Im Netz entsteht ein neuer Niedriglohn-Bereich. “Crowdworker” heißen die Tagelöhner, die im Internet Tätigkeiten zu Dumping-Löhnen verrichten. Ganz anonym und unbürokratisch können sich Arbeitssuchende auf Plattformen anmelden, wo sie Tausende Mini-Jobs finden. Mindestlöhne, Kündigungsschutz oder andere rechtliche Sicherheiten gibt es nicht. Crowdworking beginnt auch in Österreich an Bedeutung zu gewinnen, nun liegen erstmals auch Zahlen vor.
Crowdworking könnte die Art, wie wir arbeiten, so stark verändern wie das Fließband vor rund 100 Jahren. Arbeitsprozesse werden in viele kleine Tätigkeiten zerlegt, die auf Online-Plattformen ausgeschrieben werden. Dort wartet die sogenannte “Crowd”, also die anonyme Masse darauf, diese Aufgaben zu erledigen. Für Online-Versandhändler wird Kleidung in virtuelle Regale geschlichtet, Texte werden übersetzt oder Bilder beurteilt. Um an diese Aufgaben zu kommen, braucht man nur einen Computer, einen Internetanschluss und ein Online-Profil auf einer der digitalen Plattformen wie clickworker oder microtasks.
Unkompliziert – aber schlecht bezahlt
Das klingt unkompliziert und gibt Menschen, die am regulären Arbeitsmarkt schwer Beschäftigung finden, tatsächlich Möglichkeiten Geld zu verdienen. Doch stellt uns die Entwicklung auch vor eine Reihe von Problemen: Die Stundensätze sind weit niedriger als am regulären Arbeitsmarkt. Auf der Plattform Mechanical Turk von Amazon arbeiten etwa Hundertausende aus 191 Ländern für zwei bis drei Euro die Stunde. Konkret bekommt man etwa einen Cent pro Artikel, den man für einen Onlineshop der richtigen Kategorie (also Bluse, Hose, usw.) zuordnet. Zumindest am Anfang schafft man nicht mehr als 100 Artikel pro Stunde, das ergibt einen Stundenlohn von einem Euro. Verschärft wird der Lohndruck dadurch, dass Menschen um die ganze Welt mit höchst unterschiedlichen Lebenshaltungskosten miteinander konkurrieren. Außerdem sind CrowdworkerInnen weder angestellt noch sozialversichert. Das birgt Risiken im Krankheitsfall und im Alter, zudem fehlen Urlaubsansprüche und ein halbwegs planbares Einkommen.
Hundertausende arbeiten für zwei bis drei Euro die Stunde. Konkret bekommt man etwa einen Cent pro Artikel, den man für einen Onlineshop der richtigen Kategorie (also Bluse, Hose, usw.) zuordnet. Zumindest am Anfang schafft man nicht mehr als 100 Artikel pro Stunde, das ergibt einen Stundenlohn von einem Euro.
Hinzu kommt, das der einzelne Crowdworker den Bewertungen seines Auftraggebers gnadenlos ausgeliefert ist. Wird eine Arbeit auf der Plattform – für alle sichtbar – schlecht bewertet, wirkt sich das auf die zukünftig angebotenen Aufträge aus. Besser bezahlte, qualifiziertere Aufträge erhält man nur, wenn gute Bewertungen vorliegen. Der Bewertete kennt die Gründe für die Bewertung nicht, erhält kein Feedback und kann auch keinen Einspruch dagegen erheben. Lohndruck und psychischer Druck gehen beim Crowdworking also oft Hand in Hand. Gerade auch, weil der direkte Kontakt zu KollegInnen fehlt, mit denen man sich austauschen könnte.
Wer macht das in Österreich?
Die Arbeiterkammer hat nun gemeinsam mit internationalen PartnerInnen eine Studie zur Crowdwork-Szene in Österreich durchgeführt. Dazu wurden 2.003 österreichischen Erwachsenen im Alter von 18-65 Jahren online befragt. Das sind die wichtigsten Ergebnisse:
- 18 % der Befragten haben im letzten Jahr einmal über eine Plattform gearbeitet. 9% arbeiten zumindest einmal im Monat über eine Online-Plattform, 5% wöchentlich.
- Crowdwork ist oft ein Zusatzverdienst. 59% der Befragten verdienen damit weniger als die Hälfte ihres Einkommens. Bei immerhin 11% ist es aber mehr als die Hälfte ihres Einkommens.
- Das Gesamteinkommen der Crowdworker scheint dürftig zu sein: Fast die Hälfte (48%) der Befragten verdiente aus regulärem Einkommen (z.B. Teilzeitbeschfäftigung, Pension usw.) und Crowdwork zusammengerechnet weniger als 18.000 € pro Jahr, weitere 43% verdienen zwischen 18.000 € und 36.000 € und nur 3% verdienen mehr als 60.000 € jährlich.
- 74 % der CrowdworkerInnen gehen Bürotätigkeiten und kleineren Aufgaben nach.
- CrowdworkerInnen sind eher männlich (57%) und jünger als der Durchschnitt der erwerbstätigen Bevölkerung. Aber es gibt auch ältere Crowdworker: 12% sind zwischen 54 und 65 Jahre alt.
Rechtliche Situation verbessern
Weltweite Erfahrungen, die Warnungen vieler ArbeitsrechtexpertInnen und Studienergebnisse, wie die der Arbeiterkammer zeigen, dass wir dringend faire Spielregeln für die digitale Arbeitswelt brauchen. Internetbasierte Arbeitsvermittlung verschärft Trends der vergangenen Jahre: die Grenzen zwischen selbstständiger und unselbstständiger Arbeit verschwimmen, Arbeit und Freizeit verschmelzen, der Lohndruck wird größer. Eine digitalisierte und vernetze Ökonomie wird große Auswirkungen auf unsere individuellen Lebensrealitäten, sowie auf die Gesellschaft haben. Jetzt geht es darum, den Digitalisierungsprozess zum Wohle aller zu gestalten.
Zum Weiterlesen
Matthias Punz hat auch eine Sendung zum Thema auf “Ö1” gestaltet: http://oe1.orf.at/programm/447534
Studie der Arbeiterkammer zu Crowdwork in Österreich https://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/digitalerwandel/Oesterreichs_Crowdworkszene_2016.pdf