Die EU bekommt ein neues Urheberrecht. Monatelang wurde heftig gestritten, am Wochenende gingen 170.000 Menschen dagegen auf die Straße und am Dienstag stimmt das EU-Parlament nun über die Reform ab. Kritiker fürchten das Ende des Internets wie wir es kennen und sehen die Ausdrucksfreiheit im Internet gefährdet. Die Reform wird als Kniefall vor großen Verlagen sowie der Musik- und Filmindustrie gewertet. Was bedeutet diese Einigung, die fast jeden Internetnutzer betrifft? Warum ist sie so umstritten? Und wie könnte eine faire Entlohnung der Kreativen aussehen, die ohne Uploadfilter auskommt? Das erklärt der Innsbrucker Universitätsprofessor Leonhard Dobusch im Interview.
Kannst du kurz beschreiben, was das Ziel der Urheberrechtsreform ist?
Dobusch: Das europäische Urheberrecht stammt aus 2001. Wenn man sich vor Augen führt, dass Plattformen wie Facebook 2004 und YouTube 2005 überhaupt erst gegründet wurden, sieht man, wie veraltet das Urheberrecht inzwischen ist. Denn viele weit verbreiteten Nutzungspraktiken – vom Upload eines Handy-Videos mit Musik im Hintergrund bis zu den allgegenwärtigen Foto- und Video-Memes – sind urheberrechtlich eigentlich illegal. Hinzu kommt, dass wichtige Ausnahmen von Land zu Land verschieden sind, während digitale Plattformen länderübergreifend funktionieren. Es gibt also durchaus Bedarf für eine Urheberrechtsreform in der EU.
Am häufigsten an der Urheberrechtsreform wird der so genannte Uploadfilter kritisiert. Was ist das und was stört die Kritiker daran?
Dobusch: Eine Idee ist es, große Plattformen wie YouTube oder Facebook dazu zu bringen, mehr Geld für Inhalte zu bezahlen, die auf ihren Plattformen geteilt werden. Denn derzeit fließt nur wenig Geld von den Profiten in die Kreativbranche. Die Kritik setzt deshalb auch weniger am Ziel als vielmehr am konkreten Vorschlag an. Artikel 13 des Entwurfs sieht nämlich vor, dass Plattformen mit Uploadmöglichkeit für ihre Nutzerinnen und Nutzer für alle hochgeladenen Inhalte Lizenzvereinbarungen abschließen oder alternativ diese Inhalte filtern müssen. Viele Inhalte, deren Beurteilung schwierig ist – zum Beispiel Satire und Zitate – oder deren Lizenzierung praktisch unmöglich ist, die aber heute toleriert werden, würden in so einer Situation nicht veröffentlicht werden können. Und weil Plattformen auch ohne Kenntnis haften sollen, haben sie keine eine andere Wahl, als solche Inhalte auch im Zweifel zu filtern.
Manche argumentieren jetzt, dass solche Uploadfilter eben der Preis dafür sind, um mehr Geld von Google & Co für die Kreativen zu bekommen. Allerdings werden Uploadfilter die Marktposition von den großen Plattformen aber stärken, weil nur diese in der Lage sind, diese technisch und rechtlich umzusetzen. Die Verhandlungsposition der Kreativen würde dadurch weiter geschwächt. Denn mit dieser Regelung haben die Plattformen immer die Wahl zu sagen, entweder zu unseren Konditionen oder wir filtern die Inhalte eben raus.
Viele meinen, die Urheberrechtsreform wäre das Ende des freien Internets. Ist diese Kritik legitim?
Dobusch: Wenn die Urheberrechtsreform so wie vorgeschlagen beschlossen wird, werden tatsächlich digitale Freiheiten eingeschränkt. Heute werden viele Inhalte, die ohne kommerzielle Motive erstellt werden, auf Plattformen wie YouTube geduldet. Von Uploadfiltern werden genau solche nicht-kommerziellen Nutzerinnen und Nutzer betroffen sein.
Wie könnte eine Reform des Urheberrechts aussehen, die diese Probleme nicht mit sich bringt?
Dobusch: Statt einer weiteren Verschärfung eines ohnehin übermäßig starken Urheberrechts sollte es eine vergütete Ausnahmebestimmung nach Vorbild der Regelung für Privatkopien geben: Teilen von Inhalten wie Remixes oder Memes wäre dann über soziale Netzwerke oder private Blogs erlaubt. Plattformbetreiber, die mit Werbung Geld verdienen, müssten dafür pauschal entschädigen. Bei Privatkopien hat man es in den 1980er Jahren genauso gemacht: Statt das Kopieren auf Kassetten und CDs zu verbieten, wurden Privatkopien erlaubt und über eine Pauschalabgabe auf Leermedien vergütet.