkret soll es eine Steuersenkung bei nichtalkoholischen Getränken, eine Vereinfachung und Entlastung durch höhere Pauschalierung sowie eine Anhebung der Essensgutscheine geben. Darüber hinaus soll es eine Erhöhung der Absetzbarkeit bei Geschäftsessen sowie die Abschaffung der Schaumweinsteuer kommen.

Michaela Reitterer, Präsidentin der österreichischen Hoteliersvereinigung, ist froh über die Erleichterungen. Aber eine „leichte Zeit“ sieht sie nicht anbrechen. Sie sagt, die große Unbekannte sei, wie viele Gäste in den nächsten Wochen und Monaten wirklich kommen würden. Die Erleichterung bei Essengutscheinen oder die steuerliche Begünstigung von Geschäftsessen, wie sie die Regierung jetzt angekündigt hat, hilft allerdings nicht, wenn Menschen immer noch Angst vor Ansteckungen haben. Das gelte aber für alle Branchen.

„Ich kenne nicht viele Betriebe, wo das Geld schon angekommen ist“, sagt sie über das Hilfspaket.

Wirte-Konferenz lässt Fragen offen

Und das wäre dringend notwendig. Denn die Wiedereröffnung steht an, und die kostet Geld. Eine Woche vor der Wiedereröffnung veranstalteten Bundeskanzler Sebastian Kurz, Toursimusministerin Elisabeth Köstinger, Gesundheitsminister Rudolf Anschober und WKÖ-Präsident Harald Mahrer eine Online-Wirte-Konferenz. Diese wurde nur einen Tag vorher angekündigt. Trotzdem war das Interesse groß: 3.000 Teilnehmer verzeichnet die Wirtschaftskammer am virtuellen Stammtisch. Eine von ihnen ist Viola Bachmayr-Heyda.

Wir haben bereits zu Beginn der Krise mit der Wiener Kaffeehausbesitzerin über ihre Lage gesprochen: Die Wirtin hätte die Krise sorgenfrei überstanden, denn sie war gut versichert – hätte die Regierung das Epidemiegesetz nicht gekippt. So geht sie leer aus – fast:

„Nachdem ich beim ersten Härtefallfonds gar nicht beantragen konnte, weil ich erst seit einem Jahr offen habe, habe ich jetzt etwas bekommen: 500 Euro. Ich will wirklich nicht undankbar sein. Aber davon kann ich die zwei Monate, die wir schon geschlossen haben, nicht mal meine private Miete zahlen – geschweige denn die Lokalmiete!“

Von der Wirte-Konferenz hat sie durch Zufall erfahren. „Ich war danach nicht schlauer als davor. Die Organisation war recht chaotisch, hatte ich das Gefühl. Es wäre wohl besser gewesen, das ganze wäre länger angekündigt gewesen. Dann hätte man auch mehr verschiedene Fragen beantworten können.“ Denn wie der Meter-Abstand gemessen werden muss, kann niemand beantworten. Tischkante zu Tischkante? Rückenlehne zu Rückenlehne? Gastnase zu Gastnase? „Das wirkt banal, aber wir wissen aus dem Lärmschutz, wie streng die Regeln exekutiert werden – und das wird teuer für uns Wirte“, erzählt eine weitere Gastronomin.

Wem nutzen Schaumweinsteuer und Spesen-Erleichterung?

Auch die Opposition übt heftige Kritik. NEOS und die Gewerkschaft Vida nennen das Paket „einen Tropfen auf dem heißen Stein“. Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried kritisiert die Abschaffung der Sektsteuer: „KleinstunternehmerInnen wissen nicht, wie sie weiter überleben sollen und Schwarz-Grün macht der Champagner- und Sektindustrie ein 25 Millionen Steuergeschenk“, meinte er und forderte stattdessen „ein 25 Million Euro-Nothilfepaket für DorfwirtInnen und KleinstgastrobetreiberInnen“.

Auch Bachmayr-Heyda sieht den Sinn der Erleichterungen nur begrenzt. Ihr Betrieb nutzt die pauschalierte Absetzbarkeit nicht, deswegen hat sie nichts von der Anhebung der Obergrenze auf 400.000 Euro. Über die Halbierung der Mehrwertsteuer auf alkoholfreie Getränke von Juli bis Jahresende freut sie sich. Mit der Absetzbarkeit von Geschäftsessen von 50 auf 75 Prozent kann sie wiederum wenig anfangen. „Geschäftsessen sind wirklich mein kleinstes Problem. Ich glaube, dass Firmen, die vor Corona genug genug Budget für solche Spesen hatten, wohl immer noch genug Geld haben. Kleine Betriebe oder Betriebe mit wenig Geld haben das ja von Anfang an nicht gemacht. Die haben doch vor der Krise schon nur selten mal Pizza bestellt.“

Ob ihr wenigstens die Abschaffung der Schaumweinsteuer etwas bringt? Immerhin ist das Brunchbuffet am Samstag ihr Hauptgeschäft. Bachmayr-Heyda stutzt. In einer guten Woche schenkt sie nicht mehr als sechs Flaschen aus. Das bringt keine sechs Euro Erleichterung für sie als Gastronomin.

„Bei all dem Kummer und all den Sorgen, verstehe ich nicht, warum man von Geschäftsessen-Absetzbarkeit redet. Welchen Betrieben nutzt denn das? In welchem Beisl trinkt man Sekt?“

Ihr Brunch-Buffet wird Bachmayr-Heyda nicht so schnell wieder aufbauen können.

„Nicht mehr als eine nette Geste“

Als „ersten Versuch“ zur Aufheiterung der Laune der Wirte bezeichnet der Wirtschaftsjournalist Andras Szigetvari die Maßnahmen. Eine „nette Geste“ nennt es Bachmayr-Heyda. So sieht sie auch die 500 Euro, die sie aus dem Härtefallfonds bekommt. „Um das Geld habe ich Gesichtsschutz für meine Kellnerinnen und Etageren gekauft.“ Denn das Brunch-Buffet – die Haupteinnahmequelle im Café Viola – kann sie bis auf weiteres nicht mehr anbieten. Stattdessen wird das Frühstück am Tisch serviert, von Kellnerinnen mit Face-Shields.

Die Wirtschatshilfe ist direkt in Sicherheitsmaßnahmen für die Wiedereröffnung  geflossen. Und die sonstigen Mehrkosten? „Meine Steuerberaterin ist wahnsinnig großzügig und verrechnet mir ihren Mehraufwand nicht extra. Das wären aber sicher auch noch mal 500 Euro.“

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